«Die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler kommen zu kurz»

Mathematik, Alte Sprachen oder Sport – In Zukunft sollen sich die Basler Sekundarstufen mit Schwerpunktfächern profilieren. Das fordert SP-Grossrat Daniel Goepfert in seinem Vorstoss, den er heute Mittwoch einreicht. Im Interview mit der TagesWoche erklärt er seine Vision und übt deutliche Kritik am Erziehungsdepartement.

Der Gymnasiallehrer Daniel Goepfert ist besorgt über die Schulreform und wünscht sich mehr soziale Durchmischung. (Bild: Nils Fisch)

Mathematik, Alte Sprachen oder Sport – In Zukunft sollen sich die Basler Sekundarstufen mit Schwerpunktfächern profilieren. Das fordert SP-Grossrat Daniel Goepfert in seinem Vorstoss, den er heute Mittwoch einreicht. Im Interview mit der TagesWoche erklärt er seine Vision und übt deutliche Kritik am Erziehungsdepartement.

Mit der Schulreform Harmos rücken die Basler Schulen zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit. Der parlamentarische Vorstoss für eine Ausländerquote in Schulklassen sorgte vor wenigen Wochen landesweit für Diskussionen. Der ehemalige Grossrats-Präsident Daniel Goepfert (SP) macht mit seinem Vorstoss nun ein weiteres Mal die Durchmischung der Schulklassen zum Thema.

Herr Goepfert, Sie fordern, dass Schulen auf Sekundarstufe l unterschiedliche Profile entwickeln können. Was wollen Sie damit erreichen?

Jeder Schulstandort soll seine eigene Identität entwickeln. Entscheiden sich Schüler und Eltern wegen des Profils für eine Schule, wächst dadurch die soziale Durchmischung der Schulklassen.

In der Vergangenheit profilierte sich insbesondere die SVP mit Themen wie sozialer Durchmischung und Ausländeranteil. Innert kurzer Zeit trägt Ihre Partei jetzt zum zweiten Mal das Thema in den Grossen Rat. 

Es hängt immer davon ab, in welchem Ton und mit welcher Absicht man einen solchen Vorstoss macht. Meine Absicht ist es, eine bessere soziale Zusammensetzung zu erreichen und so die Erfolgschancen der einzelnen Kinder zu erhöhen. Integration ist ein wichtiges Gebiet, und wir dürfen uns nicht davor scheuen, dabei mitzuwirken. Als grösste Partei im Kanton wollen wir unseren Beitrag leisten.

Die Schule im Fokus

Mehr über den Vorstoss von Daniel Goepfert, die Durchmischung der Schulklassen und die schwierige Umsetzung der Schulreform lesen Sie in der Printausgabe der TagesWoche vom 14. Juni. Die aktuelle Ausgabe erhalten Sie am Kiosk oder digital über die App der TagesWoche. Oder natürlich bequem nach Hause geliefert mit einem Abo.

Sie schlagen vor, dass die Schulen beispielsweise mit Alten Sprachen oder Mathematik ihr Profil schärfen sollen. Sind solche Schwerpunkte in diesem Alter nicht verfrüht?

Wir haben den Vorteil, dass die Primarschule um zwei Jahre verlängert wurde. Ich denke, dass die Kinder anschliessend eine Vorstellung davon haben, welche Spezialisierung sie am stärksten interessiert. 

Wie stark würde der gesetzliche Lehrplan nach Ihren Vorstellungen tangiert?

Ich rechne mit zwei bis drei zusätzlichen Stunden pro Woche, für das jeweilig erweiterte Fach. Das könnte man mitmilfe der Freifachstunden relativ bequem lösen. Es geht um einen kleinen Zusatz, der eine grosse Wirkung haben kann. Neben den zusätzlichen Schwerpunktfächern bleibt der Lehrplan grundsätzlich für alle derselbe. 

Sie sagen, es bräuchte nur kleine Anpassungen. Die Leitung des Erziehungsdepartements lehnt Ihren Vorschlag dennoch ab.

Ich weiss, dass diese Idee innerhalb des Departements lange diskutiert worden ist, und war mit den Verantwortlichen auch im Gespräch. Wie ich vernommen habe, wurde die Idee intern erst im letzten Moment verworfen. Es gibt offenbar auch beim Erziehungsdepartement Befürworter meines Vorschlags. Deshalb bin ich von dieser ablehnenden Haltung etwas überrascht. Ich würde mir weiterhin mehr Offenheit wünschen.

Fehlt es beim Erziehungsdepartement zurzeit generell an Dialogbereitschaft?

Das ist so. Ich habe dafür auch ein gewisses Verständnis. Die Umsetzung von Harmos ist eine grosse Herausforderung. Ich meine, es bräuchte trotzdem etwas mehr Flexibilität vom Departement und etwas mehr Offenheit. Und ich habe auch eine Diagnose, weshalb es daran fehlt. 

Wie lautet die?

Die Verantwortlichen, die für die jetzige Schulreform verantwortlich sind, waren auch für die letzte Schulreform verantwortlich. Und es gibt ein gewisses Bemühen, möglichst viel Gedankengut der früheren in die neue Reform zu retten. Dabei war die letzte Reform, gelinde gesagt, nicht in allen Punkten geglückt. 

«Ich habe Angst, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder zu kurz kommen könnten.»

Heisst das, es herrscht beim Erziehungsdepartement eine konservative Haltung?

Ich würde eher von bleiern sprechen. Man möchte das Gesamtschulprojekt um jeden Preis durchsetzen. Ich war von Beginn weg ein Befürworter der Sekundarstufe. Es muss aber auf die verschiedenen Bedürfnisse der Schüler eingegangen werden. Und bei diesem Punkt vermisse ich eine Fortschrittlichkeit des Erziehungsdepartements. 

Was kritisieren Sie konkret?

Man versucht, alle Schulen einheitlich zu gestalten. Das finde ich falsch. Es braucht in der Pädagogik verschiedene Lösungen für verschiedene Kinder. Gerechtigkeit heisst nicht das selbe für alle. Ich mache mir Sorgen, ob mit Harmos auf die Bedürfnisse der Kinder individuell genug eingegangen werden kann. Ich den Eindruck, dass die Verantwortlichen bisweilen das Wesentliche aus den Augen verlieren, die spezifischen Bedürfnisse der Schüler. Ich habe Angst, dass diese unterschiedlichen Bedürfnisse zu kurz kommen könnten.

Weshalb haben Sie sich für eine Anfrage entschieden?

Eine schriftliche Anfrage zwingt die Regierung zu nichts. Der Vorteil ist aber, dass innerhalb von zwei Monaten eine Antwort kommen muss. Regierungsrat Eymann kündigte beim letzten Vorstoss an, er würde ihn erst mal zwei Jahre abhängen lassen. Da dachte ich mir, dass eine Antwort innerhalb von zwei Monaten die sinnvollere Lösung ist. Sollte die Antwort unbefriedigend sein, würden wir aber einen verbindlicheren Vorstoss einreichen.

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