Was eine Veloglocke dem Smartphone voraus hat.
Ein Klingeln bedeutet immer, dass sich etwas verändert. Meist kann man dank Lebenserfahrung aufgrund des Klangs oder der Melodie einschätzen, was in etwa passieren wird: Ein Besucher steht vor der Tür, ein Anruf wartet, eine neue Mail ist im Posteingang, der Unterricht oder der Gottesdienst fängt bald an, oder das Christkind hat endlich die Geschenke hingelegt.
Klingeltöne dienen dazu, das chaotische Leben zu ordnen, sie sind akustische Strassenschilder. Daneben haben sie aber noch eine weitere Eigenschaft: Mit Geklingel kann man Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wie gut das funktioniert, hängt zum einen von der Art der Töne und zum andern vom Einfluss ab, den eine Missachtung des Geklingels für das Leben bedeuten könnte.
Bis Mitte der 1990er-Jahre konnte man noch Hundebellen oder Sirenen punkten.
In den Anfangszeiten des portablen Telefons etwa blickte das Umfeld beeindruckt auf die Person, die so wichtig war, dass jemand sie anrief, während sie unterwegs war – um ihr etwas mitzuteilen, das auf gar keinen Fall warten konnte. Man fühlte sich als Teil des Fortschritts, als Zeitzeuge von etwas Wichtigem, das die Zukunft verhiess.
Mittlerweile ist der Fortschritt Gegenwart, fast jeder bekommt dauernd Anrufe und Mitteilungen – und wahnsinnig wichtig sind sie nur in den seltensten Fällen. Und auch anderes ist langweilig geworden: Bis Mitte der 1990er-Jahre konnten um Aufmerksamkeit Heischende noch mit überraschenden Klingeltönen wie Hundebellen oder gellenden Sirenen punkten. Dafür hebt schon lange niemand mehr den Blick vom Display seines eigenen Telefons.
Als Velofahrer oder Tramführer hat man es da einfacher, ein hektisches Klingeln lässt die Leute nach wie vor aufschrecken – hier geht es schliesslich um Leben und Tod. Alles kann ein Smartphone eben doch nicht.
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Optisch eigenständig und mit sattem Klang: Veloglocken von Liix, etwa 20 Franken, bei Veloplus, Leimenstrasse 78; www.veloplus.ch