Die Ökosteuer – ein Papiertiger

Bundesrätin Widmer-Schlumpf fordert eine ökologische Steuerreform. Das Gleiche schlug schon ihr Vater vor. Die Ökosteuer ist ein politischer Dauerbrenner. In der Theorie stösst sie auf Sympathie, in der Praxis auf Widerstand. Warum? Eine Analyse.

Einen Benzinpreis von 5 Franken will keiner berappen – trotzdem könnte das unter Widmer-Schlumpfs ökologischer Steuerreform eines Tages passieren. Allerdings nicht vor 2050. (Bild: Keystone)

Bundesrätin Widmer-Schlumpf fordert eine ökologische Steuerreform. Das Gleiche schlug schon ihr Vater vor. Die Ökosteuer ist ein politischer Dauerbrenner. In der Theorie stösst sie auf Sympathie, in der Praxis auf Widerstand. Warum? Eine Analyse.

Kurz nach der Atomkatastrophe in Japan schlug Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf eine ökologische Steuerreform vor, um die Energiewende zu erleichtern. Darauf beschloss der Bundesrat, diese Reform «vertieft zu prüfen», aber nicht vor 2020 einzuführen. Am Mittwoch, so berichtete die «Sonntagszeitung», werde Widmer-Schlumpf ihr Konzept dem Bundesrat vorlegen.

Ökologische Steuerreformen basieren auf einer Lenkungsabgabe und haben in der Schweiz Tradition. Sogar Familientradition: Nach dem Atomgau 1986 in Tschernobyl beantragte der damalige Energieminister Leon Schlumpf, der Vater von Eveline, eine Lenkungsabgabe im Energieartikel zu verankern. Doch Wirtschaft und Rechtsparteien bekämpften Schlumpfs Vorschlag. Darauf unterbreitete der entmutigte Bundesrat dem Parlament den Energieartikel ohne Abgabe.

Marktkonforme Ökosteuern scheitern

Auch Leon Schlumpf war nicht der erste. Schon in den 1970er-Jahren schlugen Ökonomen und liberale Politiker Lenkungsabgaben vor mit dem Ziel, die Kosten des Naturverbrauchs ins wirtschaftliche Preissystem zu integrieren. Lenkungsabgaben gelten als marktkonformes Mittel zum Schutz der Umwelt, sofern sie die Fiskalquote nicht erhöhen. Darum muss der Ertrag der Abgabe in die Volkswirtschaft zurückfliessen, also an die Bevölkerung und Wirtschaft zurückverteilt werden oder andere Steuern ersetzen. Die Ökosteuer folgt damit einem einfachen Prinzip: Wer Energie verschwendet und so die Umwelt belastet, wird finanziell bestraft – wer die Umwelt schont, wird belohnt.

Im Grundsatz unterstützten auch bürgerliche Parteien solche Ökosteuern. «Nach dem Verursacherprinzip ist die Beanspruchung knapper Umweltgüter durch Abgaben zu dämpfen», schrieb etwa die FDP 1987 in ihr «Manifest für Umweltschutz». In der Praxis aber bekämpfte die politische Mehrheit alle konkreten Vorlagen: Darum scheiterten Öko-Steuern auf Energie ebenso wie der «Öko-Bonus» im Verkehr.

Verpönte Förderabgaben gelingen

Die Ökosteuer unterscheidet sich von Finanzierungs- oder Förderabgaben. Denn deren Ertrag verwendet der Staat, um Subventionen zu finanzieren. Grundsätzlich sind Förderabgaben bei Ökonomen und liberalen Parteien verpönt, weil sie den Markt verzerren und die Fiskalquote erhöhen. In der Praxis aber liessen sich Förderabgaben leichter durchsetzen. Beispiele: Der Bund konnte die Abgaben auf Benzin und Dieseltreibstoff widerstandslos erhöhen, um den Ausbau von Strassen und Bahnen zu finanzieren. Er nutzt einen wachsenden Teil der CO2-Abgabe auf Brennstoffen, um energetische Gebäudesanierungen zu subventionieren. Zudem führte er eine Förderabgabe auf konventioneller Elektrizität ein und subventioniert mit dem Ertrag den Strom aus Alternativanlagen mit einer kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV). 

Für diese Diskrepanz zwischen Prinzipen und Praxis gibt es mehrere Gründe. Der Naheliegendste: Um wirksam zu lenken, muss eine Ökosteuer viel höher sein als eine Förderabgabe. Das weckt Widerstand nicht nur bei Energieverkäufern und energieintensiven  Branchen, sondern auch bei Leuten am Stammtisch. Die Schlagzeile «Benzinpreis steigt auf fünf Franken» verbreitet Schrecken, auch wenn man im Kleingedruckten erfährt, dass dieser Betrag erst 2050 erreicht werden soll, und dass diejenigen, die weniger Benzin verbrauchen als der Durchschnitt, durch Rückverteilung oder Senkung von andern Steuern profitieren.

Produktivität contra Umsatz 

Lenkungsabgaben steigern die Produktivität des Energie- und Rohstoffeinsatzes und fördern darüber hinaus energiesparendes Verhalten. Das ist ökologisch und ökonomisch erwünscht. Doch die steigende Produktivität vermindert den Umsatz, den die Wirtschaft mit energie- und rohstoffintensiven Produkten erzielt. Das weckt den Widerstand der Wirtschaftsverbände und ihren Interessenvertretern in Regierungen und Parlamenten. Auf der andern Seite fehlt eine starke Lobby, die sich für die reine Marktlehre einsetzt.  
 
Die – grundsätzlich verpönten – Förderabgaben hingegen subventionieren einzelne Branchen direkt, etwa die Bauwirtschaft oder die Produzenten von Alternativenergie. Darum werden sie von interessierten Lobbies oder parteiübergreifenden Allianzen aus Gewerbe und Umweltverbänden unterstützt. Förderabgaben begünstigen zusätzliches Tun und damit den Umsatz der Wirtschaft, ohne Bestehendes wie etwa den Weiterbetrieb von ineffizienten Gebäuden oder Anlagen zu verhindern. Subventionen sind zwar weniger produktiv als marktkonforme Instrumente, weil sie Mitnahmeeffekte und bürokratischen Leerlauf verursachen. Doch auch Leerlauf steigert den Umsatz der Volkswirtschaft.
 
Im Konflikt zwischen Produktivität und Umsatz, zwischen marktkonformer Ökologie und subventioniertem Wirtschaftswachstum, hatten Umsatz und Wachstum in der real existierenden Politik stets Vorrang. Deshalb blieb die grundsätzlich als richtig befundene Öko-Steuer ein Papiertiger – und wird es wohl bleiben.

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