Der Virenjäger

Wie breiten sich Viren aus? Warum gibt es jedes Jahr einen neuen Impfstoff gegen Grippe? Wir haben mit Professor Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel gesprochen und geben Anworten in Wort und Bild.

«Virenstämme zeigen anschaulich, wie rasch Evolution geschehen kann», sagt Richard Neher.

Mit der Grippe im Bett zu liegen, ist für die meisten Menschen eine unangenehme, aber meist vorübergehende Sache. Man hat hohes Fieber, man schwitzt, hustet und rotzt. Und dann ist es auch schon wieder vorbei. Echte Gefahr besteht meist nur für sehr junge oder alte Menschen. Doch manchmal taucht ein neuer Grippe-Virenstamm auf und erinnert die Menschen an die Gefahren dieses Virus, das uns jeden Winter heimsucht.

Mit der Veränderung von Virenstämmen und ihrer Ausbreitung befasst sich Richard Neher, Professor am Biozentrum der Uni Basel. Neher hat im Februar 2017 den Open Science Prize für die Webplattform «nextstrain.org» erhalten. Das Projekt verfolgt die gefährlichen Erreger weltweit.

Herr Neher, warum müssen wir uns jedes Jahr gegen Grippe impfen?

Virenstämme verändern sich sehr schnell und zeigen anschaulich, wie rasch Evolution geschehen kann. Die Veränderungen eines Virus lassen sich mit der Evolution des Menschen vergleichen. Nur vollzieht ein Virus Evolutionsstufen in kürzester Zeit. Gerade der Grippevirus Typ A/H3N2 (jener Typus, der letzten Winter in Europa für die meisten Grippe-Erkrankungen verantwortlich war, Red.) ist ein wahrer Verwandlungskünstler, er mutiert so schnell, dass man niemals vollständig immun dagegen sein kann. Der Stammbaum zeigt, wie rasch sich das Virus in den letzten Jahren verästelt hat. Aus diesem Grund muss das Impfvirus jedes Jahr aktualisiert werden.

Der Stammbaum zeigt die Entwicklung des Grippevirus Typ A/H3N2 von 2015 (ganz links) bis 2017 (ganz rechts oben). Mit X sind jene Stränge markiert, die zur Impfstoff-Produktion verwendet wurden. Die graue Box und das dazugehörige X beschreibt das Grippevirus, das diese Saison erwartet wird.

Wie breiten sich Viren aus?

Unterschiedliche Faktoren beeinflussen die Ausbreitung von Viren: das Virus selbst, die infizierte Altersgruppe und der Krankheitsverlauf. Grippeviren verbreiten sich weltweit innerhalb von Wochen und werden vermutlich über infizierte Flugreisende mitgebracht. Die Zika-Viren kamen vor allem aus der Dominikanischen Republik in die USA, wahrscheinlich wurden sie von Touristen auf Kreuzfahrtschiffen nach Florida eingeschleppt.

Wie können seit Jahren bekannte Viren plötzlich zu einem Problem werden?

Die Verbreitung des Zika-Virus zeigt das anschaulich. Das Virus hat sich im Laufe von zwei Jahren von Südostasien über Französisch-Polynesien nach Amerika ausgebreitet. Das Immunsystem der Menschen in diesen Regionen hatte das Virus noch nie gesehen. Das Virus konnte sich wie ein Buschfeuer ausbreiten und ein grosser Teil der Bevölkerung wurde in kurzer Zeit mit dem Virus infiziert. Zum Glück waren bei Zika die allermeisten Infektionen mild.

Wie können Grippeviren von Tieren auf Menschen übertragen werden?

Solche Übertragungen passieren vor allem, wenn Menschen intensiven Kontakt zu infizierten Tieren haben, zum Beispiel Bauern oder bei Geflügel-Märkten mit lebenden Tieren. Mit den heutigen Techniken, um Virus-Genome zu sequenzieren, können wir gut nachvollziehen, wo eine Übertragung von Tieren zu Menschen stattgefunden hat. Zudem sehen wir dann auch, ob sich das Virus weiter von Mensch zu Mensch überträgt. Solche Analysen sind vor allem relevant, wenn eine neue Grippevariante bei Geflügel entdeckt wird. Eine solche Vogelgrippe kann bei Menschen unter Umständen schwere Krankheiten hervorrufen.

Sind rote und blaue Punkte dicht beieinander, gleichen sich die Gensequenzen des menschlichen und tierischen Virus‘ sehr stark.

Wie kann man die Ausbreitung von Viren eindämmen?

Wenn man sich etwa mit der saisonalen Grippe angesteckt hat, sollte man eine weitere Übertragung vermeiden, indem man zuhause bleibt, sich regelmässig die Hände wäscht und verdeckt niest. Wenn man sich gar nicht erst anstecken will, hilft eine Impfung und regelmässiges Händewaschen.

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