Der öffentliche Raum dient bereits als Wohnzimmer, jetzt wird er auch noch zum Fitnesscenter. Der Stadtbewohner trainiert unter freiem Himmel und zelebriert damit seinen Willen zur Leistung.
Auch der öffentliche Raum kann viele Funktionen haben, so wird das Rheinbad zum Yogaspot. (Bild: Nils Fisch)
Jogger? Aber sicher. Yogagruppen? Okay. Bodenturnen? Na klar.
Ein abendlicher Spaziergang durch den Kannenfeldpark lässt Erinnerungen an den Sporttag aufkommen, bei dem die Schüler das Sportangebot durchprobierten. Auf dem Rasen, zwischen Gebüschen und unter Bäumen stehen, liegen und schwitzen Sportler vor sich hin. Der Park ist längst nicht mehr nur Spiel- und Plauderwiese für Kinder und Mamitreffs. Auch ältere Stadtbewohner leben in der Grünanlage zunehmend ihren Bewegungstrieb aus. Die Joggingroute entlang der Fusswege ist von unzähligen Laufschuhsohlen in den Rasen gestampft.
Die Lust an der Bewegung im Freien ist in Basel gross. Längst wird nicht mehr nur im Kannenfeldpark Sport getrieben. Auch im Schützenmattpark breiten regelmässig mehrere Gruppen ihre Yogamatten aus. Und dass es bei den Outdoor-Fitnessgeräten neben der Dreirosenbrücke imposante Muskelpakete zu bestaunen gibt, hat sich auch herumgesprochen.
Weshalb zieht es uns zum Sport nach draussen? Warum wird der Park von der grünen Lunge zur Sportarena, von der Lounge zum Werkplatz der Arbeit am eigenen Körper?
Sich spüren beim Outdoor Yoga
Wer draussen Yoga übt, demonstriert damit sein Körperbewusstsein. Das ist Zeitgeist auf den Punkt gebracht. (Bild: Nils Fisch)
7 Uhr am Morgen ist früh. Dennoch haben sich mehr als 30 Leute eingefunden, um den Tag mit einer Yogalektion im Rheinbad Breite zu beginnen. Auf der hölzernen Plattform über dem Wasser, unter freiem Himmel, ein laues Morgenlüftchen und die aufgehende Sonne im Gesicht.
Eine Joggerin hält inne, als sie die wartenden Menschen mit den Matten unter dem Arm sieht. «Gibt es hier eine Yogaklasse?», fragt sie. «Ja. Im Sommer jeden Dienstag», antwortet jemand. «Cool, da komme ich nächstes Mal auch», sagt die Läuferin und setzt ihre Runde fort.
Yogatrainer Markus Latscha vom Spirit-Studio auf dem Gundeldingerfeld führt die Gruppe mit fester Stimme durch das dreiviertelstündige Programm. Da und dort legt er Hand an, um eine Position zu korrigieren. Er spricht von Achtsamkeit und Absicht, von einem befreienden Gefühl, welches die Übungen in uns hervorrufen sollen. Gestartet hat er die Morgenlektion am Rhein erst im vergangenen Juni. Zu Beginn kamen fünf bis sechs Leute, inzwischen hat es sich herumgesprochen. Die minzgrünen Matten sind knapp geworden.
Bewegung, Körperbewusstsein und die Disziplin dahinter sind heute Statussymbole. Stählerne Muskeln lassen auf einen starken Willen schliessen, auf die Bereitschaft für ein höheres Ziel Opfer zu bringen. Wer sich öffentlich trimmt, sagt: Seht her, ich arbeite an mir. Das gilt für die muskelbepackten Sportler von der Dreirosenbrücke ebenso wie für die Yogafans auf der Suche nach ihrem Körpergefühl. Es gilt auch für die Bodenturner vom Kannenfeldpark und die Läufergruppe am Rheinufer.
Der Workout auf der Strasse wird zum sozialen Ereignis. (Bild: Nils Fisch)
Die öffentlich praktizierte Sportlichkeit macht aber noch eine zweite Aussage: Wer trainiert, tut dies dort, wo er sich wohl fühlt. Wenn die städtischen Parkanlagen und Strassen derart genutzt werden, heisst das auch, dass sich die Stadtbewohner den öffentliche Raum weiter erschliessen. Nachdem Rheinufer, Wiesen im Park und Plätze in der Innenstadt bereits zum Wohnzimmer für alle wurden, werden sie jetzt noch zur allgemein zugänglichen Sportanlage.
An das Bild geselliger Gruppen auf Picknick-Decken im Park haben wir uns gewöhnt. Der Anblick von mehr oder weniger beweglichen Körpern auf Gummimatten mit Wasserflaschen und die sanfte Stimme des Yogalehrers gehören wohl bald dazu.
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