Ehemaliger Scientology-Hauptsitz soll Wohnhaus weichen – Die Anwohner laufen Sturm

Ein Scientology-nahes Firmengeflecht schmiedet grosse Baupläne im Gotthelfquartier. Die Anwohner wehren sich vehement.

So soll die Fassade am Herrengrabenweg dereinst aussehen.

(Bild: Foto: zVg / Visualisierung: Degelo Architekten)

Ein Scientology-nahes Firmengeflecht schmiedet grosse Baupläne im Gotthelfquartier. Die Anwohner wehren sich vehement.

Ein konspiratives Treffen an einem warmen Sommerabend im Gotthelf-Quartier: Auf dem langen Tisch im Garten stehen Getränke und Knabberzeugs, rundherum sitzen knapp 20 Nachbarn. Die Stimmung ist aufgeregt, die Anwesenden machen sich Sorgen um ihr Quartier.

Grund für die Zusammenkunft ist ein grosses Bauprojekt, welches das Gesicht des Quartiers nachhaltig verändern wird. Zwischen dem Herrengrabenweg 56 und der Sennheimerstrasse 40 und 42 soll eine grosse Überbauung quer durch den Hinterhof gezogen werden. Wo jetzt eine romantisch verschachtelte Gartenlandschaft mit schattenspendenden Bäumen, Kinderplanschbecken und Aussensitzplätzen vor sich hin schlummert, soll ein viergeschossiges Wohnhaus mit insgesamt 37 Eigentumswohnungen den Hinterhof in zwei Teile zerschneiden.

Am Herrengrabenweg 56 hatte der Basler Ableger der Scientology jahrelang seinen Hauptsitz, bis die Sekte im Frühjahr 2015 an die Burgfelderstrasse in die neu gebaute Prachtzentrale umgesiedelt ist. Die Scientologen nutzen also seit über einem Jahr die Liegenschaft am Herrengrabenweg nicht mehr, trotzdem werden die Anwohner die ehemaligen Nachbarn nicht los. Denn hinter der Riesenüberbauung steht ein Firmengeflecht, das personell und finanziell stark mit dieser Organisation verknüpft ist.

Charmeoffensive im Quartier

Wie die TagesWoche vor der Eröffnung der neuen Sektenzentrale an der Burgfelderstrasse nachweisen konnte, war ebendieses Firmengeflecht massgeblich an der Finanzierung der sogenannten Ideal Org beteiligt. Als Bauherrin für das neueste Projekt tritt die Swiss Immo Trust AG aus Kaiseraugst auf. Deren früherer Verwaltungsrat Rudolf Flösser ist leitender Direktor bei der Scientology Kirche Basel.

Auch der aktuelle Verwaltungsratspräsident und Projektleiter Christian Varga taucht im Handelsregister als ehemaliges Vorstandsmitglied der Sekte auf. Ebenfalls involviert ist die Firma Welcome Home Immobilien, wo mit Brigitte Widmer eine dritte Scientologin und ebenfalls namhafte Spenderin in führender Funktion tätig ist.

Bereits vor mehr als einem Jahr wurde die TagesWoche von Anwohnern darauf aufmerksam gemacht, dass Scientology-nahe Immobilienunternehmer am Herrengrabenweg ein grösseres Projekt planen würden. Damals war der Basler Scientology-Präsident Patrick Schnidrig auf Charmeoffensive im Quartier unterwegs und versuchte, mehreren Hauseigentümern Teile ihrer Parzellen abzukaufen, wie mehrere Quellen bestätigen.

Am Modell lässt sich gut erkennen, wie die neue Überbauung den Hinterhof in zwei teilt.

Projektleiter Christian Varga von der Swiss Immo Trust wehrt sich auf Anfrage gegen diese Vorwürfe. Die Infoveranstaltung sei sein «erster Kontakt» mit den Anwohnern gewesen. «Ich habe dort und auch früher keine Aussage gemacht, dass das Projekt nicht viergeschossig sein würde. Unser Projekt sieht vor, dass die Häuser nicht verbunden, sondern durch Balkone unterbrochen sind.»

Die IG Gotthelf hat jedoch bereits den Bauanwalt und SP-Grossrat René Brigger eingeschaltet. Dieser bereitet derzeit eine Einsprache vor. Die Anwesenden an diesem Abend beschliessen ausserdem, auch einzelne Einsprachen einzulegen, um so möglichst viele Argumente gegen die neue Überbauung zu sammeln. Doch damit gibt sich die IG noch nicht zufrieden. Ein Anwohner hat die Idee, zusätzlich zur Einsprache auch eine Petition zu starten.

Ziel sei es nicht, so die Anwohner, die Überbauung zu verhindern. «Wir wären schon zufrieden, wenn sie weniger hoch bauen oder den Riegel an einigen Stellen öffnen würden», sagt eine der Anwesenden. «Dann wäre zumindest der Schattenwurf nicht so dramatisch.»

Einsprachefrist läuft ab

Wenig Verständnis haben die Anwohner ausserdem für den Umstand, dass ein Teil der Überbauung in der Schonzone zu liegen kommt. «Wir dürfen hier nicht einmal einen Wintergarten bauen und die dürfen sogar ein Geschoss höher bauen als eigentlich erlaubt.»

Alle diese Argumente wollen die Anwohner nun sammeln. Die Zeit drängt, in etwas mehr als zwei Wochen läuft die Einsprachefrist ab. Bis dahin will die IG noch Flyer verteilen im Quartier, um weiter zu mobilisieren. Das nächste Treffen soll nicht mehr in diesem Garten stattfinden, sondern in einem Clublokal in der Nähe. «Wir rechnen mit 50 bis 60 Personen.»

Artikelgeschichte

14.09.16, 10:30 Uhr: Der Artikel wurde um die Anzahl Wohnungen die neu gebaut werden sollen ergänzt.

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