Die etwas entmachteten Ästhetiker

Die Basler Stadtbildkommission sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Kopfschütteln. Nun wurde sie neuorganisiert und hat weniger Einfluss, ein bisschen zumindest. Ein Rückblick auf die Entscheide der alten Kommission.

Auch die Polizei bekam die Strenge der Kommission zu spüren. 2009 stritt man über rote Rettungsringe, die dem Gremium zu auffällig waren. Weiss mit Gitter ist nun der Kompromiss. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die Basler Stadtbildkommission sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Kopfschütteln. Nun wurde sie neuorganisiert und hat weniger Einfluss, ein bisschen zumindest. Ein Rückblick auf die Entscheide der alten Kommission.

Die Basler Stadtbildkommission polarisiert mit ihren Beschlüssen immer wieder. Für manche gehört die Kommission abgeschafft, für andere ist sie unverzichtbar. Es ist in Basel denn auch schon fast Tradition, dass der Baudirektor an der Struktur der ihm unterstellten Kommission herumbastelt.

Der von 1992 bis 1997 amtierende CVP-Regierungsrat Christoph Stutz reduzierte deren Einfluss innerhalb des Bewilligungsverfahrens bereits ein paar Wochen nach seinem Amtsantritt, seine Nachfolgerin Barbara Schneider (SP) hingegen mass dem Gremium wieder einen höheren Stellenwert bei, indem sie dieses unbedingt präsidieren wollte. Aus der Verwaltung heisst es sogar, dass die Stadtbildkommission ihr Lieblingsgremium war.

Nur noch Fälle «von grosser Tragweite»

Für den jetzigen Baudirektor Hans-Peter Wessels (SP) wiederum, der sehr um Wohlwollen bemüht ist und es allen recht machen will, scheint die Stadtbildkommission ein lästige Truppe zu sein: Er hat die Kompetenzen der Kommission eingeschränkt. Seit dem 1. Juli ist sie offiziell neuorganisiert, momentan befindet sie sich jedoch noch in einer Übergangsphase.

Die Stadtbildkommission beurteilt neu nur noch Fälle «von grosser Tragweite und von grundsätzlicher Natur», wie es in einer Mitteilung der Verwaltung vom Februar heisst. Alles andere ist neuerdings einem Fachsekretariat übertragen. Dieses ist zwar fachlich der Kommission unterstellt, aber administrativ dem Bau- und Verkehrsdepartement angegliedert. Neu werden auch Sprechstunden angeboten, um den Bedürfnissen von Bauherren und Architekten gerecht zu werden.

Ursprünglich grössere Entmachtung geplant

Mit der Stadtbildkommission will Wessels offensichtlich nicht mehr in Verbindung gebracht werden. So verzichtet er darauf, das Gremium zu präsidieren. Stattdessen wird dies wieder eine externe Person machen – seit dem 1. Juli ist das Architekt Martin Steinmann, der sich erst einarbeiten und deshalb momentan keine Auskunft geben will.

Hanspeter Müller gehört der Stadtbildkommission seit zwölf Jahren als Geschäftsführer an, der Architekt wurde von Barbara Schneider für den Posten geholt. Noch bis Ende September begleitet er das neuorganisierte Gremium, denn richtig funktionieren wird dieses erst ab dem 1. Oktober, wenn alle Mitglieder ihre Arbeit aufgenommen haben. Danach wird Müller mit der Ästhetik-Beurteilung von Baugesuchen, es sind jährlich rund 1000, nichts mehr zu tun haben. Er liebäugle schon seit rund zwei Jahren damit, aufzuhören, sagt Müller. Die Umstrukturierung sei nun die perfekte Gelegenheit dazu.

Müller versteht die Neuorganisation nicht als Entmachtung oder Kritik an seiner Arbeit. «Es ist nur eine neue Struktur, mehr nicht. Die Entscheide der Kommission sind weiterhin verbindlich – das ist das Wichtigste», sagt er. Doch eigentlich war dies nicht die Absicht von Wessels. Er wollte im ersten Entwurf der Neuorganisation 2011, dass die Beschlüsse des Gremiums nicht mehr unumstösslich und verbindend sind, sondern sie nur vom Bauinspektorat angemessen berücksichtigt werden sollen – als Empfehlung. Damit scheiterte er jedoch in der Vernehmlassung.

