«Mir sind halt es bitz usländerfindlich», sagt die Bäuerin und strahlt übers ganze Gesicht, als hätte sie grad vom guten Zeugnis ihres Jüngsten erzählt. Vor zwei Jahren musste die Stelle des Pfarrers neu besetzt werden. Das war nicht leicht. Jetzt liest in Muotathal eben ein Pole die Messe. Er predigt vor einer Gemeinde, die zu 51 Prozent SVP wählt und in Sachen Ländlermusik («konzertanter Innerschweizerstil») den Ton angibt.
Unsere Gastfamilie – fünf Kinder, zehn Hühner, zwei Dutzend Kaninchen – würde bei jeder SRF-Doku eine gute Figur machen. Der Empfang ist herzlich, das Buurezmorge opulent, und am Tisch ist man sich einig, dass der Miroslaw eigentlich einen guten Job macht. «Nur manche Wörter spricht er komisch aus», grinst der Älteste und beisst herzhaft in sein Muotitaler Käsebrot.
Muotathal, zwischen Schwyz und Glarus gelegen, ist flächenmässig eine der grössten Gemeinden der Schweiz. Und ihr Tor zur Unterwelt. Nicht wegen des legendären «Mountains of Death»-Open-Airs, das seit 2011– Gott sei’s gedankt! – wieder Geschichte ist. Sondern weil das Hölloch, mit über 200 Kilometern das zweitlängste Höhlensystem der Welt, hier seinen Schlund auftut. Dumm nur, dass die meisten Gänge von oben nach unten verlaufen. Besuche sind trotzdem möglich: Das Angebot geht von der Kurzführung bis zum mehrtägigen Biwak.
Fjord, Urwald und Holperpiste
Auch wir sind von oben herab gekommen, per Velo mit leichtem Gepäck über den Pragelpass (1548 m ü. M.), einen der schönsten Alpenpässe der Schweiz. Ab Glarus gehts teils stotzig hoch zum Klöntalersee, wo man für die Strapazen gleich doppelt belohnt wird: Zum einen mit einem erfrischenden Bad im glasklaren Wasser des Bergsees, der sich wie ein Fjord durchs lange Tal zieht. Zum anderen mit einer Naturkulisse, die einem Kalenderblatt aus Kanada entsprungen sein könnte. Auf dem Seegrund soll übrigens ein Schatz verborgen sein: Auf der Flucht vor den Franzosen habe der russische General Suworow hier 1799 seine Kriegskasse versenkt.
Ein Geheimtipp ist der See längst nicht mehr – es gibt Restaurants und zwei Campingplätze, an schönen Tagen ist der Parkplatz rammelvoll. Wer von hier aus den zweiten Teil des Aufstiegs unter die Räder nimmt (auch Wanderwege gibt es zuhauf), ist aber plötzlich allein: Der Pass ist am Wochenende für den motorisierten Verkehr gesperrt. Und immer grandioser wird die Bergkulisse, während der Puls nach oben geht.
Die Passhöhe erreichen wir nach eineinhalb Stunden: Auf dem Hochplateau, umrahmt von kantigen Kalksteingipfeln, durchbricht nur das Bimmeln der Kuhglocken die Stille. Ein Segen, dass die Strasse nie richtig ausgebaut wurde! Dafür birgt die Abfahrt durch den Bödmerenwald, einen der letzten Urwälder der Schweiz, denn auch einige Tücken: Die steile, holprige Piste ist auf dem Rennrad kein Genuss, unten im Tal lösen sich die Finger nur langsam von den Bremsgriffen. Hinauffahren möchte man von dieser Seite nicht…
Die Gastfreundschaft der Muotathaler im Herzen, geht es am nächsten Tag entlang der Muota meist leicht bergab, über die Suworow-Brücke und bis nach Schwyz. Von da gelangt man entlang des Lauerzer- und des Zugersees gemütlich bis Zug. «Der Herbst wird schön mit Bodennebel; Schnee wird noch keiner geliefert», weissagen die Muotathaler Wetterschmöcker. Also ab aufs Rad!
- Einkehren: Der Landgasthof Adler in Ried-Muotathal vermietet auch Zimmer und ist trotz 16 Gault-Millau-Punkten bodenständig-familiär. Reservation erwünscht. So und Mo Ruhetag.
- Erkunden: Das Hölloch. Führungen nur nach Anmeldung.
- Eintauchen: 22. Muotitaler Alpchäsmärcht, 28./29.Oktober 2017.
- Erholen: Alpwirtschaft auf dem Pragelpass. Hotel Alpenblick, Muotathal.
Bed and Breakfast in Ried-Muotathal: Bett und Zmorgä, BnBetschart.