Am 1. März wird das Stipendien-Konkordat in Kraft treten. Es soll helfen, die bestehenden grossen Unterschiede im Stipendienwesen zu verkleinern. Rund die Hälfte aller Kantone stehen aber abseits, darunter sämtliche Kantone der Zentralschweiz.
Die Interkantonale Vereinbarung zur Harmonisierung von Ausbildungsbeiträgen (Stipendienkonkordat) will die Unterschiede zwischen den Kantonen verringern und so zu einer Harmonisierung beitragen. Das Konkordat gibt auch materielle Mindeststandarts vor. Elf Kantone sind der Vereinbarung bisher beigetreten: Die Kantone Basel-Stadt, Graubünden, Freiburg, Neuenburg, Thurgau, Waadt, Bern, Tessin, Genf, Glarus und Jura. Diese Kantone bilden rund 46 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung ab. Der Baselbieter Landrat wird am 28. Februar voraussichtlich definitiv über einen Beitritt entscheiden, am 18. März wird der Kantonsrat Appenzell Ausserrhoden in zweiter Lesung über einen möglichen Beitritt befinden.
Die Beitrittskantone haben fünf Jahre Zeit, ihr kantonales Recht den im Konkordat festgelegten Grundsätzen und Mindeststandarts anzupassen. Die anvisierte Harmonisierung betrifft Bereiche wie die Höhe, Voraussetzungen und die Berechnung der Stipendien. So dürfen in Zukunft gemäss Konkordat die maximalen Stipendien pro Kanton die Höhe von Fr. 12’000 Franken auf der Sekundarstufe II und von 16’000 Franken auf der Tertiärstufe nicht unterschreiten.
Angst vor Souveränitätsverlust
Rund die Hälfte aller Kantone machen beim Stipendienkonkordat nicht mit. Sämtliche Zentralschweizer Kantone stehen abseits. Auf Anfrage wird unter anderem erklärt, dass man sich nicht binden und so den eigenen Handlungsspielraum nicht ohne Not einschränken wolle. Es wird auch erwähnt, dass man die Vorgaben des Konkordates in den meisten Punkten bereits erfülle.
André Woodtli von der Zürcher Bildungsdirektion begründet das Abseitsstehen seines Kantons damit, dass die Zürcher Stipendienverordnung schon bald einer Totalrevision unterzogen werde. Zudem erfülle der Kanton schon jetzt praktisch alle Vorgaben des Konkordates. Gabriela Fuchs von der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) weist darauf hin, dass in den vergangenen Jahren ein hoher politischer Druck zur Harmonisierung der Stipendien bestand. Es liege an den Interessenvertretern, etwa den Studierenden, die Beitrittsverfahren in den Kantonen zu unterstützen.
Riesige Unterschiede
Die kantonalen Unterschiede bei der Vergabe von Stipendien sind nach wie vor sehr gross, das Ziel der Chancengleichheit noch immer in weiter Ferne.
So etwa gab der Kanton Jura im Jahre 2011 pro Einwohner 85 Franken für Stipendien aus. Im Kanton Glarus waren es gerade mal 15 Franken. Der finanzstarke Kanton Zug, der im Ressourcenindex 2012 mit grossem Vorsprung an erster Stelle liegt, wendete pro Einwohner am drittwenigsten Stipendiengelder auf (20 Franken).
Die finanzstarken Kantone, welche in der Tabelle weit hinten rangiert sind, relativieren die genannten Zahlen. André Woodtli von der Zürcher Bildungsdirektion macht auf das spezielle Zürcher Stipendiensystem aufmerksam. In Zürich werde das Subsidiaritätsprinzip streng gehandhabt. Das bedeute, dass vorab die Eltern in die Pflicht genommen würden. Dafür aber seien die zugesprochenen Stipendienbeträge hoch und praktisch existenzsichernd.
Die Bildungsdirektionen von Zug und Nidwalden verweisen auf Anfrage unter anderem auf andere Bevölkerungsstrukturen und Einkommensverhältnisse.
Der VSS möchte eine materielle Harmonisierung
Für Charles Stirnimann, den Präsidenten der Interkantonalen Stipendienkonferenz (IKSK), sind die Argumente jener Kantone, die trotz ihrer Finanzstärke in den hinteren Ranglistenhälfte klassiert sind, „nur bedingt nachvollziehbar“. Man könne es drehen und wenden wie man wolle: Letztlich gehe es um die Frage, wieviel Sensibilität ein Kanton für mehr Chancengleichheit im Bildungswesen aufbringe. In verschiedenen Kantonen bestehe in Bezug auf die Vergabe von Stipendien ein klarer Nachholbedarf.
Gemäss Angabe des Bundesamtes für Statistik hat das Gesamtvolumen der kantonalen Stipendien zwischen 1991 und 2011 real um rund 6 % abgenommen. Im gleichen Zeitraum hat aber die Anzahl der Lernenden und Studierenden der nachobligatorischen Bildungsstufen deutlich (+ 36 %) zugenommen.
Auch für Annina Grob, Generalsekretärin des Verbandes der Schweizer Studierendenschaften (VSS) ist die Ausrichtung von angemessenen Stipendien eine Frage des politischen Willens. Es dürfe keine Rolle spielen, ob jemand im Kanton Neuenburg oder im Kanton Zug wohne. Unterschieden werden dürfte höchstens nach den effektiven Kosten, welche einem oder einer Studierenden erwachsen. Das Konkordat und auch die Pläne des Bundesrates gehen ihrem Verband zu wenig weit. Mit seiner letztes Jahr eingereichten Stipendieninitiative strebt der VSS auch in materieller Hinsicht eine schweizweite Harmonisierung des Stipendienwesens an.