Der Roche-Turm war nötig für die Entwicklung der Stadt Basel. Er steht für ein positives Zeichen des Pharmaunternehmens, für ein Bekenntnis zur Stadt. Das ist schön. Der Turm aber ist es nicht.
Der Roche-Turm polarisiert. Jetzt, wo er dasteht. Jetzt, wo ersichtlich wird, dass er nicht mit dem Himmel verschmelzen wird, wie uns die geschickte Visualisierung der Architekten Herzog & De Meuron (HdM) vorgaukelte. Wo früher kaum ein kritisches Wort dagegen zu hören war, werden nun Zweifel laut. Zweifel, man habe den Anblick der Stadt nachhaltig verschandelt.
Tatsächlich ist kein anderer Bau in Basel derart markant. Nicht das Münster, das wohlgemerkt auf einer Anhöhe steht. Und auch der Novartis Campus – vielen ein Dorn im Auge – verschwindet angesichts dieser Höhen-Präsenz.
In der Stammtisch-Diskussion um den Roche-Turm geht es nicht mehr um die reine Architektur. Keinen interessiert es, ob der Turm aussen schön ist oder wie er innen aussieht. Es geht um das Stadtbild, es geht um Städtebau, um Stadtentwicklung. Um ein Steckenpferd der Architekten HdM. Und damit um ein thematisches Feld, in dem diese bereits bewiesen haben, dass es auch anders geht, besser – zum Beispiel auf dem Dreispitz oder dem Novartis Campus.
Warum also dieser Turm?
Herzog & De Meuron, so hörte man schon, seien die neuen Stadtbauer Basels. Alle wichtigen Punkte haben sie mit ihren Bauten markiert. Sei es der Wohn- und Büroturm beim St. Jakob-Stadion, sei es der Dreispitz, der grosse und ebenso umstrittene Messebau, das Gebäude am Rhein auf dem Novartis Campus oder das geplante Meret Oppenheim-Hochhaus beim Bahnhof SBB. Und nun der Roche-Turm.
Für einmal greift es zu kurz, Herzog & De Meuron Arroganz vorzuwerfen.
Egal, von wo man nach Basel einfährt, wird man mit ihren Bauten konfrontiert. In diesem Zusammenhang fiel auch schon der Vergleich mit Stadttoren. Ein Vergleich, der hinkt, waren Stadttore doch ursprünglich nicht dafür gedacht, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, sondern schlicht Löcher im Schutzwall, den man um Städte zog. Hübsch verzierte Löcher oft, ja. Aber grundsätzlich funktionale Gebilde.
Natürlich hat auch der Roche-Turm eine Funktion. Er muss zigtausende Arbeiter in sich aufnehmen. Arbeiter einer Firma, die die Stadt braucht. Auf einem Areal, das begrenzt ist. Die Höhe dieses Turms (und jener, die ihm noch zur Seite gestellt werden) ist im Grunde der Kleinheit der Fläche, über die die Stadt Basel verfügen kann, geschuldet: Was nicht in die Breite wachsen kann, muss in die Höhe wachsen. Das leuchtet ein.
Für einmal greift es deshalb zu kurz, Herzog & De Meuron Arroganz vorzuwerfen, wie ihre liebsten Kritiker das gerne tun. Sie haben hier nicht ein Zeichen gesetzt. Obwohl der Roche-Turm ein Zeichen ist. Doch dieses Zeichen steht für etwas anderes als für den Grössenwahn eines Architekturbüros.
Der Roche-Turm ist auch ein Zeichen von Resignation. Vom Wissen, dass es anders nicht geht.
Der Roche-Turm ist heute bereits ein Mahnmal. Ein Mahnmal dafür, dass Basel nicht weiter wachsen kann. Dass man die Industrie und ihre nötigen Bauten nicht an die Peripherie schicken kann, ohne sie aus dem Kanton zu weisen und damit auf dringend nötige Steuergelder zu verzichten. Der Roche-Turm ist deshalb aber auch ein Mahnmal dafür, wie abhängig die Stadt von der Pharmabranche ist. Es wäre gar nicht möglich gewesen, nein, es wäre sogar sehr dumm und kurzsichtig gewesen, diesen Bau nicht zu erlauben.
Die Höhe des Turmes ist somit auch ein Zeichen von Resignation. Vom Wissen, dass es anders nicht geht. Wahrscheinlich wurde auch darum nie ein Referendum dagegen ergriffen.
Dieses Wissen mischt sich heute aber leider auch mit einer bitteren Erkenntnis: Schön ist anders. Aus Liebe zum Stadtbild hätte man gerne auf diesen Turm verzichtet. Denn Basel braucht keine Skyline, Basel hatte bereits eine. Zwar keine, die aus Hochhäusern besteht. Aber eine, die man sich gerne ansah.