Das interdisziplinäre Institute for Urban and Landscape Studies hat seinen Betrieb an der Universität Basel aufgenommen. Der Schwerpunkt der Forschung liegt auf der Gestaltung von Raum im globalen Süden. Eine anfänglich angestrebte Zusammenarbeit mit dem Basler ETH Studio kam allerdings nicht zustande.
Seit einigen Monaten macht ein bestechender Gedanke seine Runden im Internet: Eine treibende Ursache für den Krieg in Syrien sei eine mehrjährige Dürre in grossen Teilen des Landes gewesen. Auf der Suche nach neuen Lebensperspektiven zog es zahlreiche Menschen in die überfüllten Städte. Zusammen mit der repressiven Herrschaft des Präsidenten Assad – eine explosive Mischung.
Auf die kontroverse Diskussion, die wegen der Vereinfachung von Zusammenhängen folgte, soll hier nicht weiter eingegangen werden. Das Beispiel veranschaulicht aber die komplexen Zusammenhänge zwischen den Städten der Welt und ihrer unmittelbaren Umgebung sowie die wachsende Verstädterung in Teilen der Welt, beispielsweise in Namibia.
Um solche Fragen der Raumentwicklung in Afrika zu erforschen, hat am 1. Dezember 2015 ein neues Institut an der Universität Basel seinen Betrieb aufgenommen, das Institute for Urban and Landscape Studies. Die Leitung übernimmt Nikolaus Kuhn, Professor für Physiogeografie, der zum Missfallen einiger Berufskollegen offenbar Teil seiner eigenen Berufungskommission war. Vorgesehen ist eine Zusammenarbeit mit dem renommierten African Centre for Cities in Südafrika.
Im Gegensatz zu den klassischen Fakultäten der Universität mit ihren Instituten ist dieses neue Institut fakultätsübergreifend angelegt, was bedeutet, dass es interdisziplinäre Forschung betreibt und Masterstudiengänge anbietet. An der Universität Basel existieren neben dem Institute for Urban and Landscape Studies vier weitere solche Institute, darunter das unter Studierenden beliebte Europainstitut.
Auf der Suche nach Inhalten
Dementsprechend breit gefächert sind auch die Fragestellungen, denen man im neuen Institut nachgehen will. Es gebe tatsächlich eine verstärkte Tendenz zur Migration von Landbewohnern in die Städte, so Institutsleiter Kuhn: «Die Treiber des Urbanisierungsprozesses sind eher ökonomische Faktoren. Es wäre falsch, die Klimaauswirkungen in den Vordergrund zu stellen.» Kuhn sieht seine Arbeit am Institut im Aufbauprozess und in der Entwicklung von Angeboten für die künftigen Studierenden. Mögliche Forschungsfragen seien zum Beispiel die Untersuchung von Formen des nachhaltigen Städtebaus oder der Probleme bei der Versorgung von Städten aus der näheren Umgebung, so Kuhn.
Maarten Hoenen, der zuständige Vizerektor an der Universität Basel, bestätigt: «Wir sind zurzeit dabei, das Curriculum zusammenzustellen. Der Abschluss, den die Studierenden dereinst hier erhalten können, ist ein Master of Science in Urban and Landscape Studies.» Das Ziel sei es, ab dem Frühjahr 2017 Masterstudierende an der Schnittstelle zwischen den Umweltwissenschaften, der Architektur und gar Soziologie oder Anthropologie auszubilden, erklärt Kuhn weiter.
Mögliche Forschungsfragen könnten die Untersuchung von Formen des nachhaltigen Städtebaus oder der Probleme bei der Versorgung von Städten aus der näheren Umgebung sein.
