Mit ihrem «Skandalbuch» über die «Frauen im Laufgitter» provozierte Iris von Roten die Männerwelt. Sie sorgte für Ärger und lieferte Fasnachtssujets.
Zwei Frauen im Visier der Kamera von Kurt Wyss: Die eine, Iris von Roten, redet offensichtlich eingehend und lange, die andere, Maria Aebersold, hört zu, wahrscheinlich ebenfalls eingehend und zwangsläufig lange. Die Asymmetrie entspricht den Gegebenheiten: Die eine im eleganten Deux-piece hat gerade ein Buch herausgegeben, ein leicht skandalöses Buch und entsprechend ein Bestseller. Die andere im gewöhnlichen Strassenmantel ist hier nur Teilnehmerin dieses book launchs, wenn auch nicht einfach irgendeine. Später sollte sie unter dem Namen «Miggeli» Aebersold als Mundarterzählerin, Kinderbuchautorin und Kolumnistin ebenfalls bekannt werden.
Hier geht es aber um das am linken Bildrand gestapelte und kurz zuvor (1958) erschienene Buch «Frauen im Laufgitter» sowie um das damit verbundene Engagement. Allerdings: Iris von Roten, man sieht es, ist näher beim Typ der femme fatale als bei dem einer traditionellen Frauenrechtlerin. Nicht nur ihre Kleidung und lackierten Fingernägel, auch das Weinglas und der Aschenbecher zeigen, dass sie die köstlichen Seiten des Lebens zu geniessen wusste.
Stets für die Sekretärin gehalten
Iris, eine geborene Meyer aus Basel, heiratete den Walliser Aristokraten Peter von Roten. Sie verfügte indessen über einen eigenen, an der Uni Bern erworbenen Doktortitel und sogar über ein Anwaltspatent. In der Kanzlei, die sie zusammen mit ihrem Mann führt, wurde sie aber stets für dessen Sekretärin gehalten. 1943–1945 war sie Redaktorin des «Schweizer Frauenblatts». Angeregt von Simone de Beauvoirs Buch «Das andere Geschlecht» (1949) verfasste sie selbst ein Buch zur gesellschaftlichen Stellung der Frau.
Was steht zwischen den Deckeln dieses Buchs, das hier in acht geschlossenen Exemplaren auf dem Tischlein darauf wartet, geöffnet, gelesen und beherzigt zu werden? Von Roten forderte Gleichstellung in allen Bereichen, volle wirtschaftliche Unabhängigkeit auch für Frauen, das Recht auf Selbstbestimmung, die Möglichkeit, Haus- und Familienarbeiten auszulagern. Hier etwas Originalton: «Für die private Atmosphäre des Familienlebens ist es nicht nötig, dass die ‹Frau und Mutter› als des Weibes natürliches Los stundenlang mit Geschirr klappert und Staub wedelt.»
Statt sich ernsthaft mit dem Gleichstellungspostulat auseinanderzusetzen, reagierten viele entweder empört oder belustigt. Die «Frauen im Laufgitter» wurden – wen überrascht es? – zu einem gerne ausgeweideten Fasnachtssujet. Und wie dann in der gesamtschweizerischen Abstimmung zur Einführung des Frauenstimmrechts vom Februar 1959 ein harsches Nein von 66,9 Prozent herausschaute, war nicht das verstockte Männervolk schuld, sondern die unvorsichtige Provokation der «Emanze» vom Heuberg. Vielleicht war gerade davon die Rede, als die beiden Frauen im März 1959 zusammensassen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 13/01/12