Es sind die Menschen, die ihre Stadt machen. Und gemessen an den Menschenströmen sind drei Quartiere besonders dynamisch. Eine Datengeschichte vom Sprungbrett zur Schweiz und dem Studentenquartier, das erwachsen wird.
Zu- und Abwanderung, das sind die Lebensströme jedes urbanen Raums. Es sind die Menschen, die ihre Stadt machen – und mit jedem Jahr kommen neue hinzu und Eingesessene ziehen weg. In Basel sind es drei Quartiere, die zurzeit die dynamischsten Drehscheiben darstellen; hier läuft wörtlich am meisten. Es sind: das Gundeli-, das St. Johann- und das Matthäus-Quartier.
Das sagt zumindest die Migrationsstatistik des Statistischen Amts Basel-Stadt. Schauen wir mal nach: Am stärksten gewachsen sind im vergangenen Jahr zwar die Quartiere Wettstein und Hirzbrunnen. Die grösste Fluktuation herrschte 2014 aber in diesen Quartieren:
Eingezogene | Ausgezogene | Bevölkerung Ende 2014 | |
St. Johann | 3’492 | 3’490 | 18’941 |
Matthäusquartier | 3’204 | 3’257 | 16’252 |
Gundeldingen | 3’185 | 3’278 | 18’941 |
Iselin | 2’521 | 2’537 | 16’454 |
Kaum verwunderlich sind das auch die Quartiere, in denen die meisten Leute wohnen. Das Gundeli und das St. Johann hatten Ende 2014 knapp 19’000 Einwohner, das Matthäusquartier etwas mehr als 16’000. Ein paar Hundert mehr wohnen zwar im Iselin, da herrschte jedoch kein so grosses Kommen und Gehen.
Wohin zügelten die Basler innerhalb Basels am liebsten? | |
St. Johann | 2’096 |
Matthäusquartier | 2’710 |
Gundeldingen | 1’658 |
Beliebt sind das St. Johann, das Matthäusquartier und das Gundeli nicht nur bei den Baslern. Wer von ausserhalb des Kantons nach Basel zog, bevorzugte ebenfalls diese drei Quartiere.
Wo sind Auswärtige 2014 am liebsten hingezogen? | |
Gundeldingen | 1’527 |
Matthäusquartier | 1’494 |
St. Johann | 1’396 |
Wir haben uns die drei Quartiere deshalb genauer angesehen – direkt zum Gundeli / Matthäus und St. Johann.
Zum Ankommen ins Gundeli
Die grösste Bewegung im Gundeli resultierte 2014 – wie auch in den beiden anderen Quartieren – aus Umzügen innerhalb des Kantons. Da kamen 1658 Personen, es gingen 1783; das entspricht einer Abwanderung von 125 Personen. 120 davon waren in Basel wohnende Ausländer, die grösstenteils in andere, bevölkerungsreiche Quartiere abwanderten. Etwa 400 Gundelianer zogen innerhalb des Quartiers um.
Damit bestätigt sich etwas, was die Gundelianer längst wissen: Neuankömmlinge im Quartier zügeln meist zunächst in eine Wohnung an den belebten Längsachsen. Wer schon länger dort lebt, macht es sich in den ruhigen Nebenstrassen bequem, sofern er dort eine Wohnung findet.
Viele Gundelianer zog es 2014 in die übrige Schweiz, 961 Bewohner zogen vom Gundeli in andere Kantone, gegenüber 752, die von dort aus zuwanderten. Das ergibt ein Minus von 209 Personen.
Das entspricht fast genau dem Ausländerzuwachs; der liegt bei 214 Personen. Insgesamt zügelten im vergangenen Jahr 775 Personen von ausserhalb der Schweiz ins Gundeldinger Quartier.
Und auch hier bestätigen die Abwandernden den Trend: Wer aus dem Gundeli stammt und Basel verlässt, geht gerne nach Baselland. Im Jahr 2014 waren das 501 Personen. Und noch einmal 199 zügelten nach Deutschland.
Ein Wort zu den Tücken
Wer bisher mitgerechnet hat, merkt, dass da etwas nicht stimmen kann. Nach der oben genannten Bevölkerungsstatistik ist die Zahl der Gundelianer im vergangenen Jahr um 108 Personen gewachsen, nach Zählung der Migrationsströme ist sie geschrumpft.
Nun gab es im vergangenen Jahr weder einen Babyboom im Gundeli noch einen Fehler in der Statistik. Die stimmt, und zwar aus folgenden Gründen: Unter den Weggezogenen sind auch diejenigen, von denen man schlicht nicht weiss, wo sie abgeblieben sind, die beispielsweise eine Weltreise machen, ohne sich abzumelden oder die sich erst lange nach dem Umzug ummelden.
Das Statistische Amt nimmt an, dass diese Personen den Kanton verlassen haben, schlicht ohne sich abzumelden. Wir setzen noch eins drauf und vermuten sie ausser Landes. Wissen können wir das freilich nicht.
