60 Millionen Tonnen Kies, Zement und andere Materialien werden jährlich in der Schweiz verbaut. Gleichzeitig fallen durch Abbruch elf Millionen Tonnen Bauschutt an. Um den knappen Deponieraum zu schonen, will Basel-Stadt nun dem Recyclingbeton bessere Chancen geben.
Weder Altpapier, Klärschlamm noch Glas sind die wichtigste Abfallart, die wir hierzulande entsorgen müssen. Mit 1,5 Tonnen pro Kopf und Jahr schlägt Bauschutt mit Abstand am schwersten zu Buche. Dabei fällt nur ein Fünftel so viel Altmaterial durch Abbruch an, wie neu in Form von Betonplatten, Ziegelsteinen und Gipsplatten verbaut wird: Den 60 Millionen Tonnen Material, mit dem im Bauwerk Schweiz Jahr für Jahr Strassen, Bürohochhäuser oder Wohngebäude erstellt werden, stehen 11 Millionen Tonnen Abbruch gegenüber.
Langfristig wird also deutlich mehr Bauschutt anfallen als heute. An den diesjährigen Energiegesprächen im Wenkenhof in Riehen, die der Verein sun21 organisierte, stand unter anderem die Frage im Zentrum, wie mit diesem enormen Abfallberg nachhaltig umzugehen sei. «Der Verbrauch von Energie und Ressourcen ist eng miteinander verknüpft», begründete sun21-Präsidentin Esther Maag, warum man für die Veranstaltung den Schwerpunkt Kreislaufwirtschaft und Eco-Design gewählt hatte.
Harziges Bauschuttrecycling
Wer an Abfall denkt, sucht heutzutage wie von selbst auch nach Möglichkeiten, diese Stoffe einem zweiten Leben zuzuführen. Zwar hat die Schweiz schon zwei Jahrzehnte Erfahrung mit der Bauschuttsortierung. Doch statt das Granulat aus Beton und Ziegelsteinen in Form von Recyclingbeton neu aufzubereiten, wie das für zahlreiche Anwendungen im Hoch- und Tiefbau möglich ist, landet das Material meistens auf einer Inertstoffdeponie.
Dabei gibt es längst SIA-Normen, welche die Ebenbürtigkeit von Recyclingbaustoff gegenüber Beton mit Neukies gewährleisten. Und Pilotprojekte wie etwa die 2009 erstellte Zürcher Wohnsiedlung Brunnenhof mit 72 Wohneinheiten haben gezeigt, dass selbst der Einsatz von 90 Prozent Recyclingbeton problemlos möglich ist. Das Label Minergie-Eco fordert schon heute, dass mindestens die Hälfte der Gebäudeelemente, die aus Recyclingbeton erstellt werden können, aus diesem Material sein müssen. Und Stadt und Kanton Zürich setzen Recyclingbeton bei eigenen Bauprojekten konsequent ein.
Kanton soll Vorbild übernehmen
Basel-Stadt ist diesbezüglich noch nicht so weit – doch das könnte sich ändern. Martin Lüchinger, Leiter der Abteilung Abfall beim Amt für Umwelt und Energie Basel-Stadt, sagte im Rahmen eines Workshops der Energiegespräche im Wenkenhof: «Wir überlegen, wie wir als Kanton eine Vorreiterfunktion übernehmen können. Bei Bauten der öffentlichen Hand würde dann die Verwendung von Recyclingbeton zur Pflicht.» Allerdings sei nicht auszuschliessen, dass es bei den entsprechenden Ämtern Vorurteile und damit Widerstand gegenüber dem neuen Baustoff gebe.
Argumente für Recyclingbeton hat Lüchinger genug: Die inländischen Vorkommen von Neukies dürften bis in 15 Jahren erschöpft sein; schon heute importiert die Nordwestschweiz in grossem Stil frischen Kies aus dem Elsass und Süddeutschland. Im Gegenzug werden jährlich 300’000 Kubikmeter Aushub aus der Schweiz über die Grenze gekarrt und dort zum Auffüllen von Kiesgruben genutzt.
Vorerst landet Bauschutt allerdings meist noch in inländischen Inertstoffdeponien. Doch in der Nordwestschweiz gehen die Kapazitäten zur Neige. Und gegen neue Inertstoffdeponien gibt es heftigen Widerstand seitens der Standortgemeinden, weil sie Lärm- und Staubimmissionen befürchten.
Noch schwerer als bei der öffentlichen Hand hat es Recyclingbeton bei privaten Bauherren. Weil sich viele Ingenieure und Architekten wenig innovativ zeigen und fantasielose Bauherren die monotonen grauen Wände von Neubeton dem ungewohnt bunten Recyclingbeton vorziehen, dürfte Recyclingbeton weiterhin ein Ladenhüter bleiben.
In Zukunft noch anspruchsvoller
Zwar enthält der aktuelle Abbruch teilweise heikle Stoffe wie Asbest und polychlorierte Biphenyle (PCB), die etwa in Dichtungen vorhandenen sind. Doch «immerhin», wie Lüchinger betonte «muss in Basel-Stadt bei jedem Rückbau nachgewiesen werden, dass nach diesen Stoffen gesucht wurde und sie, falls vorhanden, korrekt entsorgt wurden». Insgesamt ist der aktuell anfallende Bauschutt allerdings relativ simpel zusammengesetzt.
Was hingegen heute gebaut wird, kann in ein paar Jahrzehnten längst nicht mehr so einfach rezykliert werden wie die heutigen Abbruchmaterialien. Das stellte der Zürcher Bauchemiker Ueli Kasser klar: «Die Baustoffe werden komplizierter. In Zukunft gilt es auch, Dichtungsbahnen, Holzzementkomposit und andere Verbundstoffe aufzuarbeiten», sagte er. Wie man dereinst etwa die trendige, meist in Kombination mit einer Wärmepumpe installierte Bodenheizung sinnvoll rezyklieren soll, steht noch in den Sternen. Denn dabei fallen grosse Mengen an Kunststoff-Alu-Schläuchen, Halterungen und Abdichtungen an, die mit Beton verklebt sind.
Beim Bau ans Recycling denken
Dass selbst ein eingespieltes Recycling in Frage gestellt werden kann, zeigt das Beispiel von Dämmplatten aus expandiertem Polystyrol (EPS). Weil in der Vergangenheit das Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCDD), das in der Umwelt nicht abgebaut wird, in EPS eingebaut wurde, ist HBCDD weltweit in Organismen und der Umwelt nachweisbar.
Seit letztem Jahr musste die Industrie international auf ein anderes Flammschutzmittel umstellen, seit September 2015 ist die Inverkehrbringung der HBCDD-EPS verboten. Doch laut einer Studie des Bundesamts für Umwelt von Anfang Jahr lagern im Schweizer Gebäudepark heute 482’000 Tonnen EPS und 188’000 Tonnen extrudierter Polystyrol-Hartschäume (XPS) – die ab 1. März 2016 nicht mehr rezykliert werden dürfen, sondern in der Kehrichtverbrennung entsorgt werden müssen. Der Bauchemiker Ueli Kasser plädierte deshalb dafür, schon heute ans Bauschuttrecycling von übermorgen zu denken.