Die Tierrechtsgruppe Basel hat die Befreiung der Tiere zum Ziel. Dafür protestiert sie vor dem Zirkus und am Flughafen. Ein konsequentes Leben geht nicht ohne Widersprüche. Drei Mitglieder erzählen.
Raffael, Sophie und Anna (alle Namen geändert) sitzen am Tisch eines Kleinbasler Kaffees. Aus Angst vor Überwachung und Repression möchten sie unerkannt bleiben. Denn wenn es ums Tier geht, machen sie wenig Kompromisse. Die Grösse von Käfigen steht für sie nicht zur Diskussion. «Es geht uns um die Befreiung der Tiere», sagt Anna.
Vom Tierschutz grenzen sie sich entschieden ab und kämpfen stattdessen für eine Welt ohne Tiere in Gefangenschaft. Vor fast jeder Zirkusvorführung in Basel verteilt ihre Tierrechtsgruppe Flyer an die Besucher, prangert am EuroAirport Monat für Monat publikumswirksam Tiertransporte der AirFrance an und kämpft derzeit gegen das vom Zoo geplante Ozeanium.
Keine Gutmenschen sondern Überzeugungstäter
Man könnte die drei als «Gutmenschen» bezeichnen, als «Extremisten» oder als «Tier-Nazis». All das kennen sie aus eigenen Erfahrungen. Pöbelnde Zirkusdirektoren und ausfällige Passanten sind ihnen bestens vertraut.
«Viele Leute reagieren aggressiv und fühlen sich von uns angegriffen», sagt Sophie, «dabei verurteilen wir niemanden für sein Verhalten.» Mit ihren Aktionen wollen sie ihre Mitmenschen zum Nachdenken anregen. Die Konflikte nehmen sie in Kauf. «Denn dadurch beginnt häufig ein Denkprozess.»
In ihrer Aufmachung passen Raffael, Sophie und Anna, ohne aufzufallen, in jede Bar. Tätowierungen zieren Schultern und bedecken kräftige Unterarme. Gemeinsam ist allen drei ihr entschlossener Blick, hier sitzen keine verträumten Gutmenschen sondern Überzeugungstäter. Daneben führen sie ein fast bürgerliches Leben. Sophie ist Doktorandin, Raffael arbeitet in einem grossen Kulturbetrieb und Anna schreibt an ihrer Masterarbeit. In ihrer Kindheit gingen sie angeln, arbeiteten im Kinderzoo und assen gerne Steaks.
Nächstes Ziel: Ozeanium
Irgendwann kam bei ihnen der Tag, wo sich ihr Blick auf die Tierhaltung änderte. Heute leben sie vegan: fleischlos, keine Milch und Schuhe ohne Leder. Den Kampf gegen die Ausbeutung der Tiere führen sie mit grosser Konsequenz. Und sie fürchten sich nicht vor grundlegenden Fragen. Die Ablehnung von Tierhaltung bedeutet in ihren Augen auch Kritik am kapitalistischen System. Ein System, an dem sie möglichst wenig teilhaben wollen.
Ihr nächstes grosses Ziel ist das Ozeanium. Für sie ist es Symbol von fast allem, was sie ablehnen. Die Ausbeutung der Tiere, die Aufwertung der Stadt für die Interessen weniger und das Diktat des Konsums.
Die vom Zoo vielzitierte «Nachhaltigkeit» des Grossaquariums bezeichnen sie als «Farce». Gleichzeitig würde das Zoo-Restaurant Fische servieren, von den Energiekosten einmal abgesehen. Und wer wirklich den Respekt vor der Natur lernen wolle, müsse nicht in den Zolli oder ins Ozeanium gehen, sondern in den Wald und sich in Geduld üben. «Die Fische im Ozeanium dienen einzig den Interessen des Zoos und der Besucher. Diese Beherrschung der Natur steckt tief in der Philosophie des Zoos drin», sagt Anna.
Wer so konsequent auftritt, wird anfällig für Widersprüche.
Der Augenfälligste liegt auf dem Boden unter dem Kaffeetisch. Seit Beginn des Gesprächs fläzen sich zwei Terrier neben unseren Füssen. Die Leine hat Anna an ihrem Stuhl befestigt. Wie passt das zu alldem, was in der vergangenen Stunde gesagt wurde? Anna hat die Frage erwartet. Und erhält Unterstützung von Raffael, der seine Wohnung mit einer Hündin teilt.
«Meine Hunde», sagt Anna, «habe ich aus dem Tierheim. Nie würde ich eine Zucht unterstützen.» Zudem betreut sie zwei Pferde. Und auch Raffael hat seine Hündin übernommen, von einer Familie die nicht mehr zu ihr schauen wollte. «Es ist absurd», meint Anna, aber ihre Hunde und Pferde geben ihr die Kraft und Überzeugung, um für die vielen anderen, namenlosen Tiere zu kämpfen. «Ein widerspruchsfreies Leben hast du nie», sagt sie am Ende des Gesprächs, «aber du kannst es versuchen.»