Im Gundeli sind das für 2014 im Ganzen 93 Personen, die verschwunden sind, im St. Johann sogar 203. Das Statistische Amt nennt das «Saldobereinigung». Für ganz Basel betrifft diese Unschärfe pro Jahr 600 bis 800 Personen. Dazu kommen viele Studenten, die in der Heimatgemeinde gemeldet sind, obwohl sie in Basel wohnen, und daher nicht in den Büchern auftauchen.
St. Johann – Schweiz zum Kennenlernen
Auch im St. Johann ist ein Umzug innerhalb Basels der häufigste Zügelgrund. 2014 kamen 2096 Personen aus anderen Quartieren ins St. Johann, es gingen 2043. Die Differenz von 53 Personen ist grösstenteils durch zügelnde Schweizer bedingt. 584 Personen zügelten innerhalb des Quartiers.
Attraktiv ist das St. Johann für Ausländer. Im Ganzen ist die Lage im St. Johann aber heterogener als im Gundeli. Etwa die Hälfte der Zuwanderer von ausserhalb kam aus dem europäischen Raum (648 Personen), davon 189 aus Deutschland. 507 Personen zogen aus der Schweiz ins St. Johann, davon 147 aus Basel-Land. 123 Zuzügler kamen aus Asien.
Europäer, die die Schweiz kennen- und liebenlernen wollen, sind im St. Johann wohl richtig: Nur die Hälfte derer, die aus Europa ins St. Johann kamen (648), zogen in der Bilanz auch wieder dorthin weg (343). Etwa die Hälfte (132 Personen) wanderte nach Deutschland ab.
Auch im St. Johann gibt es einen leichten Zuwachs an Ausländern. 2014 zogen 180 Personen mehr aus dem Ausland zu als fort. Dazu kam, dass in der Bilanz noch mehr Personen, 231, das St. Johann in Richtung anderer Schweizer Kantone verliessen. Am Beliebtesten war bei den Wegzüglern ebenfalls der Umzug in den Landkanton, insgesamt 375 Personen zogen dorthin. Wer sich in der Schweiz wohl fühlt, der sucht wohl anschliessend gerne den Weg in andere Kantone.
Das Studentenquartier wird erwachsen
Bei jungen Zuzügern ist das St. Johann noch immer ein beliebtes Quartier. Schaut man sich aber die Vorlieben der Zuzügler nach Altersgruppen an, sieht es aus, als würde das Quartier dem Status «Studentenquartier» langsam entwachsen. Bei den unter 30-jährigen Zuzüglern waren im vergangenen Jahr das Gundeldinger- und Matthäusquarter der Spitzenreiter, auch junge Berufstätige bevorzugten knapp das Matthäusquartier. Am beliebtesten war das St. Johann vergangenes Jahr bei den über 45-Jährigen:
(Migration 2014, Zuzügler nach Alter und Quartier. Quelle: Kantonale Bevölkerungsstatistik Basel-Stadt / Statistisches Amt des Kantons Basel-Stadt.)
Matthäus – ein Sprungbrett in die Schweiz
Das Matthäusquartier ist das beliebteste Quartier bei Zuzügern aus dem Ausland, vor allem bei Europäern und Asiaten. Sie machen zusammen 60 Prozent der Migrationsbewegung von ausserhalb Basels ins Quartier aus.
Das ist auch der Grund, weshalb unter allen Quartieren mit starker Migration im Matthäusquartier der Ausländeranteil am stärksten gestiegen ist – rechnerisch um 307 Personen oder um 0,4 Prozentpunkte auf 52,6 Prozent. Damit hat das Matthäusquartier den zweithöchsten Ausländeranteil in Basel, mehr hat nur noch das Rosental mit 54,4 Prozent.
Wer schon eine Weile im Matthäusquartier wohnt, zieht allerdings gerne weiter in andere Quartiere. Das gilt besonders für dort ansässige Ausländer. Von denen zogen fast 200 mehr innerhalb Basels weg, als neue ins Quartier zügelten.
Die Bevölkerung im Matthäusquartier ist also innerhalb Basels mobil. Warum, das zeigt die Altersstatistik. Das Quartier ist besonders beliebt bei der Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen. Ein Alter, in dem oft Nachwuchs ein Thema wird und familienfreundliche Strukturen im urbanen Raum gefragt sind.
Frischzellenkur in den Quartieren
Somit sind die Drehscheiben der Stadt durch die Zahlen identifiziert. Obwohl sich das Leben rund um die Zentrumsleistungen vor allem in der Innenstadt abwickelt, bilden Wohn- und Lebensquartiere die Pulsadern der Stadt.
Gerade in den drei Top-Zuwanderungsquartieren Gundeli, St. Johann und Matthäus kommt das frische Blut in die Stadt – oder es wird durch innerstädtische Umzüge umgewälzt. Die TagesWoche wird in mehreren Etappen die drei Quartiere als Drehscheibe der Stadt beleuchten. Denn letztlich bleibt, dass Zuwanderer ihr Quartier prägen – und die Quartiere die Stadt.
_
Wenn Sie die Migrationsströme in Basel selbst nachvollziehen möchten, können Sie das in mehreren interaktiven Grafiken auf der Website des Statistischen Amtes Basel-Stadt tun.