Ein Regierungsrat streckt im Fernsehen die Zunge raus. Uiuiui.
Wie es so steht, um diesen Kanton und diese Stadt, das konnte man am Mittwoch im lokalen Fernsehen erleben. Hauptperson der Ungeheuerlichkeit, was sage ich, des Skandals!, war Baudirektor Hans-Peter Wessels. Es war nach dem geschätzten zehnten ernsten U-Abo-Interview des Tages, als Baudirektor Wessels mit einem Redaktor von «Telebasel» herumalberte, in einem gelösten (und vermeintlich unbeobachteten) Moment die Backen fahren liess und seine Zunge mit einem gleichzeitigen «Böh» nach draussen streckte.
Erwischt! Anscheinend, so versicherte sein Sprecher André Frauchiger dem Regionaljournal in der am Freitag entstandenen Aufregung, habe Wessels nicht gewusst, dass die Kamera noch am Laufen gewesen sei. Auch Wessels selber musste sich in einer journalistischen Aufarbeitung von «Onlinereports» äussern: «Die Sequenz wurde total aus dem Zusammenhang gerissen.»
Das war sie in der Tat – aber wenigstens halb originell. «Telebasel»-Redaktor Frank Linhart liess sich zur launigen (und inzwischen entschuldigten) Schlusspointe verleiten, der Baudirektor sehe den kommenden Diskussionen rund ums U-Abo gelassen entgegen. Schnitt, die Zunge, «böh».
Der heilige Zorn
Uiuiui, damit ging es los. Die Zungen-Sekunde reichte, um den heiligen Zorn der Basler Zeitung heraufzubeschwören. Unter dem Titel «Ein grosser Junge spielt Regierungsrat» hiess es in einem halbseitigen Leitartikel: «Erklärbar ist dieser Fauxpas in Wessels’ gegenwärtiger Situation, entschuldbar ist er für einen Magistraten nicht.» Damit definierte der Text eine ganz neue Kategorie von «unentschuldbarem Verhalten». Das Budget frisieren? Den unqualifizierten Kollegen einstellen? Der Sekretärin an den Allerwertesten fassen? Alles halb so wild. Aber im Fernsehen die Zunge rausstrecken? Gott bewahre!
Die Zunge ist dabei im Text nur die Spitze des Übels. In einer Art metaphysischer Gleichung geht es von der Zunge zu Solarpanels und Volta-Randalen und zurück zur Zunge, die eigentlich nur von kleinen Buben und Clowns herausgestreckt würde. Abgesehen davon, dass das nicht stimmt (sehen Sie hier, hier, hier und hier), ist es auch, naja, wie soll man sagen.
Etwas spiessig.
Und etwas peinlich auch. Das politische Versagen eines Politikers mit einer herausgestreckten Zunge belegen zu wollen, wird dem gleichzeitig eingeforderten Ernst nicht gerecht.
In diesem Sinne: Regierungsrat Wessels hat im Fernsehen die Zunge rausgestreckt.
Na und.
Quellen
Der Beitrag von Telebasel.
Der Leitartikel in der BaZ.
Die Aufarbeitung von Onlinereports.
Die Meldung im Regionaljournal.
Artikelgeschichte
Update, Samstag, 19.11: Telebasel hat sich in der Sendung 7vor7 für den Zungen-Schnitt entschuldigt (ab Minute 11).
Update, Sonntag, 20.11: Guy Morin fordert via Facebook ein neues Kontrollorgan für die Basler Medien und Hans-Peter Wessels hat ebenfalls via Facebook die Entschuldigung von Telebasel angenommen.