Der Nischentrampel hat vorläufig ausgepöbelt

Drei Jahre nach dem Aus von Roche & Böhmermann wurde dem TV-Format neuer Atem eingehaucht. Dieser trägt den Namen Olli Schulz und nervt durch Selbstinszenierung. Aber auch sonst scheiterte die ZDF-Sendung vor allem an den eigenen Ansprüchen. Bekommt sie noch eine Chance?

Altes Studio, halbneue Moderation: Schulz und Böhmermann besprechen die nächste Provokation.

(Bild: ZDF / Ben Knabe)

Drei Jahre nach dem Aus von Roche & Böhmermann wurde dem TV-Format neuer Atem eingehaucht. Dieser trägt den Namen Olli Schulz und nervt durch Selbstinszenierung. Aber auch sonst scheiterte die ZDF-Sendung vor allem an den eigenen Ansprüchen. Bekommt sie noch eine Chance?

Manche Dinge entfalten ihre Schönheit erst, wenn man sie mit anderen auf die Waage legt und einen Vergleich vornimmt. Wendet man dieses Prinzip auf die soeben über die Bildschirme der digitalen Endgeräte gerauschte Talk-Show Schulz und Böhmermann an, so lässt sich tatsächlich sagen: Ja, diese Show war unkonventionell, hip, lässig. Alles in allem war sie der Mittelfinger ins Gesicht aller konventionellen Talk-Shows, der sie sein wollte.  

So. Nimmt man das Untersuchungsobjekt wieder runter von der Waage und betrachtet es für sich, so bleibt übrig: Ein zappliges Nischenformat, das mittels subversiver Imitation der «Grossen» lässig die Quotenleiter erklimmen wollte. Und dabei merkte, dass es so einfach nicht geht. Talk-Show bleibt Talk-Show, sie bestimmt ihre Regeln selbst. Einer redet, die andern schweigen. Alles andere nervt.

Was bisher geschah

Vor vier Jahren hoben die designierte Skandalautorin Charlotte Roche und der damals aufstrebende Moderator Jan Böhmermann ein pfiffiges Format aus den Angeln – um nach zwei Staffeln an Meinungsverschiedenheiten zu scheitern.

Lesen Sie hier unser Porträt über den it-Boy der deutschen TV-Szene, Jan Böhmermann:

«Ich bin sehr oft rausgeschmissen worten.»

Zurück blieben lauter tolle Ideen: Ein Studio, dem die Kritiken hartnäckig Parallelen zum Sitzungszimmer aus Kubricks Dr. Strangelove nachsagten (Kult!). Regeln, die keine waren (Whisky und Zigaretten). Eine Gästekombination, die bereits einen sneak-peak auf die Dschungelcamp-Familie 2018 erlaubte (Sido und andere beste Rapper Deutschlands) und nicht zuletzt: Zwei Moderierende, deren Konversationsmaximen aus Provokation bestanden und die ihrem Publikum dadurch herrlich perplexe Minen bescherten.

Max Herre war einst so beleidigt über Roches Kritik, dass er aufstand und ging. «Ich find das Konzept scheisse», sagte er. Und wollte dabei nicht zugeben, dass er das Gekrittel an seinen Songtexten nicht ertragen hatte.

Perlen vor die Säue

Die Show scheiterte dann aber nicht an Herre, sondern an inneren Differenzen der Moderation. Roche und Böhmermann mussten erklären, warum es vorbei war, der Boulevard spekulierte über die Trennungsgründe, kurz: Die Perlen der Unterhaltungskultur kullerten buchstäblich vor die Säue. Und das ZDF biss sich in den Allerwertesten.

Bis im Januar 2016 plötzlich das Licht wieder anging. Neuer Name, altes Setting. Böhmermann war noch da. Aber anstelle von Charlotte Roche sass nun Olli Schulz am zweiten Mikro, der mit Böhmermann bereits seit Jahren mit Erfolg die Radiosendung «Sanft und Sorgfältig» moderiert. Der Übergang vom Radio- ins Fernsehstudio begann vielversprechend, Schulz wirke wie ein Brandbeschleuniger auf Böhmermann, schrieb ein Kritiker voll Wonne.

