Die neuen Schugger

Die Polizisten der alten Schule verschwinden langsam. Vermehrt prägen junge, fremdländische Ordnungshüter das Basler Stadtbild.

Die Polizisten der alten Schule verschwinden langsam. Vermehrt prägen junge, fremdländische Ordnungshüter das Basler Stadtbild.

Das Basler Korps wird zunehmend internationaler, jünger und weiblicher.

Das Basler Korps wird zunehmend internationaler, jünger und weiblicher. (Bild: Bild: Kapo BS, Montage: Nils Fisch)

Vor nicht allzu langer Zeit war es noch so: Begegnete man einem Polizisten, war das garantiert ein strammer Schweizer. Schugger wurde nur, wer den Militärdienst absolviert hatte und einen roten Pass besass. Bis 1980 war die Voraussetzung sogar, dass es ein Mann sein musste. Die Polizei schien sich dagegen zu sträuben, die neuen gesellschaftlichen Verhältnisse in ihrem Korps abzubilden. Doch diese Zeiten gehören endgültig der Vergangenheit an. An Frauen – in Basel liebevoll «Müsli» genannt – hat man sich inzwischen gewöhnt, vermehrt sieht man jetzt auch fremdländische Gesichter in der blauen Uniform.

Kurz: Die Basler Polizei ist multikultureller, weiblicher und jünger geworden. Ein Ordnungshüter – nennen wir ihn Kurt Meier* –, der seit rund 30 Jahren in Basel-Stadt im Dienst ist, sagt: «Es findet derzeit ein Generationenwechsel statt. Die frustrierteren Polizisten, die aus der alten Schule, kommen ins Pensionsalter – die Jungen zum Zug.» Und diese hätten eine lockerere Einstellung zum Beruf und zum Leben.

Ganz anderer Umgang

Vorbei seien die Zeiten, in denen im Korps noch ein militärischer Befehlston geherrscht habe. «Die neue Generation Polizei ist nicht mehr so stur wie meine es ist oder war. Sie reagiert im Umgang mit der Bevölkerung ganz anders, als wir es taten. Beispielsweise ist sie nicht so schnell beleidigt und kann Schimpfwörter, die uns zur Weissglut trieben, viel leichter einstecken», sagt Meier. Alles sei legerer geworden.

Zur «neuen Generation» gehört etwa Tobias Schrämmli*, der seit zwei Jahren bei der Polizei arbeitet. «Ich stelle fest, dass das Basler Korps immer offener wird. Die Älteren passen sich dem auch an. Zudem wird das Spektrum bei gleich bleibender Qualität breiter – wir haben inzwischen viele Nationalitäten bei uns.»

Eine Tatsache, die nicht zuletzt mit dem 1996 revidierten Polizeigesetz zu tun hat. Seither können auch Personen mit Niederlassungsbewilligung C zum Polizisten ausgebildet werden. Basel-Stadt war der erste Kanton, der den Schweizer Pass nicht mehr zur Anstellungsbedingung machte. Erst Jahre später folgten Genf, Appenzell und Schwyz. In Baselland dagegen hält man noch stur an der Schweizer Staatsangehörigkeit fest.

Die meisten lassen sich einbürgern

«Die Kapo Basel-Stadt beschäftigt zwischen 15 und 25 Personen mit Niederlassung C. Die Zahl ist schwankend, da die meisten sich mit der Zeit einbürgern lassen», sagt Polizeisprecher Klaus Mannhart. Derzeit seien 23 Ordnungshüter ohne Schweizer Pass. Sie stammen aus der Türkei, Deutschland, Finnland, Kroatien, Spanien, Portugal, Slowenien oder Holland. Laut Mannhart ist der grösste Teil dieser Personen «aber in der Schweiz aufgewachsen». «Man kann also nicht von Migranten sprechen, sondern es sind Secondos, die alle voll integriert sind.» Erfahrungen habe man «nur gute» gesammelt, sagt er.

Eine Aussage, die der Polizist Kurt Meier so bestätigen kann. «Polizisten mit Migrationshintergrund sind eine Bereicherung für unser Korps. Wenn ich als Weisser einen Afrikaner verhafte, wird mir nicht selten Rassismus vorgeworfen. Macht das aber mein dunkelhäutiger Kollege, wird das von den Menschen ganz anders angeschaut.» Begeistert von den Polizisten mit Migrationshintergrund ist ebenfallls Tobias Schrämmli: «Der grösste Vorteil ist deren Sprache und Wissen über Kulturen, die uns Schweizern fremd sind.» Dies zeige sich immer wieder in Situationen, in denen viele Emotionen im Spiel seien – etwa bei häuslicher Gewalt.

Ausländer entschärfen

Ein türkischstämmiger Schugger könne eine solche Lage schnell entschärfen. «Er durchblickt die komplizierten Familien- und Machtverhältnisse. Und wenn die betroffene Person merkt, dass sie vom Polizisten verstanden wird, kommt er eher runter. Denn das Gefühl, nicht verstanden zu werden, lässt einen oft verzweifeln, und aus Verzweiflung kann rasch Gewalt entstehen.»

Kein Problem ist offenbar die Akzeptanz der Secondos im Korps. Oder zumindest verfliegen die Vorbehalte schnell wieder: «In unserem Beruf gibt es keinen Platz für Rassismus und Missgunst. Wir vertrauen einander das Leben an. Wenn einer Zweifel gegenüber einem Polizsiten mit Ausweis C hat, verschwinden diese nach der ersten Zusammenarbeit», sagt Tobias Schrämmli. Er habe zudem nicht das Gefühl, dass ausländische Polizisten weniger von der Bevölkerung respektiert würden.

Beleidigende und ras­sistische Sprüche kämen schon mal vor, wie ein südkoreanischer Basler Polizist gegenüber der Migrationszeitung «MIX» erzählte. Aber: «Ob ich als Scheissbulle oder Schlitzauge beschimpft werde, spielt keine Rolle, denn in diesen Momenten sieht man einen Polizisten sowieso als Feind, und nicht als Helfer.» Die wenigen negativen Erfahrungen, die er bis jetzt gemacht habe, seien vor allem von der Schweizer Bevölkerung gekommen. Migranten fänden es toll, dass Ausländer bei der Polizei arbeiten. «Vorurteile, die Polizei sei rassistisch, verfliegen, weil sie davon ausgehen, dass ein Polizist mit Migrationshintergrund nicht fremdenfeindlich sein kann.»

122 Frauen

Beruhigend wirken nicht nur Secondos auf die Bevölkerung, sondern auch Frauen. «Frauen provozieren weniger als Männer. Die Hemmung, gewalttätig zu werden, ist bei ihnen tiefer verwurzelt», findet Schrämmli. Viele Frauen gibt es im Korps aber noch nicht. Von den 688 uniformierten Polizisten sind es gerade mal 122. Eine Zahl, die offensichtlich auch der Basler Kapo nicht recht ist. So schrieb sie auf ihrer gut besuchten Facebook-Seite: «Also, liebe Frauen, es gilt aufzuholen!»

*Namen der Redaktion bekannt

Quellen

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 25.05.12

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