Die Seide kehrt ins Baselbiet zurück

Seide machte den Bauernkanton Baselland einst zum Industriestandort. Nun kehrt sie zurück. Aber nicht in Form von Bändern und Webstühlen, sondern von Raupenzuchten.

Kokons in Häfelfingen: Jeder besteht aus einem einzigen und bis zu drei Kilometer langen Seidenfaden.

(Bild: Lucas Huber)

Seide machte den Bauernkanton Baselland einst zum Industriestandort. Nun kehrt sie zurück. Aber nicht in Form von Bändern und Webstühlen, sondern von Raupenzuchten.

Katharina Bitterli ist der Stolz anzusehen, wenn sie ihren alten Pferdestall öffnet, an der Hauptstrasse in Häfelfingen. Wo die Ahnen ihres Mannes Alfred einst die Pferde stallten, entsteht derzeit ein Ausstellungsraum.

Noch ist der ehemalige Stall eine Baustelle, ein Elektriker verlegt gerade die letzten Leitungen. Doch Bilder hängen bereits. Bilder von Schmetterlingen und Raupen, die auf Latein den Namen bombyx mori tragen, auf Deutsch: Seidenspinner. Demnächst kommen Terrarien hinzu, Kokons, verschiedene Grafiken und natürlich: Seide. Und die neue Homepage, seidenraupen.ch, ist auch schon aufgeschaltet.

Grosse Pläne

Katharina Bitterli wird hier in Häfelfingen ab Juni Interessierten das Handwerk der Seidenproduktion zeigen. Erste Führungen sind bereits ausgebucht. Im Juni erhält die Landwirtin auch ihre erste Eier-Lieferung von der Seidenraupenforschungsanstalt in Padua, Italien. Mit 500 Stück wird sie starten. Dies, nachdem sie in den vergangenen zwei Jahren bereits Erfahrung mit kleinen Testaufzuchten gesammelt hat.

«Ich will die Tiere kennenlernen, mich nach und nach einarbeiten», sagt Bitterli. Bislang züchtete sie nämlich Schafe und daneben hat sie ihre Hirtenhunde zu erfolgreichen Trüffelschnüffler ausgebildet. Die Raupen, die sie vor allem in den Sommermonaten beschäftigen werden, ergänzen ihren Arbeitsablauf optimal.

Bitterlis Ziel sind drei Aufzuchten à 20’000 Tiere pro Sommer. Die Zucht ist lediglich in den Sommermonaten möglich. Dann, wenn die Maulbeerbäume ihr Blattkleid tragen, die einzige Speise der Seidenspinner. Daher auch ihr Zweitname: Maulbeerspinner. 

Schweizer Seide ist ein gefragtes Produkt. Landwirtin Katharina Bitterli bringt sie zurück ins Baselbiet.

Schweizer Seide ist ein gefragtes Produkt. Landwirtin Katharina Bitterli bringt sie zurück ins Baselbiet. (Bild: Lucas Huber)

20’000 Eier wiegen gerade mal zehn Gramm. Sind die Raupen geschlüpft, dauert es rund 30 Tage, bis sie sich verpuppen. Bis dahin fressen sie gemeinsam 500 bis 600 Kilogramm Blattwerk, woraus schliesslich 8 Kilogramm Rohseide beziehungsweise 6 Kilo fertige Seide entstehen. Jeder Kokon besteht aus einem einzigen Seidenfaden, der bis zu drei Kilometer misst.

Zugang zur eigentlichen Zucht im Keller kann Katharina Bitterli ihren Besuchern nicht gewähren. Zu anfällig sind die Tiere auf eingeschleppte Krankheiten und Insektizid-Rückstände auf Kleidung und Haaren. Darum muss Bitterli mit der ersten Zucht auch warten, bis die Landwirte aus der Umgebung ihre Kirschbäume und Kartoffeläcker zum letzten Mal gespritzt haben.

Krankheiten hatten einst fast zur Ausrottung der Seidenproduktion in Europa geführt. Und nicht nur in Italien und Frankreich, sondern auch im Baselland wurde Seide im grossen Massstab produziert. Man schätzt, dass im Kanton rund 20’000 Maulbeerbäume standen. Die 100 Bäume, die Bitterli gepflanzt hat, stammen von den letzten Überlebenden dieser Bäume ab. 50 weitere Bäume hat sie bereits bestellt, weitere Stecklinge zieht sie selbst.

Grosse Nachfrage

Bitterli ist zuversichtlich, dass das Experiment Baselbieter Seide gelingen wird. Die Nachfrage nach Schweizer Seide ist gross, das Angebot der lediglich fünf Schweizer Produzenten kann die Nachfrage nicht annähernd decken.

Die Vereinigung Schweizer Seidenproduzenten kauft ihren Mitgliedern die Kokons ab und vermarktet die Produkte. Gründer und Präsident dieser Vereinigung ist Ueli Ramseier. Er wird als Referent dabei sein, wenn es am Dienstagabend in der Feierabendreihe «Museumsbar» des Museum.BL um die Rückkehr der Seidenproduktion in die Schweiz geht. Vor allem ist Ramseier aber der Antreiber der hiesigen Seiden-Branche. Die Seide einer jeden Schweizer Raupe wird an seiner direkt aus Japan importierten Maschine abgehaspelt. Gewoben wird später in der Nähe von Como, Italien, bedruckt im Glarus, konfektioniert im Aargau. Die Produkte gibt es in einer Hoflinie im Online-Shop der Swiss Silk.

15 Kilo Rohseide produzierte die Vereinigung Schweizer Seidenproduzenten im vergangenen Jahr. 25 Kilo sollen es im laufenden Jahr werden. Zum Vergleich: 2013 waren es noch fünf Kilo. Um wirtschaftlich nachhaltig zu sein, braucht es mindestens 100 Kilogramm jährlich. «Das wollen wir erreichen», sagt Ramseier, «und ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.»

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«Direkt vom Bauernhof: Seide made in Switzerland» – Veranstaltung in der «Museumsbar», 5. April 2016, 17.30 Uhr im Museum.BL, Liestal.

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