Drummeli 2016: Starke Cliquen, schwieriges Rahmenspiel

Das diesjährige Monster wagt neue Wege: Der neue Regisseur Laurent Gröflin setzt auf Experimente beim Rahmenspiel, was nicht nur auf Gegenliebe stösst. Die Cliquen glänzen jedoch mit hervorragenden Auftritten – ein Highlight ist dabei die Junge Garde.

Sie zerlegten den Anfängerschreck: Mit ihrer ungewöhnlichen Interpretation der «Alten Schweizermärsche» kam die junge Garde der Naarebaschi gut an.

(Bild: GEORGIOS KEFALAS)

Beim diesjährigen Monster wagt der neue Regisseur Laurent Gröflin anspruchsvollere Experimente beim Rahmenspiel, die nicht nur gut ankommen. Die Cliquen glänzen aber mit brillanten Auftritten. Für Überraschungen sorgt dabei eine Junge Garde.

Ein Auftritt in 3D, bunt interpretierte Klassiker und neue Fasnachtsmärsche: Das diesjährige Drummeli zeigt, dass die Befürchtungen eines Flops unberechtigt waren. Dafür sorgen in erster Linie die Stammcliquen, die auf der Bühne des Musical-Theaters allesamt überzeugen. Dabei litt das diesjährige Monster im Vorfeld unter den hohen Erwartungen: Letztes Jahr schnitt es in der Kritik nicht nur gut ab, und es wurden Befürchtungen laut, die Tickets könnten nicht wegkommen.

Der 37-jährige Laurent Gröflin hat sich dieser Aufgabe gestellt: Als Nachfolger von Bettina Dieterle inszeniert er erstmals das Drummeli. Dabei kann er mit Philippe Graff, Daniel Buser, Susanne Hueber, Sarah Speiser und Skelt! auf ein kompetentes Schauspielensemble zählen. Kurzfristig sprang zudem Patrick Gusset ein, der auch als Musiker Shabani bekannt ist. 



Electropop im Sinne von Kraftwerk, doch mit Trommeln und Piccolos unterlegt: Für den spektakulären Auftritt der Basler Bebbi wird eine 3D-Brille verteilt.

Electropop im Sinne von Kraftwerk, doch mit Trommeln und Piccolos unterlegt: Für den spektakulären Auftritt der Basler Bebbi wird eine 3D-Brille verteilt. (Bild: GEORGIOS KEFALAS)

Originelle Ideen, problematische Umsetzung

Unter der Regie von Gröflin wird eindeutig ein neues Konzept sichtbar. Das Rahmenspiel verzichtet etwa auf die Balkonszenen und Musicaleinlagen. Der Stil ist eher nüchtern: Wenig Requisiten, wenig Klamauk, dafür mehr Pantomimen und abstrakte Elemente – eine durchaus kühne Entscheidung für eine Vorfasnachtsveranstaltung, die aber auch an ihre Grenzen stösst: Die anspruchsvollen Raamestiggli wirken manchmal etwas langgezogen. Auch Kurzauftritte zwischen den Cliquendarbietungen – Schauspieler, die grinsend und tuschelnd über die Bühne hüpfen – kommen beim Publikum nicht gut an. Die etwas kindischen Einlagen ernten Buhrufe und höhnische Kommentare aus den Sitzreihen.

Trotz Anlaufschwierigkeiten bei seinem Debüt wäre es aber verfehlt, Laurent Gröflins Arbeit einfach abzuschreiben: Sowohl Schenkelklopfer, die grölend breitgewalzt werden, als auch moralinsaure Predigten sind glücklicherweise nicht dabei. Der Humor ist diesmal subtil: Viele Ideen sind durchaus originell.



Farbenfrohe Goschdym sind im Drummeli zu sehen - so etwa bei den Pfluderi, die mit dem Restaurant Schnabel im Hintergrund als Vögel das Ohremyggeli zum Besten geben.

Farbenfrohe Goschdym sind im Drummeli zu sehen – so etwa bei den Pfluderi, die mit dem Restaurant Schnabel im Hintergrund als Vögel das Ohremyggeli zum Besten geben. (Bild: GEORGIOS KEFALAS)

Der Tod wird beim Novartis-Campus nicht ernst genommen

Interessant ist etwa, dass sich die Vorfasnachtsveranstaltung auch selbst auf die Schippe nimmt: Als Rahmen dient eine Selbsthilfegruppe für alle Rollen, die beim Drummeli abgelehnt wurden – darunter ein depressiver Schnitzelbänggler und das Tram Nummer 15, das zugunsten der Linie 10 verzichten musste. Gelungen ist auch die Idee der sprechenden Bebbi-Säcke, die die Tücken des Basler Abfallkalenders aufs Korn nehmen.

