Basel-Stadt fehlen rund hundert Millionen Franken Steuergelder und niemand weiss, wo das Geld geblieben ist. Ein möglicher Grund ist die letzte Steuerreform.
Es ist keine angenehme Situation für Peter Schwendener, Leiter der Basler Finanzverwaltung. Im vergangenen Jahr flossen 109 Millionen Franken weniger Einkommenssteuern in die Kassen des Kantons als noch im Jahr zuvor. Gerechnet hatte Basel-Stadt mit knapp 1,34 Milliarden Franken, am Ende waren es nur 1,22 Milliarden. Kaum jemand hat den Rückgang erwartet, niemand hat ihn budgetiert und – für die Finanzverwaltung am unangenehmsten: keiner kann mit Sicherheit sagen, wo das Geld geblieben ist.
Eine mögliche Erklärung bietet die Unternehmenssteuerreform ll. Die damit einhergehende Teilbesteuerung von Dividenden und das ebenfalls 2011 eingeführte Kapitaleinlegerprinzip schürten bereits vor der Reform Ängste vor Steuerausfällen. «Daneben vermuten wir, dass Selbständigerwerbende mit Einzelfirmen vermehrt Kapitalgesellschaften gründen und sich neu Dividenden auszahlen», sagt Finanzverwalter Peter Schwendener. Tatsächlich hat die Zahl der Selbständigerwerbenden in Basel-Stadt leicht abgenommen, das könnte den Steuerausfall verstärkt haben.
Anderen Kantonen geht es besser
Basel-Stadt ist nicht der einzige Kanton, der für das vergangene Jahr Steuerverluste verbuchte. Anteilmässig musste jedoch kaum ein anderer Kanton einen derart grossen Verlust hinnehmen. Schweizweit beobachtet die Konferenz der Kantonalen Finanzdirektoren (FDK) für das vergangene Jahr eine uneinheitliche Entwicklung, von einem allgemeinen Steuerrückgang will man dort nicht sprechen. «Wir können nicht mit Sicherheit sagen, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Unternehmenssteuerreform ll und den geringer als budgetierten Steuereinnahmen einzelner Kantone», sagt Peter Mischler, stellvertretender Sekretär der FDK.
Als einen möglichen Grund für die kantonal unterschiedlichen Entwicklungen nennt BS-Finanzverwalter Schwendener die unterschiedlichen Rechnungslegungsmethoden. Ein weiterer Grund für die Unterschiede könnten die laufenden Steuersenkungen für natürliche Personen sein. Doch absolute Gewissheit über die Gründe gibt es keine. «Eine gewisse Unsicherheit bleibt bestehen», sagt Schwendener. Es dauere möglicherweise noch ein weiteres Jahr, bis die detaillierten Gründe benannt werden können.
Das Ausgabenwachstum bremsen
Offen bleibt auch, weshalb der Kanton die Ausfälle trotz der Unternehmenssteuerreform nicht kommen sah. «Die Unsicherheit war gross, wie sich die Reform auswirken wird», sagt Schwendener, «wir haben das anders eingeschätzt». Falsch eingeschätzt hat die Verwaltung auch das Jahr 2014, die Einkommenssteuern dürften auch dann wieder deutlich tiefer ausfallen als budgetiert. Im Jahr darauf sollte es dann wieder eine Annäherung geben, hofft Schwendener.
Wie sich die Steuereinnahmen weiterentwickeln, will er nicht voraussagen. Wegen dem Rückgang müsse in den kommenden Jahren das Ausgabenwachstum reduziert werden. Finanzdirektorin Eva Herzog kündigte bereits Ende März an, die Investitionen stärker zu staffeln.
Insgesamt fiel die Rechnung 2013 trotz Steuerausfällen besser aus als erwartet. Insgesamt erzielte der Kanton im 2013 einen Überschuss von 85,4 Millionen Franken, das sind rund 100 Millionen weniger als im Vorjahr. Budgetiert war lediglich ein Plus von 6,8 Millionen Franken.
Unternehmenssteuerreform ll kurz erklärt
Die Unternehmenssteuerreform trat Anfang 2011 gänzlich in Kraft. Sie beinhaltet unter anderem zwei zentrale Änderungen.
Besteuerung von Dividenden: Bis zum Inkrafttreten der Reform wurden Dividenden einmal als Gewinn von den Unternehmen und ein zweites Mal bei der Ausschüttung als Einkommen von den Anteilseignern voll versteuert. Neu werden die an eine natürliche Person ausgeschütteten Dividenden nicht mehr voll besteuert, wenn diese Person zu mindestens 10 Prozent am Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft beteiligt ist. Als Folge steigt für Selbständigerwerbende der Anreiz einer Unternehmensgründung.
Kapitaleinlageprinzip: Zu Gunsten natürlicher Personen wirkt sich das neu eingeführte Kapitaleinlageprinzip (KEP) aus. Seit 1. Januar 2011 sind Ausschüttungen von Kapitaleinlagen an die Anteilseigner von der Einkommens- und Verrechnungssteuer befreit. Die neuen Bestimmungen gelten für Kapitaleinlagen, die nach dem 1. Januar 1997 vorgenommen wurden.
Quelle: Eidgenössisches Finanzdepartement