Die kleine Radiorevolution auf DAB

Die nicht-kommerzorientierten Radios in der Schweiz dürfen ihre eigene DAB-Plattform aufbauen. Das hat das Bakom heute Morgen bekanntgegeben. Die Digris AG von Thomas Gilgen, Kopf von «Open Broadcast» und ehemaliger Betreiber der «Satisfactory» in Basel, erhält dazu die Funkkonzession.

Die Technik ist nicht neu, die Öffnung schon: Die nicht-kommerzorientierten Radios in der Schweiz dürfen ab sofort ihre eigene DAB-Plattform aufbauen. (Bild: MARTIN RUETSCHI)

Die nicht-kommerzorientierten Radios in der Schweiz dürfen ihre eigene DAB-Plattform aufbauen. Die Digris AG von Thomas Gilgen, Kopf von «Open Broadcast» und ehemaliger Betreiber der «Satisfactory» in Basel, erhält dazu die Funkkonzession.

Der Entscheid des Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM) vom Dienstagmorgen kommt einer kleinen Radiorevolution gleich. «Digitale Inseln für Radios mit kleinem Budget» nennt das Bakom bescheiden, was in den nächsten Jahren entstehen sollen. «Im Moment können sich die kleinen Radios DAB nicht leisten. Darum haben wir das Projekt gestartet, selber ein Netz zu bauen», erklärt Thomas Gilgen von der Digris AG gegenüber der TagesWoche.

Dank einfacherer Technik und dem Einsatz von Open Source Software von «Opendigitalradio» sollen die Verbreitungskosten über DAB deutlich tiefer liegen, als bei der Konkurrenz Swisscom und SMC («SwissMediaCast»). Digris wird mit ihrer für die ganze Schweiz geltenden Funkkonzession zunächst in Genf und Zürich erste Testsender installieren. Gegen siebzig Programmveranstalter aus dem ganzen Land haben bereits ihr Interesse angemeldet.

Als Netzbetreiberin kann Digris selber bestimmen, welche Programme bei den Empfängern via ihre Sender aus dem DAB+Radio ertönen. Der Grund: Bei DAB sind Funk- und Programmkonzession nicht aneinander gekoppelt, wie auf UKW. Mit dem Digris-Netz, das den etwas umständlichen Namen LIMUS («Layer zur Innovation und Migration Urbaner Sendegebiete») trägt, kann jede «digitale Insel», jedes Einzugsgebiet, durch mehrere DAB+Radioprogramme gleichzeitig versorgt werden. Die Grösse des Einzugsgebietes passt Digris den lokalen Bedürfnissen an. Wenn Digris beispielsweise in Basel einen DAB-Sender installiert, und die Stadt zu einer der «digitalen Inseln» von LIMUS wird, steigt das hiesige Angebot an «durch die Luft» empfangbaren DAB-Radios mit einem Schlag potenziell um bis zu zwei Dutzend Stationen.

Basilisk setzt auf SMC

In der Region Basel ist diese Neuerung insbesondere für den Sender «Radio X» von Interesse. Für den nicht-kommerzorientierten Sender war eine Verbreitung per DAB bisher nicht erschwinglich. Thomas Jenny, Geschäftsführer von Radio X, begrüsst gegenüber der TagesWoche, dass das BAKOM die DAB-Funkkonzession vergeben hat. Radio X sei generell «sehr interessiert an der lokalen Verbreitung auch über DAB» und werde «die neue Möglichkeit intensiv prüfen».

Den Entscheid des BAKOM begrüsst auch Radio Basilik. «Wenn sich DAB+ durchsetzen soll, müssen alle privaten Sender helfen», sagt Verwaltungsratspräsident Matthias Hagemann. Allerdings müsse der Hauptbeitrag von der SRG kommen. Die mögliche Konkurrenz dadurch störe ihn nicht, sie belebe den Markt. Basilisk selbst wird DAB+ via den regionalen dritten Layer der SMC belegen, sobald dieser aufgebaut sei, sagt Hagemann. «Wir gehen heute aufgrund der Aussagen von deren Verantwortlichen davon aus, dass dies Mitte 2014 der Fall sein wird.»

Energy Basel, das bereits seit seiner Gründung im Januar 2012 via DAB+ in der Deutschschweiz zu empfangen ist, begrüsst den Entscheid des BAKOM ebenfalls, da er die Zukunftstechnologie DAB bei ihrer weiteren, erfolgreichen Entwicklung unterstützt. «Mehr, kleinere Privatradios auf DAB beleben die Radio-Vielfalt im Raum Basel, was uns freut», sagt Programmleiter Hansi Knobloch.

