Der Erwachsenenbildner Marco Bortolussi lebt bestens ohne Handy und Internet – es behagt ihm nicht, wenn Maschinen die Kontrolle über Menschen haben.
Wer die modernen Kommunikationstechnologien nicht nur bejubelt, sondern hin und wieder auch mal flucht über die dadurch möglich gewordene «ständige Erreichbarkeit», kann ein bisschen neidisch werden auf Marco Bortolussi. Der 53-jährige Erwachsenenbildner verweigert sich standhaft dem Handy, und den Computer benutzt er ausschliesslich beruflich. Und Bortolussi sagt, er habe mehr Zeit respektive mehr Zeit, über die er selber bestimme.
Immerhin ist er stellvertretender Leiter des Bildungszentrums für kaufmännische Grund- und Weiterbildung kvBL, das mit drei Standorten im Kanton Baselland und jährlich 800 bis 900 Kursteilnehmern und Studierenden nicht gerade ein kleines Institut ist. Dennoch: «Es funktioniert bestens ohne Handy», sagt er. Stichwort Verbindlichkeit.
Wenn er einen Termin vereinbare, könne man sich zu hundert Prozent darauf verlassen. Genau das sei jedoch im Handyzeitalter zum Problem geworden: «Man bleibt unverbindlich gegenüber Personen, Terminen, Abmachungen.» Man plane nicht mehr, sondern überlasse alles dem «Ding», dessen Hörqualität Bortolussi ausserdem miserabel findet.
Und wenn ihn seine Frau erreichen will?
«Sie weiss, wie und dass sie mich erreichen kann, wenn es wirklich wichtig ist.» Aber die Farbe von Unterhosen, die sie gerade in einem Geschäft für ihn entdeckt habe, sei ihm vollkommen egal.
Ihm sei sehr wohl bewusst, räumt Bortolussi ein, dass er sich den Luxus dieses Verzichts dank seiner Mitarbeiter und seiner Frau leisten kann, die gewisse Dinge übernehmen, mit denen er sich nicht befassen will und muss. Zum Beispiel Ferien buchen, das macht seine Frau.
Im Internet googeln ist nichts für Marco Bortolussi. Seine Rechnungen begleicht er auch nicht via E-Banking, er schickt die Einzahlungsscheine per Post zur Bank. Aber dies alles tut er nicht aus Sorge, digitale Spuren im weltweiten Netz zu hinterlassen. Sein Verzicht oder, wenn man so will, seine Verweigerung begründet er viel grundsätzlicher: Es behagt ihm nicht, wenn Maschinen die Kontrolle über Menschen haben statt umgekehrt. Er will nicht, dass die virtuelle Welt immer mehr die reale verdrängt.
«Wenn ich von einem Freund rede, dann ist das auch mein Freund, ein echter.» Und was sagen diese zu der doch eher seltenen Haltung ihres Freundes? «Im Bekanntenkreis gelte ich als sturer Exot.» Und unter den jüngeren Mitarbeitern laufe eine Wette, wie lange es dauere, bis auch der Bortolussi ein Handy habe. «Die Wette läuft schon lange», sagt er und lacht.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 05.07.13