Die Allmend als Bühne

Für Strassenmusiker ist es schwieriger geworden in Basel. Der 40-jährige Rudi aus der Slowakei kommt trotzdem immer wieder hierher. Er hat keine andere Wahl.

Musiziert werden darf in Basel nur noch von Montag bis Samstag: 11 bis 11.30, 12 bis 12.30 Uhr und ab 16 bis 20.30 Uhr jeweils eine halbe Stunde, beginnend bei der vollen Stunde. (Bild: iStock)

Für Strassenmusiker ist es schwieriger geworden in Basel. Der 40-jährige Rudi aus der Slowakei kommt trotzdem immer wieder hierher. Er hat keine andere Wahl.

Zwei Franken hat Rudi in den letzten 30 Minuten mit seiner sanften Stimme und der schwarzen Gitarre am Spalenberg verdient. Mit Betteln hätte er an diesem frühen Montagabend wahrscheinlich mehr Erfolg bei den Passanten gehabt als mit seiner melancholischen Gipsy-Musik. Doch wenn er schon ein derart aufreibendes Leben führen muss, dann wenigstens mit Würde, denkt er sich.

Seit sechs Jahren ist die Allmend Rudis Arbeitsplatz. Wenn es gut läuft, erzählt er, dann bringe er nach einer mehrwöchigen Tour durch europäische Städte 400 Franken nach Hause in die slowakische Stadt Tornala. Die Strassenmusik war für ihn der letzte Ausweg, nachdem er seinen Job auf einer Baustelle verloren hatte und seine Familie in Existenznot geriet. «Ich finde leider keine Arbeit in der Slowakei. Dieses Leben macht müde, aber das ist mein Schicksal», sagt der Vater von vier Söhnen im Teenageralter in gebrochenem Deutsch.

Den Kindern zuliebe

Der 40-Jährige verbringt nur drei Monate im Jahr bei seiner Familie, den Rest der Zeit ist er unterwegs. Von der Slowakei fährt er für rund 50 Euro mit dem Zug nach Salzburg, spielt dort ein paar Tage, dann gehts nach Karlsruhe und schliesslich nach Basel. Hier bleibt er ein paar Wochen, übernachtet in Parks, isst für fünf Franken bei der Caritas und duscht am Bahnhof SBB. Es sei stressig. Doch er müsse dies alles nun mal tun, seinen Kindern zuliebe, sagt er. «Ich will ihnen eine Ausbildung finanzieren können. Ich konnte nicht zur Schule, sie sollen ein besseres Leben führen als ich.»

Die Bedingungen auf der Basler Allmend sind härter geworden. Keine zwei Jahre dauerte die fast totale Freiheit für Strassenmusiker, welche die Basler Regierung mit einer sehr liberalen Verordnung im Mai 2010 geschaffen hatte. Von 11 bis 20 Uhr durften sie spielen, zwar nur eine halbe Stunde am selben Ort, aber wer wollte, konnte neun Stunden durchspielen. Seit März 2012 jedoch gilt wegen etlichen Reklamationen eine striktere Verordnung. Musiziert werden darf nur noch von Montag bis Samstag: 11 bis 11.30, 12 bis 12.30 Uhr und ab 16 bis 20.30 Uhr jeweils eine halbe Stunde, beginnend bei der vollen Stunde. Zwischen der halben und der vollen Stunde sind Darbietungen verboten. Es darf nur einmal pro Tag am selben Ort gespielt werden, der neue Ort muss ausser Hörweite des alten liegen. Wer sich nicht daran hält, kann mit 80 Franken gebüsst werden.

Laut Martin Schütz, Sprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartements, hat sich die neue Praxis bewährt. «Wir machen gute Erfahrungen. Die neue Verordnung hat zu einer totalen Beruhigung geführt, die Lärmklagen haben abgenommen», sagt er. Gingen 2011 noch 250 Reklamationen wegen Strassenmusik ein, waren es von März bis Dezember 2012 noch 148, seit Anfang 2013 insgesamt 59.

Auf nach Dänemark

Gebüsst wurde Rudi noch nicht, überhaupt hatte er noch nie Ärger mit der Polizei. Er hält sich strikt an die Regeln, die sich unter den Musikern rasch herumgesprochen hätten. Denn würde er gebüsst, wäre ein Fünftel seines Monatslohns weg. «Es war bis vor Kurzem einfacher in Basel. Aber verglichen mit anderen Städten – zum Beispiel Wien oder Strasbourg – ist es hier immer noch gut, Musik zu machen», sagt er.

Anzutreffen ist Rudi, der nicht fotografiert und mit seinem ganzen Namen genannt werden möchte, immer am Spalenberg, Claraplatz, Marktplatz und am Barfüsserplatz. Den Bahnhof meidet er. «Dort geben die Leute praktisch nie etwas. Aber es läuft momentan ohnehin nicht viel. Besser ist es im Dezember.»

Manchmal werde er beim Musizieren komisch angeschaut. «Ich höre regelmässig, dass man mir kein Geld geben sollte, weil ich ein Zigeuner bin. Das trifft mich schon», sagt er. Solche Aussagen würden ihn motivieren, es seinen Kindern leichter zu machen. Momentan liebäugelt der 40-Jährige mit einer neuen Route. «Ich habe gehört, dass es in Dänemark noch gut sei. Ich will mal wieder neue Städte sehen», sagt er, packt seine Gitarre und geht zum Marktplatz. Es ist 19.05 Uhr. Spielen kann er nur noch 25 Minuten, ehe er wieder eine halbe Stunde Pause machen muss.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 09.08.13

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