Die letzten Tage einer Planungsleiche

Seinen Zweck hat er nie erfüllt, und doch wurde der fünfzig Meter hohe Abluftkamin bei der Nordtangenten-Ausfahrt Horburg zum Wahrzeichen der Stadtautobahn. Im Juni soll der nutzlose Turm abgebrochen werden.

Der Nordtangenten-Turm wird abgebrochen.

(Bild: Erich Meyer)

Seinen Zweck hat er nie erfüllt, und doch wurde der fünfzig Meter hohe Abluftkamin bei der Nordtangenten-Ausfahrt Horburg zum Wahrzeichen der Stadtautobahn. Im Juni soll der nutzlose Turm abgebrochen werden.

Seit bald 20 Jahren ragt der Turm bei der Ausfahrt aus dem Horburgtunnel der Nordtangente stattliche 50 Meter in die Höhe. Das ist genügend Zeit für ein exponiertes Bauwerk, um sich einen festen Platz im Stadtbild zu schaffen. Doch nun steht das definitive Aus unmittelbar bevor. Am Rande einer Medienmitteilung des Bau- und Verkehrsdepartements zum Erlenmattpark ist zu lesen, dass der Abluftkamin im Juni 2016 zurückgebaut werden soll. 

Abgerissen wird der elegant auf vier Stelzen thronende Abluftkamin deshalb, weil er seinen Zweck nie erfüllen konnte. Auch nicht erfüllen musste. Gebaut wurde der Turm 1997 aufgrund einer Auflage der Umweltschutzbehörden, die damit die Entlüftung der unterirdischen Stadtautobahn garantiert haben wollten. Der Bau kostete damals 3,5 Millionen Franken.

Turm ohne Funktion

Doch bereits kurz nach Baubeginn wurde klar, dass sich die mächtigen Ventilatoren im Turm nie in Drehung setzen würden. Wie aus einem  Buch des Basler Tiefbauamts zur Nordtangente («Wanderung Basel Nord Tangente») hervorgeht, wurde die mechanische Entlüftung wegen der verbesserten Abgaswerte der Last- und Personen-Dieselfahrzeuge überflüssig. Der sogenannte Kolbeneffekt der im Tunnel verkehrenden Fahrzeuge würde ausreichen, um für ausreichend Frischluft zu sorgen.

Der Turm wurde – sicher ist sicher – aber dennoch fertiggebaut. Als sich bei den Ventilatoren mit der Zeit Standschäden abzuzeichnen begannen, wollte sie das Tiefbauamt ausbauen und verkaufen. Es fanden sich zwar keine Käufer, ausgebaut wurden sie dennoch. Nur der Turm blieb stehen. «Niemand weiss genau (…), wie lange es (das seltsame Bauwerk) noch stehen bleibt», ist noch im 2009 erschienenen Nordtangenten-Buch zu lesen.



Bald schon ein Zeitdokument: Die Autobahnbelüftung, wie sie der Basler Künstler Stefan Auf der Maur auf der Leinwand verewigte.

Bald schon ein Zeitdokument: Die Autobahnbelüftung, wie sie der Basler Künstler Stefan Auf der Maur auf der Leinwand verewigte.

Nun soll das Bauwerk also abgebrochen werden. Dabei hat man sich an seinen Anblick gewöhnt. Und genutzt wurde der Turm auch schon – wenn auch nicht in Erfüllung seines ursprünglich angedachten Zwecks, sondern als Ort für illegale Partys (was seit Inbetriebnahme der Nordtangenten-Ausfahrt natürlich nicht mehr möglich ist). 

In vielen Baslern Köpfen hat sich der anthroposophisch anmutende Turm fest eingeprägt als Wahrzeichen für die umstrittene unterirdische Stadtautobahn. Man könnte in ihm auch einen Kirchturm für das noch seelenlose Erlenmattquartier sehen. In dieser Weise hat ihn Basler Künstler Stefan Auf der Maur auf einem Ölgemälde verewigt.

Mit diplomatischer Zurückhaltung äussert sich der Kurator Daniel Baumann (heute Leiter der Kunsthalle Zürich), der während des Baus der Nordtangente die künstlerischen Begleitaktionen unter dem Titel «Kunsttangente» kuratierte: «Der Turm hat eine gewisse Eleganz, vielleicht wäre es aus nostalgischer Sicht ganz reizvoll, ihn stehen zu lassen. Ich aber werde den armen Turm wohl kaum vermissen, wenn er einmal nicht mehr da sein wird.»

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