Gleichzeitig gibts auch nachdenkliche Nummern: Der Tod höchstpersönlich – notabene ohne Sense, sondern als unscheinbarer «Versicherungsvertreter» – möchte im Novartis-Campus einen Kadermann holen. Am Eingang wird er aber mit allerlei Formalitäten aufgehalten. Ebenfalls besinnlich ist die Nummer mit dem Fasnachtsliebhaber, der mit einem magischen Schalter die «drey scheenschte Dääg» nicht beginnen lassen möchte, damit sie auch niemals enden können. Dieses Raamestiggli erinnert von der Zeit-Problematik her ein bisschen an «Momo» von Michael Ende.

Einen interessanten Ansatz bietet auch das Stück mit dem Laternenmaler: Ein Künstler, der unter einer kreativen Blockade leidet, wird zum Gespött der Cliquenkollegen, die lieber ihren Sauglattismus zelebrieren. Während der Künstler versucht, etwas Tiefsinniges zu schaffen, wollen seine Auftraggeber lieber schadenfreudige und frivole Pointen – zwei Fasnachtswelten, die aufeinanderprallen.

Anarcho-Version der «Alte» erntet tosenden Applaus

Ausgesprochen stark sind dieses Jahr aber einmal mehr die Auftritte der Cliquen. Den Reiz des Drummeli macht unter anderem die Mischung aus: Spektakuläre und experimentelle Performances finden ebenso ihren Platz wie traditionelle Auftritte, die sich auf das Wesentliche konzentrieren. Dieses Jahr kommt beides gut zum Zug. Nebst Altbewährtem sind auch neue Kompositionen zu hören: Mitreissend ist zum Beispiel «Rakes and Idiots» von den Opti-Mischte – ein Medley aus verschiedenen amerikanischen Melodien aus der Zeit des Sezessionskrieges.



Vom Friedhof auf die Bühne: Ideenreiche Verse vom Schnitzelbangg «Schunggebegräbnis».

Vom Friedhof auf die Bühne: Ideenreiche Verse vom Schnitzelbangg «Schunggebegräbnis». (Bild: GEORGIOS KEFALAS)

Für den vielleicht am meisten bejubelten Höhepunkt sorgt ausgerechnet eine «Nischendisziplin» im Programm, die obligate Trommel- und Pfeiferschule. Die Junge Garde der Naarebaschi kreiert eine «Anarcho-Version» der Alten Schweizermärsche. Bekanntlich muss sich so mancher Anfänger in vielen Lektionen durch diesen Endlosmarsch beissen. Der Naarebaschi-Nachwuchs krempelt ihn jedoch komplett um. «Die Alte» werden zerlegt sowie mit Paukenschlägen und Einschüben (etwa mit dem Thema aus «Mission Impossible») angereichert. Traditionellem wird ein neuer Schliff verpasst – eine tolle Idee. Auch dem Central Club Basel gelingt es, mit ihrem «Wettstai 2016» einen Klassiker neu zu interpretieren. Der Mittelteil des Wettsteinmarsches, welcher einst beim Arrangement als Fasnachtsmarsch verloren ging, wird reaktiviert.

Kraftwerk-Electropop, Flashdance und peruanische Volksmusik

Für die Stilfusion ist diesmal die Rootsheere-Clique zuständig: Ihr «Alpaca borracha» führt nach Peru. Indígenas mit Panflöten begleiten die Piccolos – unter anderem mit «El cóndor pasa». Das mag nun arg nach Anden-Klischees klingen, doch genau dieses Bild wird wiederum ironisch inszeniert: Touristen mit Selfie-Sticks umgarnen die Einheimischen.

Wie in den letzten Jahren lockern auch diesmal karibische Rhythmen das Trommelkonzert auf: Die Rätz-Clique widmet sich mit «Under em Rhy» dem calypsoähnlichen Song aus dem Disney-Streifen «Arielle, die Meerjungfrau». Fische begleiten dabei die Piccolos mit Maracas, Bongos und anderen Perkussionsinstrumenten. Für Auflockerung sorgt auch der Dupf-Club, der mit «What a Feeling» aus Flashdance in farbigen Eighties-Turnkleidern sogar das Publikum zum Mittanzen animiert.



Ein stimmungsvolles Bild mit beleuchteten Leintüchern: Die Seibi und Seibi Mysli verzichten mit ihrem «Ueli» bewusst auf Filmsequenzen und Animationen.