Ein Beispiel für mögliche Fragestellungen: Die serbische Architektin Milica Topalovic, die am Montagabend ihre Antrittvorlesung an der ETH unter dem Titel «Architecture of Territory» hielt und jahrelang die Metropole Singapur mit ihrem Hinterland erforschte, fasst das Wesen der territorialen Planung folgendermassen zusammen: «Territoriale Planung dehnt die Grenzen der klassischen Architektur aus. Die Raumplanung muss sich mit Fragen befassen, die über die Grenzen der traditionellen Stadt hinausgehen und zwangsläufig politische Fragen berührt.»
Wie ist die Stadt mit ihrer unmittelbaren Umgebung verbunden? Wie werden die urbanen Zentren mit Wasser, Lebensmitteln, Arbeitskräften und Baumaterial versorgt? Städte seien komplexe Gebilde, die Menschen auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen vom Land in die urbanen Zentren ziehen.
HdM am Anfangskonzept beteiligt
Das Forschungsfeld des Instituts für Urban and Landscape Studies gehe aber über den rein architektonischen Aspekt der Stadtplanung hinaus, auch wenn die Architekten Herzog und de Meuron in der Anfangsphase massgeblich an der Diskussion des Konzepts beteiligt waren. «Die Planung für das Institut begann vor etwa drei Jahren. Die Idee hat sich inzwischen von einem anfänglich architekturlastigen Fokus zu einem viel breiteren Themenfeld entwickelt, das im weitesten Sinne die Gestaltung von Raum, mit Schwerpunkt in Afrika, aber auch der Schweiz erforscht», erklärt Kuhn.
Vom breiten Themenfeld, welches das Institut abzudecken versucht, zeugt die heterogene Gruppe der berufenen Professoren: Institutsleiter Nikolaus Kuhn (Physiogeografie und Umweltwandel), Kenny Cupers (Geschichte und Theorie von Architektur und Urbanisierung), Dominique Malaquais (Urbane Anthropologie) und Manuel Herz (Architekt und Assistenzprofessor für Architectural, Territorial and Urban Design). Für 2016 ist eine fünfte Professur aus Kapstadt vorgesehen.
Vier der fünf Professuren werden von der Universität Basel finanziert, darunter auch die Professur aus Kapstadt. Die fünfte Professur wird durch die Basler Lucius und Annemarie Burckhardt-Stiftung ermöglicht, welche die Assistenzprofessur von Manuel Herz für fünf Jahre möglich macht. Hoenen erklärt, dass die Mittel schon eingeplant gewesen seien, bevor der Kanton Baselland seine Sparmassnahmen androhte.
Parallelen zum ETH Studio Basel
Von wem stammte eigentlich die Idee, in Basel ein Institut für regionale Raumentwicklung aufzubauen? Die Parallelen zum ETH Studio Basel, einem stadtplanerischen Projekt der Architekten Roger Diener, Jacques Herzog, Pierre de Meuron und Marcel Meili, an dem auch Herz beteiligt war, sind unverkennbar. Gemäss verschiedenen Stimmen brachten sich Herzog und de Meuron – zumindest in der Anfangsphase – massgeblich in die Diskussion um das Konzept ein. Ob auch die ursprüngliche Idee aus dem Basler Architekturhaus stammt, lässt sich nicht bestätigen.
Das Büro möchte zum Institut keine Stellung nehmen und liess über seine Medienstelle verlauten, dass man nicht am Projekt beteiligt sei. Das vorsichtige Stillschweigen in Fachkreisen legt nahe, dass die Vorstellungen über die Gestaltung des Instituts im Verlauf der Planung auseinandergingen.
Die Basler Hochschullandschaft ist also in den Bereichen Stadtplanung und Architektur um eine Institution reicher geworden. Reto Pfenninger, der Leiter des Instituts Architektur der Fachhochschule Nordwestschweiz in Muttenz, begrüsst den Ausbau des Bildungsangebot. «Das Projekt ist uns schon seit einigen Jahren bekannt», sagt er. Allerdings tangiere die Arbeit des Instituts die Lehre klassischer Architektur an der FHNW kaum.