Der Tod kommt auf sehr leisen Sohlen im Bühnenprojekt «Drop Dead, Gorgeous» des Frauentrios Betrice Fleischlin, Anja Meser und Marlen Oberholzer im Rossstall der Kaserne Basel. So leise, dass er beinahe unbemerkt an einem vorübergleitet.
Der Tod ist nach wie vor eines der grossen Tabuthemen unserer Gesellschaft. Und doch ist er allgegenwärtig, wie die von Mats Staub initiierte Plakatausstellung im Foyer-Rossstall der Kaserne Basel zeigt. Dort sind aus Anlass des 30. Geburtstag von ACT, des Berufsverbands der freien Theaterschaffenden der Schweiz, Aussagen von Zeitgenossinnen und Zeitgenossen zu den «Zehn wichtigsten Ereignissen meines Lebens» zu lesen. Und auf vielen der Plakate gehören Todesfälle aus Familie und Bekannteskreis eben zu diesen «wichtigsten Ereignissen». So war es durchaus treffend, dass dem – absolut unaufgeregt und mit sehr viel Zurückhaltung begangenen – Jubiläumsanlass des Verbandes ein Theaterprojekt folgte, das eben dieses Thema behandelte. So unaufgeregt und zurückhaltend wie der Jubiläumsakt.
«Drop Dead, Gorgeous» nennt sich der Abend der Autorin und Performerin Beatrice Fleischlin, der Tänzerin Anja Meser und Sängerin/Schauspielerin Marlen Oberholzer (und einem Bläsertrio, das einen einnehmenden Schlusspunkt setzt). Ohne Komma und mit Bindestrich geschrieben kann man «drop-dead gorgeous» mit «gnadenlos schön» oder «todschick» übersetzen, mit dem Komma wird in etwa «Fall tot um, Schönheit» daraus. Damit ist gleich mit dem Titel gesagt, dass das Sterben an diesem Abend nicht als trübsinnige Kost serviert wird, dass es nicht um eine esoterische Abhandlung um den Übergang aus dem Dies- ins Jenseits geht, sondern …
Ironische Etüde über das Sterben
… sondern um was denn nun? Um eine stille, ironische Etüde über das Sterben. Irgendwie. Das Ganze beginnt mit dem Auftritt von Marlen Oberholzer als Marlen Oberholzer, die das Publikum – die Premiere nach dem Jubiläumsakt des ACT war so etwas wie ein Privatanlass der Gemeinde organisierter freier Theaterschaffender – eben zum Abend mit dem Titel «Drop Dead, Gorgeous» begrüsst. Und damit auch gleich klarstellt, dass kein Theaterabend mit Bühnenfiguren und einer dramatischen Handlung zu erwarten ist. Oberholzer sinniert nun darüber nach, was sie denn gerne noch erledigen würde, bevor sie nicht mehr sein werde: Aufs Jungfrau Joch gehen zum Beispiel oder die Steuern einmal pünktlich bezahlen. Oder aber die eigene Beerdigung planen, was für sie als Sängerin, die oft an Beerdigungen auftrete, reizvoll wäre. Mit dem Lied «Amazing Grace» natürlich, dem absoluten «Knaller» an Beerdigungen (und mit dem Oberholzer auch ihre kraftvolle Stimme demonstrieren kann). Oder mit «Candle in the Wind», was ebenfalls sehr beliebt sei.
Und so geht es weiter an diesem Abend. Auf Marlen Oberholzer folgt der Auftritt von Anja Meser als sie selbst. Sie erzählt, dass sie bereits ein halbes Dutzend mal in ihrem Leben gestorben sei: mit sechs Jahren nach einer schiefgelaufenen Mandeloperation, mit sieben nach einem Fall vom Klettergerüst, mit 14 beim S-Bahn-Surfen, mit 19 nach einem Schnitt in die Hand etc. Als Dritte im Bunde gesellt sich schliesslich Beatrice Fleischlin dazu, die sich darüber beklagt, dass der irgendmal und irgendwo lauernde Tod sie in ihrer Lebenssouveränität einschränke, bis sie dann den ersten musikalischen Auftritt des Trios als Musikband ankündigt, die auf Instrumenten spiele, die sie nicht beherrschten, wie betont wird.
Privater Plauderton
So plätschert der Abend munter vor sich hin, garniert mit Tanzeinlagen im Zeitlupentempo und mit einer zirzensischen Kostümwechsel-Nummer – stets mit viel Selbstironie gebrochen. Das ist zeitweise vergnüglich, die Texte sind pointenreich, das Publikum hat etwas zu lachen. Oder vielleicht eher zu kichern. Nur einmal bleibt das Lachen denn doch im Halse stecken, wenn Anja Meser erzählt, dass ihr geliebter Stiefvater während den Proben zu dieser Produktion gestorben sei. Für einen kurzen Moment bekommt der private Plauderton dadurch etwas Bedrückendes und Verunsicherndes. Doch sogleich folgt wiederum der ironische Bruch, wenn die drei Frauen zur Beerdigungsprozession losschreiten, mit einer grossen Pellati-Büchse als Urne.
Die Leichtfüssigkeit, mit der Fleischlin, Meser und Oberholzer mit dem Thema Tod umgehen, hat etwas für sich, erweist sich im Verlauf der fünf Viertelstunden aber zunehmend auch als Makel. Denn der Überraschungseffekt, dass hier so leger mit einem an sich bedrückenden Thema umgegangen wird, ist rasch einmal dahingeschwunden. Und ausser diesem oben beschriebenen kurzen Moment der Irritation hat der Abend letztlich keine wirklichen Überraschungen zu bieten. Der Humor bleibt auf dem Niveau des Munteren, keineswegs plump zwar, aber ohne jemals einen tieferen Stachel zu setzen. Und das ist unter dem Strich nun doch etwas wenig für einen Theater- oder Performanceabend, der sich um das grosse Thema Tod und Sterben dreht.
Mehr Subventionen für die Kaserne Basel
Übrigens: Im Rahmen des ACT-Jubiläumsanlasses vor der Vorstellung konnte der Leiter der Abteilung Kultur Basel-Stadt, Philippe Bischof, von einem erfreulichen Akt der Überlebenshilfe berichten. Denn kurz vor dem Anlass hatte der Grosse Rat den Subventionsvertrag mit der Kaserne Basel nicht nur verlängert, sondern die Gelder zusätzlich um 75’000 Franken pro Jahr erhöht.
Kaserne Basel
Drop Dead, Gorgeous!
Ein Projekt von fleischlin/meser/oberholzer; Dramaturgie: Andy Tobler, Kostüme: Luzia Fleischlin, Licht: Marie Zahir, Komposition: Stefan Haas. Mit: Beatrice Fleischlin, Anja Meser, Marlen Oberholzer.
Weitere Vorstellungen: 10., 11., 13., 14. Januar, Rossstall Kaserne Basel