Die vergebliche Suche nach den Motiven für die Bluttat in der Breite

Ein psychisch kranker junger Mann bringt zwei Frauen um. Er ist nicht schuldfähig und wird nun stationär behandelt.

Stefan (Name geändert) hat im November 2014 im Wahn zwei Frauen umgebracht. Nun droht ihm eine stationäre psychiatrische Behandlung.

(Bild: Alfi Moor)

Ein psychisch kranker junger Mann bringt zwei Frauen um. Er ist nicht schuldfähig und wird nun stationär behandelt.

Manchmal fehlen einfach allen die Worte. Fehlt noch der geringste Erklärungsansatz, um ein schreckliches Ereignis einordnen zu können. Als am Montagmorgen am Basler Strafgericht über die Tötungsdelikte im Breite-Quartier vom letzten November gesprochen wird, fehlen die Worte.

Am zweiten Verhandlungstag wurde Stefan zu einer stationären, psychiatrischen Behandlung verurteilt. Wir haben mit dem Gerichtspräsidenten Dominik Kiener über das Urteil und die Tat gesprochen.

Sie fehlen dem Beschuldigten Stefan (Name geändert), einem 23 Jahre jungen Mann. Schwer gezeichnet, wohl von seiner Krankheit und von Medikamenten, von inneren Qualen und Selbstvorwürfen. Das Gesicht fahl. Die Bewegungen langsam, kraftlos und zäh, wie wenn ihn neben den Fussfesseln auch noch schwere Gewichte zu Boden drücken würden. Stefans Stimme ist leise, fast unhörbar und er muss vom Gerichtspräsidenten Dominik Kiener mehrfach dazu aufgefordert werden, lauter zu sprechen.

Fragen beantwortet Stefan einsilbig, teilweise in einem fragenden, beinahe ungläubigen Ton. Das Sprechen scheint ihn viel Kraft zu kosten. Er atmet schwer und vergräbt zwischendurch immer wieder das Gesicht in seinen Händen. Er windet sich auf seinem Stuhl.

Manchmal schüttelt der Richter kaum merklich den Kopf, konsterniert, bestürzt.

Stefan hat im letzten Herbst einen Mann beinahe und zwei Frauen mit einem Messer tatsächlich umgebracht. Der Tat ging eine längere Krankheits- und Leidensgeschichte voraus (eine ausführliche Zusammenfassung der Anklageschrift mit Vorgeschichte und Tatschilderung). Obwohl verschiedene Ärzte bei Stefan eine seltene und schwere Form der Schizophrenie diagnostiziert haben, blieb eine Behandlung dieser psychischen Erkrankung aus. Sowohl Stefan als auch seine Eltern verweigerten sich einer solchen «Psychiatrisierung». 2010 verlor der junge Mann seine Stelle bei der Jobfactory und verbrachte seine Zeit bis zur Tat vier Jahre später ohne jede Tagesstruktur kiffend in seinem Zimmer zu Hause.

Vor Gericht fallen Stefans Antworten vage aus. Oft sagt er: «Ich weiss es nicht.» Zum Beispiel auf die Fragen, weshalb er plötzlich gewalttätig wurde und warum gerade die beiden von ihm getöteten Frauen sterben mussten. Oder er benutzt Vokabular, das aus der Anklageschrift oder aus Therapiegesprächen zu stammen scheint. Etwa wenn er die «grausame Tat» mit «irrationalem Verhalten» erklärt oder von «feindseligen Personen» spricht.

«Ich litt unter Halluzinationen, die mir Angst gemacht haben. Stimmen sprachen zu mir. Sie sagten, dass ich in die Hölle komme, wenn ich nichts tun würde. Ich fühlte mich verfolgt. Ich fühlte mich unter Druck.»

Auch Gerichtspräsident Kiener spricht wenig. Er stellt knappe Fragen und hakt nach, belässt es jedoch dabei, wenn er sieht, dass von Stefan keine substanziellen Antworten zu erwarten sind. Manchmal schüttelt der Richter kaum merklich den Kopf, konsterniert, bestürzt. Es geht bei der Verhandlung nicht darum, einen Schuldigen zu finden. Stefan ist geständig. Es geht auch nicht darum, zu diskutieren, wie diese Tat hätte verhindert werden können.

Das Kammergericht unter Kieners Leitung will sich ein Bild machen vom Beschuldigten. Erinnert er sich an die Tat? Kann er darüber sprechen? Kann er seine Handlungen begründen? Zeugen werden nicht befragt. Das Beweisverfahren ist abgeschlossen. Der Tathergang von der Staatsanwaltschaft lückenlos rekonstruiert.

Das Unbeantwortbare lässt sich nicht mit einer zeitlich definierten Gefängnisstrafe sanktionieren.

Es fällt schwer, diese Tat zu begreifen. Nicht ein Mensch mit bösen Absichten steht dahinter, sondern ein Mensch mit einer schweren, unsichtbaren Krankheit. Ein Mensch, den die Frage quält, wie es jemals so weit kommen konnte. Der selbst noch lernen muss, damit umzugehen, was er seinen drei Opfern und deren Angehörigen angetan hat.

Die Frage nach dem Warum erschöpft sich schnell in Mutmassungen und Spekulationen, wenn der Täter kein Motiv nennen kann. Entsprechend richtet sich auch die Verhandlung vor dem Strafgericht nicht nach der Suche eines Schuldigen.

Staatsanwaltschaft und Verteidigung sind sich einig: Das Unbeantwortbare lässt sich nicht mit einer zeitlich definierten Gefängnisstrafe sanktionieren. Beide fordern sie eine stationäre psychiatrische Behandlung, die jeweils nach fünf Jahren von einem Gericht verlängert werden kann, sollte vom Täter weiterhin eine Gefährdung der Öffentlichkeit ausgehen.

Nach knapp zwei Stunden beendet Gerichtspräsident Kiener die Verhandlung und gibt Stefan das Schlusswort:

«Es tut mir alles so leid.»

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Das Urteil soll am Dienstag um 11 Uhr verkündet werden.

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