Sprechstunden allenfalls heikel

Auch dass die Stadtbildkommission nur noch Fälle von «grosser Tragweite» beurteilt, empfindet Müller nicht als Herabstufung. «Das Fachsekretariat wird die übrigen Fälle unter denselben Kriterien beurteilen, wie wir es auch machten.» Bedenken hat Müller nur in einem Punkt. «Es können auch Konflikte entstehen, wenn die Stadtbildkommission nun auch Sprechstunden anbietet. Denn nur weil sie sagt, dass ein Bauvorhaben den ästhetischen Anforderungen genügt, heisst es noch lange nicht, dass ein solches Gesuch dem Gesetz entspricht und vom Bauinspektorat genehmigt wird.»

Dass er zu Wessels eher eine distanzierte Beziehung hat, wird rasch klar. So sagt er: «Barara Schneider war eine aktive Präsidentin der Stadtbildkommission, sie stand für unsere Entscheidungen hin. Hans-Peter Wessels hingegen war in der Kommission weniger aktiv, er hatte wohl andere Prioritäten als aktiv an unseren Entscheidungen mitzuwirken und diese zu vertreten.»

Rettungsringe, Lonza, Fahnen…

In Müllers Amtszeit fielen einige umstrittene Entscheide. 2009 kam es zu einem grossen Design-Streit mit dem Justiz- und Sicherheitsdepartement um die neuen Rettungsringe. Stadtbildkommission und Denkmalpflege lehnten rote Plasik-Ringkästen der Polizei ab, der damalige Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass drohte sogar damit, deswegen vors Bundesgericht zu gehen. Zu einer aussergerichtlichen Einigung kam es dann doch noch: Blechkästen mit Gittertüren kaschieren nun die Rettungsringe. 

Für viel Wirbel sorgte auch das Nein des Gremiums im Frühling 2011 zu einer Fotovoltaik-Anlage an der Fassade des Lonza-Turms, das später aber von Wessels wieder rückgängig gemacht wurde. Müller steht auch heute noch zu diesem Entscheid: «Die Anfrage der beauftragten Firma war gegen alle Regeln, eine Handskizze und unprofessionell. Wenn wir so etwas ablehnen, ist es natürlich gefundes Fressen für Politik und Medien.»

Immer wieder zu reden gibt zudem die Intervention der Kommission bei der Farbauswahl von Häusern. Wieso beispielsweise am Morgartenring ein giftgrünes Haus stehen darf und das Gremium bei anderen, unauffälligeren Farben ein Büro aufmacht, mag vielen nicht einleuchten. Mit dem knallgrünen Haus am Morgartenring oder dem gelben am Luzernerring hat die Kommission jedoch nichts zu tun.

«Die Schwierigkeit bei den Farben ist, dass, wenn ein Eigentümer in der Nummerzone nur sein Haus anmalen will, er keine Bewilligung dafür braucht und frei über die Farbe entscheiden kann. Bei einem Umbau aber braucht es eine Bewilligung, weshalb wir auch die Farbauswahl anschauen und allenfalls intervenieren.»

Offensivere Kommunikation

2012 sorgte zudem ein Verbot der Stadtbildkommisson für die Reederei MSC, die an ihrem Sitz an der Steinentorstrasse Flagge zeigen wollte, für Ärger. Die Reederei drohte gar damit, ins Baselbiet zu ziehen, sollte sie ihre Fahne nicht aufhängen dürfen. Und auch dieses Mal musste Wessels wieder eingreifen, die grosse gelbe Flagge hängt nun.

Darauf angesprochen, sagt Müller: «Wenn wir 1000 Gesuche im Jahr beurteilen und zwei bis drei Lärm machen, dann machen wir unsere Arbeit sehr gut.» Anders wäre es, wenn 100 Fälle so für Gesprächsstoff sorgen würden. Das Gremium bekomme auch viel Lob von Architekten und Bauherren.

Der 57-jährige Müller fühlt sich dem Paragrafen 58 des Bau- und Planungsgesetzes, wonach Bauten, Anlagen, Reklamen, Aufschriften und Bemalungen so zu gestalten sind, dass eine «gute Gesamtwirkung entsteht», streng verpflichtet. Dass dies immer auch Geschmacksache sei, dementiert er. «Wir sind ein Gremium mit viel Fachkompetenz. Wenn wir uns gegen etwas entscheiden, dann ist das nie ein Entscheid einer Einzelperson.»

Auf die Frage, ob er rückblickend etwas anders machen würde, antwortet der Architekt: «Vielleicht hätten wir offensiver kommunizieren müssen, um unsere Arbeit der Bevölkerung näher zu bringen». Die neue Stadtbildkommission sehe dies aber wohl vor.

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