Die Stunde der Prepper: IT-Milliardäre rüsten sich für den Weltuntergang

Klimawandel, Kriege, Katastrophen – die Bewegung der Prepper baut Bunker, hortet Vorräte und erwartet den baldigen Untergang der Zivilisation. Sogar unter den Milliardären im Silicon Valley herrscht Endzeitstimmung.

Kluger Rat, Notvorrat: Wer überleben will, muss vorsorgen.

Klimawandel, Kriege, Katastrophen – die Bewegung der Prepper baut Bunker, hortet Vorräte und erwartet den baldigen Untergang der Zivilisation. Sogar unter den Milliardären im Silicon Valley herrscht Endzeitstimmung.

Glaubt man der Fachzeitschrift «The Bulletin of the Atomic Scientists», ist die Welt der Selbstzerstörung einen Schritt näher gerückt. Wenige Tage nach dem Amtsantritt von Donald Trump stellten die Atomwissenschaftler die symbolische «Weltuntergangsuhr» (Doomsday Clock), die anzeigt, wie nahe die Menschheit der Zerstörung des Planeten gekommen ist, um 30 Sekunden vor – sie steht nur auf zweieinhalb Minuten vor zwölf.

Der Menschheit könnte also bald die Stunde schlagen. Gründe dafür geben die Wissenschaftler gleich mehrere an: «Den Anstieg eines schrillen Nationalismus weltweit, die Äusserungen von Präsident Trump zu Atomwaffen und zum Klimawandel, eine verschlechterte weltweite Sicherheitslandschaft und eine zunehmende Missachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse». Säbelrasseln in Korea, Eskalation in Syrien – nicht nur in der Fiktion, auch in der Realität macht sich eine düster grundierte Endzeitstimmung bereit. Populisten beschwören den Untergang des Abendlands, entwerfen Drohszenarien, die an Pessimismus kaum zu überbieten sind.

Die Bewegung der «Prepper» (abgeleitet von to be prepared, vorbereitet sein) rüstet sich für den Ernstfall – mit Notrationen und Spezialausrüstung. Auf einschlägigen Internetportalen wie Preppers Point oder Paranoid Prepper kann man sich mit allem eindecken, was es zum Überleben braucht: Atemschutzfilter, Gasmasken, Sauerstoffabsorber, Kernseife, Milchpulvermüsli, Buschmesser, Fässer zum Einlagern von Lebensmitteln. 

Sicherheit vermitteln und Angst nehmen

Wenn man sich die Webseiten und Kommentare in den Foren ansieht, könnte man meinen, die Welt stünde kurz vor der Apokalypse. Auf der Seite Preppers Point werden alle möglichen Untergangsszenarien beschrieben: Hungerkrise, Epidemie, Chemieunfall, Naturkatastrophe, Krieg.

Wie ist das Phänomen zu erklären? Woher rührt diese Angst vor dem Untergang?

Steve Huffman, Gründer der Diskussionsplattform Reddit, sagte dem Magazin «New Yorker»: «Ich habe eine Reihe von Gewehren und Ammoniak. Ich habe herausgefunden, dass ich mich damit für eine gewisse Zeit in meinem Haus verkriechen kann.»

Abschottung hat unter Milliardären eine gewisse Tradition. Superreiche verschanzen sich in Gated Communities hinter Panzerglas, Stacheldraht und hohen Mauern. Doch die Verbarrikadierung gründet nicht in einer Angst vor physischer Gewalt, sondern in einer Sorge vor systemischen Risiken. Huffman sagte, er fürchte sich mehr vor einem «temporären Kollaps der Regierung und der Strukturen» als vor einer Pandemie oder einer schmutzigen Bombe.

Paranoide Technik-Jünger?

Auch Antonio García Martínez, ehemaliger Produktmanager bei Facebook, treibt den Rückzug voran. Im vergangenen Jahr kaufte er zwei Hektar Land auf einer Insel im Nordpazifik und brachte Notstromaggregate, Solarzellen und Munition mit auf das Eiland. «Wenn die Gesellschaft den gesunden Gründungsmythos verliert, versinkt sie im Chaos», sagte er dem «New Yorker».