Dabei war jedoch gerade das Gegenteil der Fall: Sobald ein Gespräch interessant zu werden drohte, war Schulz zur Stelle und intervenierte. Der Mann ist die Löschdecke unter den Gesprächspartnern.

Tatsächlich krankt die Sendung seit ihrer Wiederaufnahme an ihrem unübersehbaren Anspruch, unkonventionell, hip und lässig zu sein. Es wird geraucht und getrunken, gedisst und gelacht. Aber reichten Gesten und die Umkehr alles Üblichen aus, um eine gute Sendung zu machen? Das Setting in S&B war dermassen cool, dass es von den Moderatoren regelmässig in den Vordergrund gezerrt werden musste. «Können Sie mir kurz das Amuse-Bouche geben», bittet Böhmermann den Stellvertretenden Chefredaktor der «Bild Zeitung», Nikolaus Blome, kurz bevor der vielleicht doch noch zu Ende erzählt hätte, weshalb er in der ersten Sendung nicht mit dem von seiner Zeitung gestürzten Wetterprofi Jürg Kachelmann am Tisch sitzen wollte. 

Nichts zu machen: Formatskrankheit

Als erfrischend «kurzen Geduldsfaden» der Autoren wurde diese Strategie der konsequenten Unterbrechung geadelt, mit weniger Goodwill könnte man das auch als Angst vor dem wirklich Unvorhersehbaren bezeichnen. Vor allem Schulz reisst das Gespräch mit zotigen Sprüchen an sich, bevor jemand ausgeredet hat, geschweige denn eine offene Diskussion entsteht. In diesem Punkt ist der neue der alten Moderatorin übrigens gleich. Beide inszenieren sich mit dem Thema Sex als lockere Typen ohne Hemmschwelle, beide entlarven sich dabei als verklemmte Typen mit hoher Hemmschwelle. 

Aber die Moderatoren müssen nicht alle Schwächen auf ihre Kappe nehmen, einige sind einfach dem Format geschuldet. Es gibt immer, immer jemanden, der kaum zu Wort kommt. Die Person sitzt in dieser Sendung meistens auf den Aussenplätzen und tut dem Publikum leid, weil sie so langweilig ist und nichts gefragt wird. Und wenn sie, wie in der zweiten Sendung Anne-Marlene Henning, doch mal etwas gefragt wird, dann nur, wie das denn jetzt genau funktioniere mit dem trockenen Orgasmus.

Man kann diese Schwäche aber auch zur Stärke umpolen und sagen: Wer sich nicht einbringt, bleibt draussen. Talk or die, so einfach ist das. Wer es, wie der seit seinem Unfall bei «Wetten, dass…» gelähmte Samuel Koch schafft, die Moderatoren auszuknocken, erhält Szenenapplaus. Wer das nicht schafft, wird vorgeführt. Eine Ansage an alle gepauchpinselten Talk-Show-Gäste Deutschlands.

Nach vier Folgen ist der Relaunch von S&B schon wieder vorbei, das ZDF will wohl erst die (wenig berauschenden) Quoten auswerten und dann über eine Weiterführung entscheiden. Wir legen derweil die Sendung wieder auf die TV-Waage zurück und stellen fest: Es wäre gut, wenn dieser Nischentrampel weiter herumpöbeln dürfte. Denn er ist noch immer besser, als der aalglatte Rest der Truppe.

Freunde der zynischen Unterhaltungskultur kommen übrigens weiterhin auf ihre Kosten. Das Neo Magazin Royale (moderiert von Jan Böhmermann) ist soeben fulminant aus der Winterpause erwacht.

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Wie hat Ihnen der Relaunch von Schulz und Böhmermann gefallen? Farbklecks in der TV-Wüste oder gebührenbezahlter Kindergarten? Teilen Sie es uns in den Kommentaren mit.

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