Die Eltern machen Ärger

Für die Verantwortlichen sind die Tagesbetreuung und Tagesstrukturen in Basel-Stadt eine Erfolgsgeschichte. Während das Angebot für Betreuungsplätze weiter wächst, machen fast nur noch die «anspruchsvollen Eltern» Probleme.

Trotz Ausbau – es bleibt emotional, wenn es um die Verteilung der Kinder auf die Betreuungsplätze geht. (Bild: Nils Fisch)

Für die Verantwortlichen sind die Tagesbetreuung und Tagesstrukturen in Basel-Stadt eine Erfolgsgeschichte. Während das Angebot für Betreuungsplätze weiter wächst, machen fast nur noch die «anspruchsvollen Eltern» Probleme.

Am Mittwoch hat das Erziehungsdepartement (ED) gemeinsam mit dem Verein für Kinderbetreuung Basel die Medien informiert, wie es um die Tagesbetreuung und Tagesstrukturen der Stadt steht. Nach gut einem Jahr Betriebszeit lagen mit dem Tagesheim «Kinderhaus St. Jakob» nun erste Erfahrungen mit dem Projekt «Randzeitenbetreuung» vor. Das Kinderhaus ist ein gemeinsames Projekt des ED und des Vereins für Kinderbetreuung Basel.

Seit dem Tagesbetreuungsgesetz von 2003 und dem seit 2006 verfassungsmässig garantierten Anspruch auf Tagesbetreuung sucht das ED nicht mehr nur Betreuungsplätze für Kinder, die als «gefährdet» gelten. Vielmehr versucht das ED mit dem Ausbau der Betreuungsplätze in Tagesheimen und -familien sowie in Schulen mit Tagesstrukturen den Bedürfnissen der arbeitstätigen Eltern gerecht zu werden.

Deutlich mehr Betreuungsplätze

Dafür haben die Verantwortlichen des ED das Angebot in den letzten Jahren trotz ständiger Platznot deutlich ausgebaut: In der Tagesbetreuung habe man gemäss Sandra Dettwiler, Leiterin der Abteilung Jugend- und Familienangebote, innert sieben Jahren 60 Prozent mehr Betreuungsplätze geschaffen. Zu den insgesamt 3452 Vollzeitplätzen (Stand 2012) sollen noch weitere dazukommen – obwohl die Verantwortlichen erwarten, dass viele Kinder künftig in die Tagesstrukturen der Schulen wechseln werden.

Denn auch dort hat man die Kapazitäten kräftig erweitert: Gab es vor fünf Jahren gerade mal fünf Schulen mit Tagesstrukturen, sind es heute deren 33 mit insgesamt 1857 Plätzen, die von 2414 Schülern genutzt werden können. In den kommenden Jahren sollen weitere 200 Betreuungsplätze pro Jahr geschaffen werden. Man sei «gut unterwegs», bilanzierte ED-Vorsteher Christoph Eymann dementsprechend.

Undankbare Eltern

Neben solch nüchternen Zahlenbetrachtungen schimmerte an der Medienkonferenz immer wieder durch, wie emotional das Thema Kinderbetreuung aufgeladen ist. Nicht nur bei den betroffenen Eltern, sondern auch bei den Verantwortlichen. Eymann bedauerte etwa, dass er immer wieder extrem «aggressive» E-Mails von Eltern erhalte. Aus diesen schliesst er sinngemäss, dass man sich nicht wundern müsse, wenn sich in der Folge «viele Leute über den fehlenden Anstand der Jugend beklagen», wenn die Eltern ein derart schlechtes Vorbild abgäben. 

Auch die Grossrätin und Leiterin des Vereins für Kinderbetreuung Basel, Patricia von Falkenstein, hadert bisweilen mit dem Verhalten mancher Eltern: «Die einzelnen Tagesheime geben sich wirklich Mühe, den Eltern alles für ihre Kinder zu ermöglichen», sagte von Falkenstein. Aber die «zum Teil sehr anspruchsvollen Eltern» würden es aus ihrer Sicht wenig danken. Im Gegenteil: Mit ihrem Verhalten würden manche Eltern die komplexe Planung gar erschweren. So etwa, wenn sie ihre Kinder nicht mehr ins gewohnte Tagesheim bringen, ohne es abzumelden. Oder wenn sie die Kinder an verschiedenen Orten gleichzeitig anmelden, so dass man nicht mehr wisse, wie gross in einem Heim die Platznachfrage tatsächlich sei. 

