Der Meister der charmant-bissigen Groteske ist tot

Er war der Künstler unter den Karikaturisten oder Satiriker unter den Künstlern der Region: Am vergangenen Samstag ist Christoph Gloor gestorben.

Mit einem Glas Wein und der obligaten Zigarette: Christoph Gloor, wie man ihn als Persönlichkeit kannte und schätzte.

(Bild: Nils Fisch)

Er war der Künstler unter den Karikaturisten oder Satiriker unter den Künstlern der Region: Am vergangenen Samstag ist Christoph Gloor gestorben.

Er brachte seine Wut über die Ungerechtigkeiten und das Ungemach dieser Welt auf Papier. Da ist zum Beispiel diese Skyline des Hafens in seiner Wohngemeinde Birsfelden. Blickfang ist aber der blutrote Streifen, der das Firmament beherrscht. Mit einem grausigen Fischkadaver darin. «Nature morte à Birsfelden 1.11.1986» nannte der Künstler sein Werk.

Es war Christoph Gloors Reaktion auf die Chemiekatastrophe von Schweizerhalle, eben mit dem durch das vergiftete Löschwasser rot eingefärbten Rhein, den toten Fischen und der Erkenntnis, dass wir Menschen nur um Haaresbreite glimpflich davongekommen sind.

Künstler und Karikaturist

Es ist eine der bekanntesten Zeichnungen beziehungsweise eines der bekanntesten Bilder des Karikaturisten und Künstlers aus Birsfelden. Dass hier keine klare Zuordnung auf Zeichnung oder Bild, Künstler oder Karikaturist gemacht werden kann, ist bezeichnend für Christoph Gloor. Er verwendete für seine Karikaturen oftmals Mischtechniken – Zeichnungen mit Tusche, die er aquarellierte. Und er kreierte bildliche Kommentare zu politischen und gesellschaftlichen Themen, die über den Tag hinaus wirkten und somit nicht nur künstlerisch, sondern im eigentlichen Sinne Kunst waren.

Gloors Markenzeichen war die Verfremdung und Überhöhung (oder muss man Erniedrigung sagen?) von figurativen Momenten zur Groteske. In seinen Werken nahmen Menschen tierische Formen an: Der Mensch als Monster mit Schweine-Körpern und Geier-Fratzen. Im Spätwerk ging er zuweilen auch den umgekehrten Weg, stattete er doch unter anderem fette Katzen mit menschlichen Zügen aus.

Es sind böse Blicke auf eine böse, ungerechte Welt. Auf Papier gebracht mit einem scheinbar locker-spritzigen Strich. Es sind aber auch bildliche Wutausbrüche, die letztlich auch etwas Charmantes in sich tragen. Zugegeben, diese Überlappung von Wut und Charme ist in Worten beschrieben nicht so leicht nachvollziehbar. Auf Gloors Werken offenbart sie sich aber.

Schaufenster-Dekorateur

Gloors Karriere als Gestalter begann mit einer Lehre als Schaufenster-Dekorateur bei Globus in Basel. Und sogleich klingelt es in den Ohren: Da war doch noch einer, der so begann. Jawohl. Der grosse Basler (oder Schweizer) Vorzeige-Künstler Jean Tinguely begann ebenfalls als Schaufenster-Dekorateur in diesem Warenhaus.

Und auch sonst hatten Gloor und Tinguely Gemeinsamkeiten: Beide machten sie in der legendären Clique Kuttlebutzer Fasnacht. Beide entwarfen sie Sujets für die anarchische Fasnachts-Truppe. 1988 gestalteten sie gar gemeinsam den «Pleitegeier- und Phönixzug».

Gloor blieb ein regionaler Künstler

Und doch gingen die beiden Künstler höchst unterschiedliche Wege. Tinguely zog es in die Kunststadt Paris, wo er zu einer der Gallionsfiguren des Nouveau Réalisme wurde und schliesslich zum weltweit anerkannten Maschinenplastiker. Gloor blieb in der Region, in Birsfelden, wo er aufgewachsen war.

Über die Grenzen der Region bekannt und anerkannt wurde er als Karikaturist unter anderem für den «Nebelspalter». Eine internationale Karriere als Künstler schien er nicht anzustreben, obschon er das Zeug dazu wahrscheinlich gehabt hätte. Er unternahm früher zwar zahlreiche Reisen, oftmals nach New York, doch er mochte sich nicht wirklich von seinem Zuhause in Birsfelden oder Basel trennen.

Letzte Ausstellung und letzte Tage in Birsfelden

So war es denn auch das Birsfelder Museum, das den Künstler und Karikaturisten im vergangenen Jahr zu seinem 80. Geburtstag mit einer Ausstellung ehrte. Und er fühlte sich so geehrt dadurch, als wenn ihm das Museum of Modern Art in New York eine Retrospektive gewidmet hätte. Er lebte gerne in der Region, er bewegte sich gerne durch seinen grossen Freundeskreis in Basel und Birsfelden. Stets mit einer Zigarette zwischen den Fingern und oft mit einem Glas Wein in der Hand.

Es wurde seine letzte grössere Ausstellung. Am Samstag, 25. März, ist Christoph Gloor gestorben.

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