Der Autor des Buchs «Chaos Monkeys» wollte einen Zufluchtsort, der weit weg von Grossstädten, aber nicht gänzlich isoliert ist. «All die Leute denken, dass man dem meuternden Mob irgendwie trotzen könnte», sagt er. Dabei sei Organisation wichtiger als Abgeschiedenheit. «Man muss eine lokale Miliz formen. Man braucht so viele Dinge, um die Apokalypse zu überstehen.»

Ausgerechnet jene Technik-Jünger, die jedes Jahr beim «Burning Man»-Festival ihre post-apokalyptischen Cyberpunk-Fantasien ausleben, werden nun zu ängstlichen Kleinbürgern.

Es ist schon seltsam: Ausgerechnet jene Technik-Jünger, die jedes Jahr beim «Burning Man»-Festival im Wüsten-Nirvana von Nevada ihre post-apokalyptischen Cyberpunk-Fantasien ausleben und Gesellschaftsutopien für die Welt von morgen entwerfen, werden nun zu ängstlichen Kleinbürgern, die Survival-Kits kaufen und nach Bunkern Ausschau halten.




Wer ein richtiger Prepper sein will, kann seine Festung notfalls auch verteidigen.

Ist das nur Eskapismus? Oder wohl begründete Zukunftsangst? Wenn die Tech-Entrepreneure eine Zukunftsangst plagt, ist ihr Fortschrittsfuror entweder nicht glaubhaft oder blosse Rhetorik.

Vielleicht herrscht die diffuse Angst, dass das Experiment der künstlichen Intelligenz (KI) aus dem Ruder laufen könnte und sich das Geschöpf gegen seine Schöpfer richtet. Googles Ingenieure tüfteln bereits an einem Aus-Knopf für ausser Kontrolle geratene KI-Systeme.

Der Bunker-Markt boomt

Man muss freilich kein Internetmilliardär sein, um sich für den Weltuntergang zu wappnen – Zufluchtsorte gibt es auch für den kleinen Geldbeutel. «Time Money» listete kürzlich eine Reihe ungenutzter Bunker auf, die irgendwann im Kalten Krieg gebaut und mittlerweile von der US Army verlassen wurden. In South Dakota kann man beispielsweise einen mit Stahlbeton armierten Bunker für 25’000 Dollar 99 Jahre lang pachten. Das sind rund 250 Dollar Jahrespacht, günstiger als ein Schrebergarten. Vielleicht ist das neue Kleinbürgeridyll der Bunker und nicht die Parzelle in der Gartenkolonie.

Die Komfortvariante, den 170 Quadratmeter grossen Bunker aus Backstein südwestlich von St. Louis, kann man für 399’000 Dollar erstehen. Extras wie Holzmöbel sind gegen Aufpreis erhältlich. Wenigstens die letzten Tage vor dem Weltuntergang sollen gemütlich sein. Die Bunker werden angeboten, als handle es sich um gewöhnliche Immobilien. Auch auf Ebay werden alte Funkstationen und Untergrund-Rechenzentren zum Verkauf angeboten.

In Grossbritannien stehen einige Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg zum Verkauf, etwa der Kingsway Exchange in London. Und auch die Schweizer Armee stösst immer wieder Immobilien ab. Bunker sind derzeit allerdings keine im Angebot.

Die «ultimative Männerhöhle»

Der Architekturkritiker der «Financial Times», Edwin Heathcote, bezeichnete die Bauten als «Armageddon-Architektur» und sieht in dem Bunker-Boom eine alte «Schuljungen-Vorstellung». In der Wildnis zu campen und wahre Manneskraft zu beweisen entspringe einer genuinen Männerfantasie. Der Bunker sei daher die «ultimative Männerhöhle».

In einer Welt, in der der «Austeritäts-Chic» des «Keep Calm and Carry On» (ruhig bleiben und weitermachen) mit existenziellen Spannungen kollidiere, seien Bunker wieder in Mode. Dass sich Berufsoptimisten aus dem Silicon Valley auf den Überlebenskampf vorbereiten, sei gar nicht so überraschend, weil das Internet zu Anfangszeiten eine Militärtechnologie war und der Rückzug in militärische Festungsanlagen gewissermassen eine Rückkehr zu den Ursprüngen markiere, so Heathcote.

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