Die Angst vor dem schwarzen Mann geht um

Die Debatte um Ebola verstärkt das Bild vom «gefährlichen Asylanten» – schliesslich grassiert das Virus hauptsächlich in Afrika. Eine Tendenz, die auch Folgen im Alltag haben könnte.

Zusammengepfercht in einem Rettungsboot: Afrikanische Flüchtlinge vor der Insel Lampedusa. (Bild: Keystone)

Die Debatte um Ebola verstärkt das Bild vom «gefährlichen Asylanten» – schliesslich grassiert das Virus hauptsächlich in Afrika. Eine Tendenz, die auch Folgen im Alltag haben könnte.

Mitarbeiter der italienischen Marine tragen Handschuhe und Mundschutz, wenn sie ankommende Flüchtlinge in Empfang nehmen. Das ist seit vielen Jahren so und hat nichts mit der aktuellen Ebola-Hysterie zu tun.

Es ist ein Sinnbild dafür, wie Europäer mit Einwanderern umgehen. Die Einwanderer sind potenziell mit Krankheiten infiziert, sie verseuchen die Gesellschaft – und sind gewissermassen selbst ein Virus.

Der Historiker Philipp Sarasin bezeichnet die Eindringlinge in der Wahrnehmung der westlichen Welt als «Fremdkörper». Europa erscheint bildlich als menschlicher Körper, die Eindringlinge schädigen den Körper und müssen somit bekämpft werden.

Italienische Carabinieri begleiten einen Somalier, der in Lampedusa landete. Zu ihrem Schutz tragen sie Handschuhe und Mundschutz.

Italienische Carabinieri begleiten einen Somalier, der in Lampedusa landete. Zu ihrem Schutz tragen sie Handschuhe und Mundschutz. (Bild: Keystone/Franco Lannino)

Sämtliche fremdenfeindlichen Vorurteile passen in dieses Schema: Vorstellung von kolonialer Herrschaft, rassische Überlegenheit, Asylsuchende als Bedrohung, Fremde als Verschmutzer der «ethnischen Reinheit».

Mit der Debatte um Ebola hat dieses Bild eine neue Dimension erreicht. «Wenn eine ‹Seuche› im sprichwörtlich ‹dunklen› Afrika wütet, Tausende von Opfern fordert, und daran ist, in die westliche Welt zu gelangen, kann die Sprache selbst zum Medium der Infektion werden», erklärt Sarasin.

Es sind dann die «schwarzen» anderen, die «Fremden», die «uns» bedrohen, so Sarasin. Und diese Sprache findet schnell Anschluss an das ausgrenzende Sprechen über Asylbewerber und unerwünschte Ausländer. Ganz so weit sind wir noch nicht – aber es sei eine Gefahr.



In Monrovia (Liberia) wird ein Ebola-Opfer von Krankenpflegern weggetragen.

In Monrovia (Liberia) wird ein Ebola-Opfer von Krankenpflegern weggetragen. (Bild: Keystone/Ahmed Jallanzo)

In den Bildern, die wir täglich aus Ebola-Krisengebieten serviert bekommen, schwingt auch eine kulturelle Überlegenheit mit. Was in rückständigen Dörfern in Afrika möglich ist, kann und soll in der «zivilisierten Welt» nicht passieren.

Moderne Technik und Hygiene-Standards schützen die westliche Welt vor dem tödlichen Virus, sagen Schweizer Gesundheitsexperten. Dass auf dem europäischen Kontinent die gesundheitlichen Standards anders aussehen, als in Liberia oder Sierra Leone – das ist ein Fakt.

Die Vorurteilsfalle

Das ständige Aufzeigen der Unterschiede suggeriert jedoch eine scharfe Trennung von westlichem Fortschritt und afrikanischer Rückständigkeit – und diese Unterscheidung ist nicht überall richtig.

Afrika ist – wie Europa ebenfalls – alles andere als ein homogener Kontinent. Man tappt nur zu schnell in die Vorurteilsfalle, wenn von ganz Afrika und «den Afrikanern» die Rede ist. 

Die Vorurteile nutzen rechtspopulistische Kräfte für ihre Politik. Christoph Mörgeli schreibt in seinem Blog «ein Lob den Grenzen». Er resümiert, das tödliche Ebola-Virus aus Afrika lasse «wirklichen Verantwortungsträgern keinen Handlungsspielraum», und fordert damit bessere Grenzkontrollen. 

Jean-Marie Le Pen vom Front National fiel vor den Europawahlen durch eine Entgleisung auf: Der Ebola-Virus werde das Bevölkerungsproblem Afrikas «in drei Monaten von selbst lösen».

Körperkontrolle in Lampedusa: Die staatliche Autorität zeigt sich in Uniform, mit Schutzvorkehrungen.

Körperkontrolle in Lampedusa: Die staatliche Autorität zeigt sich in Uniform, mit Schutzvorkehrungen. (Bild: Keystone/Venezia Filippo)

Ebola steht häufig als Marker für einen «Fremdkörper», der in die westliche Welt eindringt. Zu schnell vergisst man, dass hinter den Krankheitssymptomen Menschen stehen – und nur zu schnell werden diese Menschen «zur eigentlichen Bedrohung», meint der Historiker Philipp Sarasin.

Der Präsident des Afrika-Diaspora-Rats Schweiz (ADRS) Celeste D. Ugochukwu äusserte solche Bedenken gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Sollte sich dereinst ein an Ebola erkrankter Afrikaner in der Schweiz aufhalten und der Fall publik werden, befürchtet er eine «weitere Stigmatisierung» der Afrikaner hierzulande.

Schon heute gebe es pauschale Vorurteile, weil ein kleiner Teil der Afrikaner kriminell sei: «Die Angst vor uns würde wohl neue Ausmasse annehmen.»

Ein Verdachtsfall in Basel

Wer schwarze Hautfarbe hat, fällt auf. Und mit den Ebola-Bildern der Tagesschau im Kopf, kommt schnell ein leichtfertiger Verdacht auf.

So geschah es vor einigen Tagen in einer Berliner Eckkneipe, als ein Mann mit schwarzer Hauptfarbe hustete und ein Gast den Rettungsdienst alarmierte – Verdacht auf Ebola. Die Kneipe wurde vorübergehend geschlossen, Stunden später folgte die Entwarnung: Der Afrikaner zeigte bereits bei den ersten Untersuchungen keine Anzeichen. «Er war gar nicht krank», hiess es später.

Ein englisches Krankenhaus testet die Bereitschaft für einen Ausbruch des Ebola-Virus, 11.10.2014.

Ein englisches Krankenhaus testet die Bereitschaft für einen Ausbruch des Ebola-Virus, 11.10.2014. (Bild: Reuters)

Könnte das auch in Basel passieren? Weder bei der Kantonspolizei, noch bei der Sanität von Rettung Basel-Stadt gingen Meldungen über Ebola-Verdachtsfälle ein. Kantonsarzt Thomas Steffen musste einen Verdachtsfall abklären, er fand jedoch keine Infektion.

Bei dem Fall handelte es sich um eine Person aus Westafrika, die beim Grenzübertritt in Basel ein Asylgesuch einreichte. Die Person kam mit dem Flugzeug direkt aus Westafrika, sagt Steffen. In Absprache mit dem Bundesamt für Gesundheit und dem Universitätsspital Basel fand dann umgehend eine Untersuchung statt. Es sind Fälle wie dieser, die in Zukunft häufiger vorkommen könnten.

(Aus der SRF-Sendung Kultur kompakt vom 13.10.12014: Ebola und die Lust an der Katastrophe)

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