Auf der anderen Seite ist für Eltern seit längerem Platzmangel in Tagesstrukturen immer wieder ein Aufreger. Dabei täusche oftmals bloss die Wahrnehmung, erklärte Claudia Magos, die Leiterin der zuständigen Fachstelle. So sei zum Beispiel der Mittagstisch am Montag besonders gefragt, weil am Nachmittag wieder Schule ist. Weil es dann tatsächlich nicht genügend Platz für alle gebe, entstehe der Eindruck, es herrsche generell Platzmangel, obwohl es an anderern Tagen genügend Platz habe.

Elternwünsche vs. Bedürfnisse der Kinder

In der Praxis sind Eltern eine «grosse Herausforderung» für die Verantwortlichen. Elternwünsche seien nicht nur hochgradig unterschiedlich, sondern stehen manchmal auch quer zu den Bedürfnissen ihrer Kinder: «Eltern wünschen hohe Flexibilität und möglichst lange Betreuungszeiten», sagte Magos, «Kinder fühlen sich dagegen am wohlsten, wenn sie fixe Gruppenstrukturen und konstante Bezugspersonen haben.»

Auch die Tagesheime hätten Probleme, sämtliche Elternwünsche nach bestimmten Eintrittsterminen, Betreuungszeiten und Wunschtagesheimen «in Einklang mit den Möglichkeiten» zu bringen, sagte Sandra Dettwiler. Grundsätzlich sei der Betreuungsbedarf jedoch gedeckt. Wer sich an die Anmeldefristen halte, erhalte in der Regel auch einen Platz für sein Kind.

Kaum Bedarf an «Randzeitenbetreuung»

Aus einem von vielen Eltern geteilten Bedürfnis heraus ist das Kinderhaus St. Jakob erwachsen. Dieses betreut Kinder von 6.00 Uhr morgens bis 20.00 Uhr abends, wegen dem Abendverkauf am Donnerstag sogar bis 20.30 Uhr. Damit öffnet das Kinderhaus eine halbe Stunde früher und schliesst bis zu zwei Stunden später als andere staatlich subventionierte Tagesheime. Das Projekt, das sich an Eltern mit längeren Arbeits- oder Ausbildungszeiten richtet, ist im August 2012 gestartet, nachdem Eltern, Gewerbeverband und Politik ein entsprechendes Angebot vehement eingefordert hatten.

Gemäss Patricia von Falkenstein lief das Projekt äusserst harzig an. Sie fragt sich, wo der angekündigte Bedarf geblieben sei. Das neue Angebot im Gellert werde kaum genutzt, der erhoffte Ansturm sei ausgeblieben. Von den gerademal 20 Anfragen seit Projektbeginn hätten einige wieder abgesagt. Dabei habe man in Sachen Werbung alle Register gezogen.

20’000 Franken Betreuungskosten für drei Kinder

Die Art, wie das neue Angebot genutzt wird, stehe momentan noch in keinem Verhältnis zu den damit verbundenen Kosten: «Abends betreuen wir drei Kinder – und die nicht einmal am gleichen Tag», sagte von Falkenstein. 20’000 Franken Ausgaben für drei betreute Kinder – das scheint tatsächlich unverhältnismässig. Wenn am Abend lediglich ein Kind länger im Tagesheim bleiben müsse als alle andern Kinder, sei dies zudem für das betroffene Kind traurig, findet von Falkenstein.

Die überraschende Flaute führt sie übrigens wieder auf unterschiedliche Elternbedürfnisse zurück: Bei den Abmeldungen hätten die Eltern ihr Kind kurzfristig doch nicht aus dem gewohnten Tagesheim rausnehmen wollen, das Kinderhaus St. Jakob sei doch im falschen Quartier für sie gewesen oder sie hätten doch andere Lösungen gefunden.

Ob das Projekt «Randzeitenbetreuung» nach abgeschlossener Pilotphase beerdigt wird, oder es vielleicht noch in Quartiere ausgelagert wird, wo die Zielgruppe womöglich grösser wäre als im Gellert, bleibt abzuwarten. Der Versuch soll mindestens noch ein, zwei Jahre weiterlaufen. Erst dann könne man ein definitives Fazit ziehen, so von Falkenstein.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht mit Tagesstrukturen und Betreuungsangeboten? Erzählen Sie uns davon, entweder im Kommentarfeld oder mit einer E-Mail an newsdesk@tageswoche.ch.

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