Ein stimmungsvolles Bild mit beleuchteten Leintüchern: Die Seibi und Seibi Mysli verzichten mit ihrem «Ueli» bewusst auf Filmsequenzen und Animationen. (Bild: GEORGIOS KEFALAS)

Für Hühnerhaut ist hingegen bei  «BBB in 3B» gesorgt: Die Basler Bebbi präsentieren mit «The Robots» eine Hommage an die deutschen Elektropop-Pioniere von Kraftwerk. Wie es sich für die Konzerte dieser Band gehört, stehen vier Männer am Synthesizer auf der Bühne, Pfyffer und Tambouren halten sich im Hintergrund. Für diesen Auftritt werden extra 3D-Brillen verteilt – schliesslich gehört zum Auftritt auch eine Computeranimation ganz im Stil von Kraftwerk.

Auftritte mit Lichteffekten, Animationen und Filmen

Allgemein arbeiten viele Cliquen multimedial: Die Aagfrässene als Sträflinge in Französisch-Guayana spielen einen «Papillon» zum gleichnamigen Film im Hintergrund, die Muggedätscher stellen sich mit Unterstützung eines eingeblendeten Heinz Margot vor, wie die Fasnacht im Jahr 2066 aussehen könnte.

Geradezu vollständig auf die Leinwand setzt Olympia – mit einer Live-Schaltung ins Schafeck, wo gerade zwischen Biergläsern der Hofnaar gespielt wird. Die Verschnuuffer machen aus dem Dudel- einen Doodlesagg: Terminprobleme bei der Clique sind direkt im Hintergrund am Computer zu sehen. Digital gehts auch bei der Märtplatz-Clique zu und her, die sich den Trollen und Nörglern in den Kommentarspalten der Zeitungen widmet.



Ein betrunkenes Alpaka als Tambourmajor: Die Rootsheere-Clique nimmt die Fasnacht in die Anden.

Ein betrunkenes Alpaka als Tambourmajor: Die Rootsheere-Clique nimmt die Fasnacht in die Anden. (Bild: GEORGIOS KEFALAS)

Die Projektionen mancher Cliquen bieten interessante und abwechslungsreiche Möglichkeiten, wirken aber manchmal auch etwas überladen. Daher ist auch ein Kontrast dazu wohltuend: Die Seibi und Seibi Mysli verzichten bewusst auf die Leinwand. Viel mehr soll sich alles um die Beleuchtung drehen: Im Schwarzlicht stechen die Kostüme heraus. Mit einem sauber gespielten «Ueli» verpassen sie dem Drummeli einen stimmungsvollen Abschluss.

Kölner Silvesternacht in den Schnitzelbängg verarbeitet

Etwas verloren zwischen den imposanten Cliquenauftritten und den wenig aufpeitschenden Rahmenspielen wirken die Schnitzelbänke und Gugge. Die Dreydaagsfliege kann zunächst die Stimmung nicht gross anheben, macht dies aber wieder wett mit Versen über Baschi Dürr und (durchaus gewagt) zu den Übergriffen in Köln. Das «Schunggebegräbnis» – schon durch die gesangliche Leistung und die düstere Kostümierung immer wieder ein aussergewöhnlicher Bangg – hat zwar auch nicht die Hammerpointe im Programm, doch ihre intelligent gestrickten Verse zur Pariser Klimakonferenz, dem Lion King und ebenfalls zu den Kölner Ereignissen tun dem Drummeli gut.



Von wegen steife Basler Fasnacht: Beim Dupf-Club tanzen sogar die Zuschauer mit.

Von wegen steife Basler Fasnacht: Beim Dupf-Club tanzen sogar die Zuschauer mit. (Bild: GEORGIOS KEFALAS)

Während sich die Gugge Räpplischpalter vor den verstorbenen Grössen Udo Jürgens und James Last verbeugt, interpretieren die Krach-Schnygge den Gefangenenchor aus Nabucco. Dem rebellischen Klagelied fehlt etwas Temperament, wie es besonders von einer Gugge zu erwarten wäre. Dennoch: Dass sich die Krachschnygge an ein Verdi-Oper heranwagen, verdient Respekt.

Ob Gugge, Bängg, schauspielerische Leistungen oder vor allem die Stammcliquen: Der Jahrgang 2016 ist sehenswert, auch wenn Monster-Traditionalisten nicht erfreut sein dürften. Vielleicht steht das besagte Raamestiggli über den Laternenmaler und die «glatte Sieche» ungewollt für das Dilemma dieses Drummeli: Das schwierige Spagat zwischen Nachdenklichem und Klamauk muss jedes Jahr erneut gemeistert werden.



Tolle Entdeckung am diesjährigen Drummeli: «Rakes and Idiots» von den Opti-Mischte

Tolle Entdeckung am diesjährigen Drummeli: «Rakes and Idiots» von den Opti-Mischte (Bild: GEORGIOS KEFALAS)

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