«Die Uhr diszipliniert mich»

Wenn Thomas Lauber rennt, will er die Natur erleben und neue Wege erkunden. Zur Erkundung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit verlässt er sich aber auf moderne Technik.

In der Mittagspause schlüpft Thomas Lauber in die Laufschuhe.

(Bild: Nils Fisch)

Wenn Thomas Lauber rennt, will er die Natur erleben und neue Wege erkunden. Zur Erkundung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit verlässt er sich aber auf moderne Technik.

Thomas Lauber (39) steht auf dem Parkplatz der Basellandschaftlichen Kantonalbank in Liestal und dehnt sich. Vor seinem Arbeitsort verschränkt er die Arme hinter dem Rücken und beugt sich vornüber. Sein rotes Funktionsshirt spannt sich über dem drahtigen Körper, die kurzen Hosen offenbaren die muskulösen Beine, die Laufschuhe sind säuberlich geschnürt. An seinem rechten Handgelenk trägt er eine Uhr mit Digitalanzeige. 

Er ist bereit. Bereit für eine weitere Entdeckungstour. Seit sechs Jahren streift er durch die Wälder und kennt fast jeden Winkel zwischen Pratteln und Sissach. Das Erkunden neuer Wege ist für ihn die Essenz des Laufens. «Bevor ich losrenne, habe ich ein grobes Bild», sagt Lauber. Dann entscheidet er aber oft spontan, welchen Weg er einschlägt. 

«Jedes Mal die gleiche Runde laufen, das könnte ich nicht», erklärt Lauber. Er sucht die Abwechslung und will die Natur erleben: «Rennen mit Musik wäre für mich unmöglich», sagt der Baselbieter. «Musik ist wie ein Stöpsel für die Gedankenprozesse.» Denn die kreativsten Ideen kommen ihm auf dem Klo oder eben beim Laufen. In der Mittagspause schnürt er die Laufschuhe. «Nach einem Sitzungsmarathon baut das Laufen den Stress ab.» Der Kopf werde dann wieder frei. 

Lauber trainiert für seinen ersten Marathon: «Ich habe mich gefragt, macht mein Körper das überhaupt mit?» 

Unter der Woche zieht er zweimal los, rennt dann eine Stunde lang an Feldern vorbei und durch Wälder. Seit Anfang Jahr hat er so 900 Kilometer zurückgelegt. Bis im Oktober sollen es 1400 Kilometer werden, denn Lauber bereitet sich intensiv auf seinen ersten Marathon vor. Im Oktober startet er in Köln. «Ich habe mich gefragt, macht mein Körper das überhaupt mit?» 

Auf den Marathon bereitet er sich mit einem Trainingsplan aus dem Internet vor. «Man rennt immer weitere Strecken, aber nie die volle Distanz», sagt der Banker. Jetzt stehen die langen Läufe an. An den Wochenenden läuft er jeweils 27 Kilometer und ist dafür zweieinhalb Stunden unterwegs. Das frisst viel Zeit. «Es ist nicht immer einfach, das Training mit der Familie und dem Beruf zu vereinbaren», sagt der 39-Jährige.

Spätberufener Jogger

Für die Vorbereitung auf den Marathon hat er sich eine Sportuhr zugelegt. Die Uhr registriert alles: Herzfrequenz, GPS-Daten, tägliche Aktivität, Erholungsbedarf. Früher hatte er immer das Smartphone in einer Oberarmtasche dabei. Das sei zu mühsam gewesen. «Die Uhr diszipliniert mich», sagt Lauber. Denn dank der Uhr weiss er, wie es um ihn steht. «Die Uhr zeigt mir, ob sich mein Körper in einer Verfassung befindet, die gut ist für ein Training.» Zu ehrgeiziges Training sei gerade bei Amateuren gefährlich. Er selbst bezeichnet sich als «engagierten Hobbyläufer». Dabei ist es noch nicht lange her, dass Lauber das Laufen für sich entdeckt hat.



Die Uhr weiss, wie stark Laubers Körper belastet ist.

Die Uhr weiss, wie stark Laubers Körper belastet ist. (Bild: Nils Fisch)

Als Jugendlicher war er Schwimmer. Sechsmal in der Woche hat er trainiert, bis ihm das kühle Nass verleidete. Erst mit 31 Jahren hat er das Joggen entdeckt. Mit seiner damaligen Freundin rannte er damals eine kleine Runde der Birs entlang. «An den Muskelkater danach erinnere ich mich immer noch», lacht Lauber. Am nächsten Tag ging er an einen Match des FCB und schaffte es kaum, die Treppe zum Joggeli hochzusteigen. 

Der Traum von New York

Danach folgte eine Teilnahme am Birslauf, dann machte er am Grand Prix (GP) von Bern mit. «Dort hat mich das Fieber gepackt.» Es sei diese Volksfeststimmung, die den GP auszeichne: «Alle verfolgen das gleiche Ziel.» Mit jedem Lauf merke man, dass man besser werde. «Wenn man im Ziel ankommt und weiss, das war eine richtig gute Leistung», sagt er, «dann ist das ein enormes Glücksgefühl.» 

Ein Marathon ist die Steigerung davon. Sein Schwiegervater, der mehrmals den New-York-City-Marathon gelaufen ist, hat ihn auf die Idee gebracht. Doch es sei unglaublich schwierig, in New York einen Startplatz zu bekommen. «Ich dachte mir, eigentlich bist du ja blöd», sagt Lauber, «wenn du gleich mit dem aufregendsten Marathon anfangen willst.» Dann gebe es gar keine Steigerung mehr.



Der Marathon naht. Die Läufe werden jetzt immer länger, am Wochenende rennt Lauber jeweils 27 Kilometer.

Der Marathon naht. Die Läufe werden jetzt immer länger, am Wochenende rennt Lauber jeweils 27 Kilometer. (Bild: Nils Fisch)

Für Lauber ist klar, irgendwann will er einen der ganz grossen Marathons rennen. Den Basler Marathon hingegen würde er – bei aller Liebe zur Stadt – nie machen. «Da ist kein Schwein an der Strecke, man rennt zweimal einen Halbmarathon und es sind wenig Läufer.» Da wartet Thomas Lauber doch lieber auf einen Startplatz in New York. Die Uhr wird ihm sagen, wann er so weit ist.

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