Das Künstlerduo «Copa & Sordes» zerschneidet diesen Monat eine 657 Meter lange Stoffbahn. Mit dieser politisch motivierten Kunstaktion, die sie via Crowdfunding finanzieren, wollen sie «Grenzzäune symbolisch abbauen».
«Copa&Sordes» (Birgit Krueger/Eric Schmutz) interessieren sich für die Schnittstelle von Alltag und Kunst, für jene Bereiche, die sich nicht ganz klar zuordnen lassen. Und für die Verbindung von Kunst und Politik. Bei ihrem aktuellen Projekt «Cut the fence» geht es um eine Schnittstelle im buchstäblichen Sinne – der Zaun um das Ausschaffungsgefängnis Bässlergut wird symbolisch demontiert, indem sie eine Stoffbahn von der selben Länge herstellen lassen und anschliessend in Stücke schneiden.
Die Kritk der Künstler gilt dem ganzen Asylwesens im Schengenraum. Die stille Katastrophe in Lampedusa verstärkt das Anliegen der Künstler, die Leute auf das Thema aufmerksam zu machen und eine kritische Auseinandersetzung zu ermöglichen.
«Es gibt für dieses Thema keine simple Lösung – ausser man vereinfacht das Ganze so stark wie die SVP dies zum Beispiel tut. Es ist aber wichtig, sich auch mit solchen Themen auseinanderzusetzen, bei denen viele lieber wegschauen», sagt Krueger.
Die Begegnung von Asylanten und Nicht-Asylanten
Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit der «bblackboxx», einem Raum für antirassistische Kunst, der sich in direkter Nachbarschaft zum Bässlergut befindet. Seit 2007 ist die «bblackboxx» eine Plattform für eine kritische Auseinandersetzung mit der Asylpolitik, wo auch ein direkter Austausch mit den benachbarten Asylbewerbern stattfindet.
«Cut the fence» thematisiert diese unmittelbare Nähe zum Asylwesen, und die gleichzeitig absurd grosse Distanz zwischen den Lebenswelten. Es geht also auch um das Niederreissen des «Zauns» zwischen Menschen, die von irgendwoher hierher geflüchtet sind, und Menschen, die hier schon länger leben.
Auf den Stoff wird ein Zaunmuster gedruckt
Den Zaun, der die Anstalt umgibt, hat das Künstlerduo von Hand abgemessen. Die Länge beträgt 657 Meter. Nun gilt es, das gleichlange Stück Stoff zu zerschneiden.
Vorerst gibt es die Stoffbahn nur in virtueller Form. Denn bevor sie in Auftrag gegeben wird, muss das für die Herstellung nötige Geld zusammenkommen. Die Produktionskosten betragen 10’000 Franken. Auf der Internetseite wird der Meter für 100 Franken verkauft. Wenn 100 Meter verkauft sind, kann der Stoff also bestellt werden.
Das Design steht bereits fest. Es stellt eine Art verwunschenen Zaun dar, von Rosen umrankt. «Copa & Sordes» malten dafür Aquarellgemälde, die sie digital bearbeiteten und übereinander legten.
«Wir wollten einen symbolischen Zaun erstellen, aber auch ein ästhetisches Produkt, das die Leute haben wollen», begründet Krueger das Design.
Die «Globalisierung» gilt nicht für alle
Das Material, aus dem der Stoff hergestellt werden soll, hat auch einen symbolischen Wert. Aus Afrika-Damast werden traditionelle Gewänder für Männer hergestellt – vor allem in westafrikanischen, muslimischen Ländern, aus denen viele der ausländischen Besucher der «bblackboxx» kommen.
Der Damaststoff ist ausserdem ein Paradebeispiel für die Globalisierung. Vor über 2000 Jahren in China entwickelt, gelangte der Stoff über die Seidenstrasse nach Europa, und von dort aus nach Afrika. Heute wird der Damast für den afrikanischen Markt in Österreich und Deutschland hergestellt. Was haben diese beiden Länder mit afrikanischen Stoffen am Hut? «Das ist ein Beispiel des weitreichenden Kulturtransfers im Zuge der Kolonialisierung – eine Geschichte von Verkettungen und Handelsumwegen», sagt Krueger.
Textilien und andere Waren kursieren heute problemlos zwischen unterschiedlichen Erdregionen. Menschen aus armen Ländern hingegen ist es nicht möglich, sich in unserer globalisierten Welt frei zu bewegen. «Die edle Stoffbahn aus Afrikadamast ist das Band, welches die Flüchtlinge hinter dem Zaun ganz direkt mit dem wirtschaftsliberalen Dogma vom ungehinderten weltweiten Warenverkehr verknüpft», sagt Krueger.
Mit dem Ertrag wird die «bblackboxx» unterstützt
Der Stoff für das Projekt wird von der Textilfirma am Stück geliefert, ein über 100 Kilogramm schwerer Ballen. Wie der Schlussanlass rund um das Zerschneiden und Verteilen des Stoffs aussehen wird, ist noch unklar. Doch bis dahin ist auch noch ein bisschen Zeit. Das Weben des Stoffs kann bis zu zwei Monate dauern.
Falls es einen überschüssigen Ertrag der verkauften Stoffstücke gibt, zahlen sich die Künstler ein kleines Honorar aus, der Rest geht zur Unterstützung an die «bblackboxx».
Die erworbenen Stoffstücke stehen dann den Gönnern und Gönnerinnen des Projekts zu, die sie als Schal, als Wandschmuck, oder auch als Tischdecke verwenden können.
Fest steht: Ganz am Ende der Aktion soll das allerletzte Stück Stoff, das noch übrig ist, in der «bblackboxx» hängen. Und es soll so klein sein wie möglich.