Der Siebesiech vom Werkhof

Pan Stoll ist ein Tausendsassa wie aus dem Bilderbuch: Er koordiniert Zwischennutzungen, repariert Fahrräder, baut Tauschkästen und beschwichtigt aufgebrachte Rentner. Ein Besuch auf dem Werkhof im Gundeli, der an den Baslern Umwelttagen die Türen für alle öffnet.

Holunderblütensirup kann er auch: Pan Stoll. (Bild: Basile Bornand)

Pan Stoll ist ein Tausendsassa wie aus dem Bilderbuch: Er koordiniert Zwischennutzungen, repariert Fahrräder, baut Tauschkästen und beschwichtigt aufgebrachte Rentner. Ein Besuch auf dem Werkhof im Gundeli, der an den Baslern Umwelttagen die Türen für alle öffnet.

«Soll ich fürs Foto aufs Dach rauf?» Pan Stolls Augen blitzen. Er wolle eh noch Holunderblütensirup machen, da passe das ganz gut. Er zeigt auf den Holunder, dessen blütenreiche Äste über einer der Werkstätten in der Zwischennutzung «Euer Werkhof» hängen. Der Fotograf ist noch nicht da, also wird erst einmal Kaffee gekocht. «Komm mit!» Stoll läuft in den kleinen Aufenthaltsraum und setzt Kaffee auf. 

«Der grosse Kaffeekocher ist leider noch nicht in Betrieb», erklärt er und zeigt auf eine riesige Industrie-Kaffeemaschine neben dem Herd. Jemand aus dem Hyperwerk habe sie befristet dem Werkhof vermacht, allerdings müsse vorher noch ein befreundeter Sanitär kommen, um sie anzuschliessen. «Der kommt später noch vorbei», meint Stoll und läuft bereits wieder nach draussen, um mir den Gemeinschaftsgarten zu zeigen. Keine fünf Minuten mit Pan Stoll, und schon ist klar: Bei diesem Mann läuft immer was.

Einfach anpacken

Pan Stoll ist Projektmitarbeiter bei der denkstatt sàrl und einer jener Menschen, die man in Basel immer wieder an den verschiedensten Orten antrifft. Ob in der Markthalle, wo er mit Bekannten kürzlich den Velomarkt veranstaltete, im 1. Stock, einem Lokal auf dem Walzwerkareal in Münchenstein, wo er donnerstags und freitags hinter der Bar steht, bei der kürzlich gegründeten Reparaturinitiative rep-statt, und immer wieder im Gundeli, wo er in der denkstatt sàrl an nachhaltigen Raumkonzepten feilt. 

Als Tausendsassa würde sich der 26-Jährige trotz dieser Dichte an Projekten nicht bezeichnen. «Ich mache halt, was ich kann, und mache das Beste daraus.» Genau so ging der damalige Geografie- und Soziologie-Student auch seine erste Aufgabe während seines Praktikums bei der denkstatt sàrl vor gut einem Jahr an: Er sollte einen «Bring & Nimm-Schrank», einen mobilen Tauschkasten konzipieren. Und wie stellte er das an, so ganz ohne Anweisung? Stoll lacht. «Ich hab einfach mal gemacht.» Er ging in die Markthalle, sammelte sich ein paar Werkzeuge zusammen, trieb einen Spind aus der ehemaligen Markthalle in Bern auf und machte sich an die Arbeit.

Austausch dank analogem Wikipedia

Diese Anpack-Einstellung ist auch hier zu spüren. Der ehemalige Werkhof der Stadtreinigung ist stets geöffnet, tagsüber ist fast immer jemand hier zum Kochen, Zusammenschrauben, Pflanzen oder Installieren. Stoll und seine Kolleginnen dienen als Koordinationsstelle mit Sinn fürs Gemeinschaftliche – sie vermieten keine Räumlichkeiten, sondern ermöglichen einen öffentlichen Raum, der wie ein analoges Wikipedia funktioniert: Man kommt vorbei und teilt sein Wissen mit anderen. Sei das in der sich noch im Gründungsprozess befindenden Gemeinschaftswerkstatt «Macherschaft», bei den öffentlichen Kompostkästen, die von einer Schulklasse vom Brunnmattschulhaus nebenan angelegt wurden, oder bei den kleinen Gärten in Kisten, einem Matura-Projekt, welches das Quartier mit Kräutern und Gemüse versorgt. 

Wer eigene Ideen hat, ist herzlich willkommen, jeden Mittwoch und Freitag gibt es einen Mittagstisch, wo man Anstehendes diskutieren kann. Momentan ist eine Dunkelkammer mit angrenzender Kaffeestube in Planung. 

Nachbarn mit einbinden

Natürlich läuft bei einer Räumlichkeit, in der vieles so offen ist, nicht immer alles rund: Reklamationen von Anwohnern, wenn an einem Feiertag auf dem Werkhof rumort wird, gehören beispielsweise auch dazu. «In solchen Situationen suchen wir das Gespräch und versuchen, die Menschen mit einzubinden», meint Stoll gelassen und dreht sich eine Zigarette. Man kann ihn sich gut vorstellen, wie er sich in aller Ruhe mit aufgebrachten Rentnern trifft und ihnen die Situation erklärt, um gemeinsam eine Lösung zu finden.

Beschwichtigen, koordinieren, planen und umsetzen – im Moment stehen bei Stoll um die zehn Projekte an. Über den Kopf zu wachsen scheint diese Flut an Vorhaben dem umtriebigen Münchensteiner aber nicht. Ganz im Gegenteil: Die überfordernde Schnelllebigkeit, die unsere Zeit nur zu gut kennt, scheint hier ausser Kraft gesetzt. Ständig kommen neue Menschen, es wird gewerkelt, Kaffee getrunken und mit dem schwarzen Werkhofkater geschmust. Und mittendrin Pan Stoll, der Siebesiech, der sich – während andere aus ihren Büros in den Feierabend hetzen – Zeit nimmt, uns herumführt und die Leute grüsst, die hier ein- und ausgehen. Und am Ende des Gesprächs dann tatsächlich in die Holunderblüten entschwindet.


Tag der offenen Werkhof-Tür an den Basler Umwelttagen: Am Samstag, 6. Juni, steht der Werkhof allen Interessierten offen. Geplant sind eine Einführung in Sachen nachhaltiger Ernährung, offener Grill, ein Kompostier-Workshop, das Austüfteln eines Bewässerungssystems für den Dachgarten und eine Oloid-Rollaktion vom Werkhof zur Paul Schatz Stiftung. Von 9.30 bis 17 Uhr, Gundeldingerstrasse 286.

Umwelttage Basel: Unter dem Motto «Vorbilder für die Welt von morgen», an mehr als 20 Schauplätzen in Basel, 4. bis 7. Juni 2015.

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