Der Basler Totentanz während des Zweiten Weltkriegs

Vor 70 Jahren gab Basel eine aufwändige Ballettinszenierung in Auftrag, die den Totentanz und damit das alltägliche Sterben visualisierte. Das Festspiel gehörte zu den bemerkenswerten Kunstproduktionen der Schweiz in diesen dunklen Jahren.

Marguerite Ammanns Lithographie vom Basler Totentanz-Ballett hängt heute noch in Basler Amtsstuben. (Bild: zVg)

Vor 70 Jahren gab Basel eine aufwändige Ballettinszenierung in Auftrag, die den Totentanz und damit das alltägliche Sterben visualisierte. Das Festspiel gehörte zu den bemerkenswerten Kunstproduktionen der Schweiz in diesen dunklen Jahren.

Dass die Tradition und Vorstellung des Totentanzes in Basel lebendiger als anderswo ist, daran wird man bis heute erinnert. Die Wandmalerei der lebensgrossen Tanzpaare, die während des Basler Konzils (1431-48) in Auftrag gegeben wurde, zeigte auf einer Länge von 60 Metern bei der Predigerkirche 37 Figurenpaare, mit jeweils einem Gerippe, dem Tod und einzelnen Menschen vom Papst bis zur Köchin, die der Tod im Tanz holt.

Nur 23 Figurenköpfe und drei Textbruchstücke konnten in der Abrissnacht – im August 1805 – von engagierten Bewohnern gerettet werden und sind heute im Historischen Museum Basel in der Barfüsserkirche als Zeugen einer Zeit von Seuchen, grosser Ausgaben und Not zu sehen. Das ist bekannt.

Eine Zeit der Angst, Ohnmacht und Wut

Kaum bekannt ist aber, dass diese Idee einer Visualisierung des alltäglichen Sterbens in der Grenzstadt Basel zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in neuer Form wieder aufgegriffen wurde. Seit Beginn der Westoffensive der Nationalsozialisten im Mai 1940 herrschte auch in der Schweiz höchste Alarmstufe, die den Alltag der Bevölkerung veränderte. Rund eine halbe Million Wehrmänner und Hilfskräfte wurden aufgeboten, Lebensmittel und Kleidung rationiert. Freiwillige pflanzten Kartoffel und Rüben im Basler Schützenmattpark.

Im Sommer 1940 retteten sich über 40’000 französische und polnische Soldaten in die Schweiz, von 1938 bis 1942 diente das Basler Sommercasino als Bleibe für vorwiegend jüdische Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich. Angst und Ohnmacht waren verbreitete Gefühle, die Autorin Lys Wiedmer-Zingg erinnert sich auch an «Wut. Unbändige Wut.»

Öffentliche Ausschreibung eines Totentanz-Balletts

Zu dieser Zeit schrieb die Kommission des Kunstkredits Basel-Stadt den Wettbewerb zur Gestaltung einer Bühne und der Choreografie zu einem Totentanz-Ballett auf dem Münsterplatz Basel aus. Die Basler Bevölkerung sollte mit einer Aufführung zum Sterben des Menschen in Friedenszeiten auf dem zentralen Kirchplatz des christlichen Mittelalters Alltäglichkeit erleben.

Unter der Leitung der Ausdruckstänzerin und Choreografin Marietta von Meienburg wurde das Ballett im Mai und Juni 1943 gezeigt. Im Jahrbuch der Stadt werden die «von gutem Wetter begleiteten Aufführungen» gelobt, die «Leute aus der ganzen Schweiz nach Basel zogen». Es wurde das Sterben des Kindes, des Mannes und der Frau gezeigt. Das damals beinahe vergessene Tanzmotiv wurde in Bewegung gebracht und musikalisch begleitet.

Das Geschehen in die Zeit des Zweiten Weltkriegs transferiert

Frank Martin, während des Zweiten Weltkrieges Präsident der L’Association Suisse de Musiciens, schrieb die Musik, und Karl Hindelang, Maler der bekannten, antifaschistischen Gruppe 33, entwarf die Kostüme. Yvonne Höfliger-Griesser bezeichnete die Aufführung 1978 als eigentliches 33er-Gesamtkunstwerk. Es handelte sich um ein reines Bewegungs- und Mimenspiel. Einzig die Männer- und Knabenchöre sangen Dichterworte. Das Geschehen des Mittelalters war in die aktuelle Zeit transferiert.

Die Bühnenkonstruktion führte der Maler und Bildhauer Walter Bodmer gemeinsam mit dem Architekten Ernst Egeler durch: Die Staatliche Kunstkreditkommission beschloss, das Totentanz Festspiel mit 1000 Franken – 600 Franken an Bodmer und 400 Franken an Egeler – zu finanzieren. Die Schauseite der Bühne war zur Rittergasse hin ausgerichtet. Die Schauspielerinnen und Schauspieler gelangten durch einen Rundbogen über Treppen nach oben und unten. Je nach Bühnengeschehen wurde eine andere Ebene bespielt.

Das Schweizer Monatsheft von 1943 rezitierte das Stück: Es sei kein Totentanz, der um jeden Preis aufwühlen, der gar die Schrecken des heutigen Massensterbens vor Augen führen will. Es sei ein Totentanz, der Jedem von uns seinen individuellen Tod gibt, der den Tod wohl unerbittlich, unabwendbar zeigt, … «als ein Stück unserer Natur».

Lithographie hängt heute noch in einigen Basler Amtsstuben

Auf der, an die Basler Künstlerin Marguerite Ammann 1946 in Auftrag gegebenen Lithographie «Basler Totentanz», wird eine Szene des Balletts gezeigt. Dahinter ist die Architektur des Platzes zu erkennen: der Andlauer- und Reinacherhof sowie der Schür- und der Rollerhof (heutiger Eingang ins Museum der Kulturen). Die hölzerne Bühne bietet Platz für die Schauspieler, die Tänzerin im Tutu sowie die Musikkapelle. Die erste Reihe ist mit wenigen Zuschauenden besetzt, auf den hinteren Bänken  finden sich kleine Gruppen.

Auf der Treppe links stehen die «Gehilfen aus dem Jenseits», deren Aufgabe es ist, die Seelen in Empfang zu nehmen. Ein alter Mann mit Stock sitzt an einem Tisch. Ein Soldat salutiert. Noch fiedelt der Tod auf dem Platz unterhalb der Bühne. Die Künstlerin hat das Geschehen in eine lyrische Stimmung getaucht und lässt einen lichtumflorten Engel mit einer Seele im Arm über dem Geschehen schweben. Das Blatt wurde 1946 in der Basler Kunsthalle gezeigt und 1999 auf der Lyss. Heute erinnert das «Basler Blatt» aus der «Künstlermappe als Ehrengabe» noch in einigen Ämtern als Leihgabe des Kunstkredits Basel-Stadt an die damaligen Aufführungen.

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