Der Mieter ist nur Renditeobjekt

Das Immobiliengeschäft ist für Basel-Stadt ein lukratives Geschäft, die Einnahmen sind seit Jahren am wachsen. Das Nachsehen haben oft die Mieter.

«Vergolden» heisst die Strategie der Immobilien Basel-Stadt. (Bild: Lukas Gloor)

Das Immobiliengeschäft ist für Basel-Stadt ein lukratives Geschäft. Das Nachsehen haben oft die Mieter.

Es tönt wie eine Schildbürger­geschichte. Der Fussballverein US Olympia nutzte während zehn Jahren ein Gebäude beim Bahnhof St. Johann in Basel als Clublokal. Kurz nach Weihnachten im letzten Jahr kaufte der Kanton das Gebäude von den SBB, die vorherigen Mieter aber wollte er nicht übernehmen. Der Verein musste raus und sucht seither nach einer neuen Bleibe. Sein ehemaliges Clublokal steht heute, fünf Monate später, immer noch grösstenteils leer. Auf Anfrage sagt der Kanton, er sei auf der Suche nach neuen Nutzern. So weit, so verwirrend.

Diese Geschichte erschien vor einigen Tagen in der Online-Ausgabe der ­TagesWoche. Der Artikel sorgte für erboste Leserkommentare und harsche Kritik an Immobilien Basel-Stadt (IBS). ­Leser berichteten von eigenen Erfahrungen mit der kantonalen Immobilienverwaltung.

«Arroganz im Quadrat»

Von «Arroganz im Quad­rat» schrieb eine Leserin, ein anderer Leser bezeichnete das Vorgehen des Kantons als «willkürlich und verachtend». Solche Kritik ist nicht neu: Seit Jahren sorgt die Dienststelle des Finanzdepartements wiederholt für Ne­gativschlagzeilen.

Brigitte Sahin ist eine jener Leserinnen, die sich auf den Artikel meldeten. Bis vor einem knappen Jahr war sie Mieterin bei Immobilien Basel-Stadt. «Heute», sagt sie, «habe ich eine Eigentumswohnung. Jetzt kann ich offen ­sagen, was ich denke, hier kann mich niemand mehr rauswerfen.»

Sie habe in den vergangenen 20 Jahren verschiedene Immobilienfirmen kennengelernt. Bei keiner aber habe sie sich so schlecht behandelt gefühlt wie bei IBS. «Einige Monate nach meinem Einzug wurde erstmals der Referenzzinssatz gesenkt. Ich musste mehrere Briefe schreiben, bis auch meine Miete angepasst wurde. Insgesamt dauerte es vier Monate.» Die Verwaltung habe ihr erklärt, die nötigen Formulare seien nicht vorhanden gewesen. Einige Monate später wurde die Wohnung von einer aggressiven Ameisenart heimgesucht.

Über die Rendite herrscht beim Kanton Stillschweigen.

Als die Tiere nach ­einer ersten Schädlings­bekämpfung wieder zurückkehrten, wollte die Verwaltung kein zweites Mal für den Kammerjäger aufkommen. Stattdessen sei sie dazu aufgefordert worden, ihre Küche besser zu putzen. «Ich empfand den Umgang von IBS als sehr herablassend», sagt Sahin rückblickend.

Dass sie mit ihrer Kritik nicht alleine dasteht, zeigt eine Nachfrage beim kantonalen Mieterinnen- und Mieterverband. Immobilien Basel-Stadt sei immer wieder ein Thema, erklärt der Leiter der Rechtsberatung, Beat Leuthardt. «Wir führen jährlich rund 9000 Beratungen durch. Kunden von IBS sind dabei überdurchschnittlich oft vertreten.» Gemäss Leuthardt habe sich bei IBS in den vergangenen zehn Jahren nichts zum Besseren entwickelt. Im Gegenteil: «Viele Hausabwarte wurden durch externe Firmen ersetzt.» Zu­dem würden die Bedürf­nisse der Mieter bei Sanierungen oft nicht genügend beachtet.

«Sozialer Aspekt geht vergessen»

Dabei könne man den Angestellten selten einen Vorwurf machen. «Die meisten scheinen sehr bemüht. Das Problem liegt beim Management», sagt Leuthardt und kommt auf seinen Hauptkritikpunkt zu sprechen: «Immobilien Basel-Stadt setzt den Schwerpunkt einseitig auf die Rendite. Der ­soziale Aspekt geht dabei vergessen.»

Ähnlich äussert sich Patrizia Bernasconi, Geschäftsleiterin des Mieterverbandes. «Für IBS sind Immobi­lien ein Renditeobjekt. Den Mieter als Kunden gibt es nicht.»

IBS ist eine Dienststelle des Finanz­departements. Der Hauptauftrag ist in der kantonalen Immobilien­strategie von 2007 unmissverständlich festgehalten: «Immobilien Basel-Stadt bewirtschaftet die Immobilien zur Erzielung einer angemessenen Rendite.»

Diesen Auftrag erfüllte die Dienststelle in den letzten Jahren mit Erfolg. Im vergangenen Jahr steigerte sie ihre Einnahmen von 88 Millionen auf rund 92 Millionen Franken. Der ­Gesamtwert der Immobilien im Finanzvermögen stieg im selben Zeitraum um 90 Mil­lionen Franken auf rund eineinhalb Milliarden. Für die renditebewusste IBS sind diese Kennzahlen ein hervorragender Leistungsausweis.

«Der Gesamtwert der Immobilien hat seit 2007 zugenommen, während die Anzahl der Immobilien etwa gleich geblieben ist», heisst es im Jahresbericht. Die finanziellen Entwicklungen werden etwas schwammig mit «wert-erhaltenden Investitionen», «Umwidmungen» und «operativen Verbesserungen bei Kosten und Er­trägen» begründet.

Aus wirtschaftlicher Sicht sind die Wertsteigerungen und die wachsenden Einnahmen lobenswert, sie werfen aber auch einige Fragen auf: Wie genau ist eine derart grosse Wertsteigerung bei leicht rückgängiger Anzahl Im­mobilien möglich? Was für eine Auswirkung haben die Investitionen auf die Mietpreise? Stimmt es, dass die Bewirtschaftung der Immobilien zunehmend an günstige externe Firmen ausgelagert wird? Und weshalb häufen sich in den vergangenen Jahren die Beschwerden von Mieterseite?

Wichtige Fragen, keine Antworten

Es wären wichtige Fragen gewesen. Die TagesWoche hat sie IBS-­Geschäftsleiter An­dreas Kressler vorgelegt, eine Beantwortung ist bis heute ausstehend.

Im Leitbild von Immobilien Basel-Stadt wird Transparenz als Grundsatz aufgeführt. Dass dieses Versprechen nicht immer eingelöst wird, weiss auch Patrizia Bernasconi vom Mieter­verband: Die Gewinnvorgaben werden für jedes Jahr vom Regierungsrat fest­gelegt.

Diese Vorgaben würde Bernasconi gerne kennen. «Wir sind überzeugt, dass die Zielrenditen nicht mietrechtskonform sind.» Doch auch über diese Zahlen herrscht bei Regierung und IBS Stillschweigen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 17.05.13

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