Und auf die SRG können die Privatradios zählen. Sprecher Daniel Steiner schreibt, die SRG SSR unterstütze die Verbreitung der Radioprogramme via DAB+. «Sie begrüsst deshalb jegliche Initiative, die die Technik DAB+ -Digitalradio vorwärts bringt.» Je mehr Programme auf DAB+ on Air seien, umso mehr Hörer würden ihre Programme auch auf DAB+ empfangen wollen. Mit der neuen Plattform stehe nun auch kleineren Stationen die neue Technik zur Verfügung. «Wir freuen uns deshalb über jedes Programm das neu dazu kommt.»

Der Radiorat vergibt die Sendeplätze

Wer diese Dutzenden neuen LIMUS-Kanäle im ganzen Land bespielen darf, entscheidet nicht mehr das Konzessionierungsverfahren des Bundesamtes für Kommunikation («Bakom»), bei dem der Bundesrat das letzte Wort hat. So war es in den vergangenen Jahrzehnten immer der Fall beispielsweise bei der Vergabe von UKW-Lizenzen für die Lokal- und Regionalradios. Bei LIMUS hingegen entscheidet der von Digiris bestellte «Radiorat».

Die Mitglieder des «Radiorates» von LIMUS sind noch nicht definitiv bestimmt. Thomas Gilgen sagt gegenüber der TagesWoche, es solle ein Gremium werden «aus unabhängigen Leuten, die aus der Perspektive des Publikums entscheiden». Der Radiorat werde anhand qualitativer Merkmale auswählen, nicht über einen «beauty contest der Äusserlichkeiten», wie er es nennt. Es kursieren bisher die folgenden Namen: Liselotte Tännler von der «Radioschule Klipp&Klang», Lukas Weiss, Präsident der UNIKOM («Union nicht-kommerzorientierter Lokalradios»), Patrick Studer (Kabelsender «Iischers Radio») und Nick Lüthi (Medienjournalist und Redaktor des Magazins «medienwoche», ehemaliger Mitarbeiter von «Open Broadcast»).

Aufbruchstimmung wie in den Anfangszeiten

Der in Basel wohnhafte UNIKOM-Präsident Lukas Weiss spürt eine neue Aufbruchstimmung in seinen Reihen. «Wir sind sozusagen wieder zurück in den 1920er Jahren, in den Anfängen des Radios. Als alles noch nicht so sehr reglementiert war.» Mit der Erteilung der Funkkonzession für LIMUS sei nun eine grosse Tür aufgestossen worden. Jetzt könne man Vieles ausprobieren, sowohl bei den Programmen als auch bei der Technik.

Nick Lüthi, Medienjournalist und designiertes Mitglied des «Radiorates», hält die Konzessionierung von Digris und den Aufbau von LIMUS für einen «äusserst erfreulichen und absolut notwendigen Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung des Radios».

«Ab heute in frühestens vier Monaten», sagt Thomas Gilgen, würde der erste DAB-Sender von LIMUS in Zürich in Betrieb gehen, in Genf vielleicht schon etwas früher. Zu den Preisen meint er: «Beim unserem Netz kostet ein Kanal auf einer Insel um die 1’000.- Franken pro Monat.» Damit liegt er bei einem Bruchteil dessen, was die Konkurrenz verlangt.

Rolf Schurter, Geschäftsführer der «SwissMediaCast», die einen eigenen DAB-Layer betreibt, über den in grossen Teilen der Deutschschweiz, auch in Basel, bereits kommerzielle Sender und auch Stationen der SRG zu empfangen sind, kennt die Pläne der Digris AG seit längerem. «Wir sehen das Projekt der ‚Digitalen Inseln‘ als Ergänzung zu unserem Angebot, nicht als Konkurrenz», gibt er sich gelassen gegenüber der TagesWoche. Er werde gespannt beobachten, wie sich das Vorhaben entwickle.

Ein Internetradio muss pro möglichen Hörer rund einen Franken pro Monat budgetieren für die notwendige Bandbreite, um die Töne vom Sender zum Empfänger zu transportieren. Je erfolgreicher ein Webradio ist, je mehr Leute es also hören, desto teurer wird darum der Spass. Bei DAB hingegen ist es, wie bei allen «Broadcast»-Verfahren, in technischer Hinsicht egal, wie viele Leute gleichzeitig zuhören. Nicht zuletzt deshalb interessieren sich auch einige Dutzend Internetradios für die Möglichkeit, ihr Programm künftig per LIMUS zu verbreiten.

Artikelgeschichte

Der Artikel wurde mit Stellungnahmen von Rolf Schurter und Thomay Jenny ergänzt.

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