Die unendliche Tragödie um die Deponie Feldreben

Die Altmüll-Deponie Feldreben in Muttenz gibt auch 2015 zu reden. Ohne Rechtssicherheit kann das Hochbauamt Baselland nicht mit den Sanierungsarbeiten beginnen. Beschreitet Muttenz den Rechtsweg, drohen jahrelange Verzögerungen.

Sanieren oder nicht sanieren – das ist nicht die Frage. Wohl aber wie und bis wann. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die Altmüll-Deponie Feldreben in Muttenz gibt auch 2015 zu reden. Ohne Rechtssicherheit kann das Hochbauamt Baselland nicht mit den Sanierungsarbeiten beginnen. Beschreitet Muttenz den Rechtsweg, drohen jahrelange Verzögerungen.

Würde das Baselbieter Hochbauamt das Unwort des Jahres 2014 wählen, es hiesse wohl «Feldreben» – spätestens seit dem nachdrücklichen Nein der Muttenzer Gemeindeversammlung zur Teilsanierung Ende Oktober. Seither verbirgt sich hinter dem so unscheinbaren Flurnamen eine der unleidlichsten Geschichten des vergangenen Jahres. Und es ist nicht auszuschliessen, dass die Altmüll-Deponie auf Muttenzer Boden auch das neue Jahr überschatten wird.

Hauptakteure in dieser Tragödie aus unzähligen Akten und noch mehr Unterbrechungen sind der Kanton Basel-Landschaft, namentlich das Hochbauamt als Grundeigentümer eines beträchtlichen Teils der Feldreben, die Chemieunternehmen BASF, Novartis und Syngenta und die aufmüpfige Gemeinde Muttenz. Als pikantes Detail kommt hinzu, dass der Kanton die 32’000 Quadratmeter in seinem Besitz erst 2010 unter der Auflage erwarb, zu Sanierungsbeiträgen verpflichtet werden zu können.

Tonnenweise Chemieabfall

Bis 1967 wurde die einstige Kiesgrube als Deponie genutzt, hauptsächlich entsorgten Stadtbasler und Baselbieter hier Aushub, Bauschutt, Hauskehricht. Zwischen 1940 und 1957 beseitigte auch besagte chemische Industrie Material. Die IG Feldreben, die sich für eine Totalsanierung starkmacht und massgeblichen Anteil am Abstimmungsresultat im Oktober hatte, spricht von bis zu 25’000 Tonnen Chemieabfällen.

Nach 1967 wurde das knapp 50’000 Quadratmeter messende Areal überbaut. 4000 verschiedene Substanzen wurden bei den 2001 eingeleiteten Untersuchungen nachgewiesen, einige sind giftig, rund 150 werden konstant überwacht, neun von ihnen überschreiten die massgebenden Grenzwerte. Diese Substanzen sollen entsorgt werden, auch wenn laut Behörden unter den gegebenen Umständen weder für Anwohner noch das nahe Grundwasser eine Gefahr besteht.

Millionen an Steuergeldern wurden verlocht. Saniert wurde noch kein einziger Kubikzentimeter.

Das Ziel ist, in 50 Jahren sanierten Boden unter den Füssen zu haben. Geschätzte 80 Prozent der Schadstoffe wurden bereits durch Regenwasser in den darunter liegenden Fels gewaschen. In welchem Umfang soll also saniert werden? Das Baselbieter Amt für Umwelt und Energie AUE bearbeitet die Causa Feldreben seit 1999, Millionen an Steuergeldern wurden seither verlocht. Saniert wurde noch kein einziger Kubikzentimeter. Und immerhin stehen 500’000 Kubikmeter zur Disposition.

Die Pläne, die das Konsortium um Projektleitung, Kanton, Chemie und Gemeinde in mühevoller Arbeit über Jahre ausgearbeitet hatte, gingen den Muttenzer Stimmbürgern nicht weit genug. Sie wollen keine Teil-, sondern eine Vollsanierung; diese wollen sie nicht innerhalb von 50, sondern von 25 Jahren; und sie sind mit der Kostenbeteiligung der Gemeinde von 1 Million Franken (an prognostizierten Gesamtkosten von 176 Millionen Franken) nicht einverstanden. All das führt zum Nein bei der Gemeindeversammlung im Oktober.

Rechtsweg statt Kompromiss

Dies, obwohl der Gemeinderat darlegte, dass als Konsequenz ein sehr viel schlechteres Ergebnis für die Gemeinde resultieren könnte. «Der Gemeinderat ist der Meinung, dass der Kompromiss nahe am Maximum dessen lag, was die Gemeinde punkto Kosten und Qualität erreichen konnte. Nun müssen wir mit einer höheren Beteiligung bei geringerer Qualität rechnen», gibt Gemeinderat Thomi Jourdan zu bedenken.

Als Resultat des Abstimmungsergebnisses hat sich das Konsortium Sanierung Feldreben, das die sogenannte Kooperationsvereinbarung II ausgearbeitet hatte, Mitte Dezember aufgelöst, sämtliche Aktivitäten sind eingestellt. Damit liegt der Ball nun wieder beim Hochbauamt. Von ihm wird auch der nächste Schachzug kommen: die Sanierungs- und Kostenverfügung für die Gemeinde Muttenz.

Weil der Gemeinderat das Nein zur Kooperationsvereinbarung als Auftrag auffasste, die Verfügungen anzufechten, läuft das Ganze auf ein Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang hinaus. Im nächstjährigen Muttenzer Budget figurieren jedenfalls vorsorglich 50’000 Franken für Rechtsbeistände, mit Umweltanwälten steht die Gemeinde in Kontakt.

Keine Sanierung ohne Rechtssicherheit

«Natürlich hoffen wir, dass es nicht soweit kommt», sagt Thomas Jung, Leiter des Baselbieter Hochbauamts und als solcher Vertreter des Grundeigentümers, «aber nach derzeitigem Stand müssen wir leider davon ausgehen.» Schlägt Muttenz tatsächlich den Rechtsweg ein, könnte das Verfahren bis vors Bundesverwaltungsgericht gehen und die Sanierung um vier bis fünf Jahre verzögern.

Das Hochbauamt führt die Gespräche mit den anderen Akteuren des Runden Tischs weiter. «Wir arbeiten an einem Konsens, nun halt ohne Muttenz an Bord. Ich bin zuversichtlich, dass wir ihn finden. Aber ohne Rechtssicherheit können wir nicht starten.» Darum wird sich zumindest der Aushub verzögern.

Anders sieht es möglicherweise für die vorgesehene Grundwasserbehandlung aus. So könnte eventuell nur der umstrittene Teilaushub Teil des Gerichtsverfahrens werden, während die Grundwasserreinigung ohne Verzögerungen umgesetzt würde. Dazu kann Thomas Jung allerdings noch nichts Genaues sagen.

Bis wann Sanierungs- und Kostenverfügung zu erwarten sind, ist unklar. Laut Jung ist nicht vor dem Frühsommer damit zu rechnen. Damit steht dem nächsten Akt in der Feldreben-Tragödie nichts im Weg.

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