Ein Besuch bei den findigen Vordenkern der Energiewende im Baselbiet

Hier liegen Antworten auf die Energiedebatte 2050 zum Teil schon seit über 30 Jahren: Im Ökozentrum Langenbruck befasst man sich nicht nur mit technischen Ansätzen zur Lösung der Energie- und Umweltprobleme.

Entspricht gar nicht dem Image von Oekofreaks in Bio-Wollwesten: der Elektroflitzer «Smile», der im Oekozentrum Langenbruck entwickelt wurde.

Hier liegen Antworten auf die Energiedebatte 2050 zum Teil schon seit über 30 Jahren: Im Ökozentrum Langenbruck befasst man sich nicht nur mit technischen Ansätzen zur Lösung der Energie- und Umweltprobleme.

Seit 28 Jahren drehen die Propellerflügel der Windkraftanlage auf dem idyllischen Sool oberhalb von Langenbruck ihre Kreise. Und erzeugen damit Strom – zwischen 10’000 und 20’000 Kilowattstunden pro Jahr. Es ist die erste ans Stromnetz angeschlossene Windkraftanlage der Schweiz und ein Pionierprojekt des Ökozentrums Langenbruck.

Es handelt sich nur um eine von vielen Pioniertaten, welche Öko-Vordenker seit 1979 in ihren Büros und Forschungshallen auf dem oberen Hauenstein entwickelt und auch praktisch umgesetzt haben. Fernab des wirtschaftlichen Zentrums Basel, an einem Ort, wo das Baselbiet schon fast aufhört und der Kanton Solothurn noch nicht anfängt. Dort befasste man sich in Theorie und vor allem in der Praxis mit alternativer Stromproduktion, als die Schweizer Energiekonzerne noch Atomkraftwerke ans Netz schlossen.

Jenseits von Wolle und Bast 

Der spröde Name Ökozentrum und der Standort in der ländlichen Abgeschiedenheit bergen die Gefahr, das Klischee von weltfremden Gutmensch-Tüftlern in Bio-Wollwesten und Sandalen zu nähren. «Ich kenne diese Vorurteile», sagt Christian Gaegauf, Projektleiter in der Fachgruppe Energie und Umwelt des Ökozentrums sowie Mitglied des Stiftungsrats der Trägerschaftsstiftung.

Der Ingenieur ist ein Mitarbeiter der ersten Stunde – «quasi ein Fossil», wie er mit einem Lachen selber über sich sagt. «Aber wenn Sie bei uns vorbeischauen, werden Sie eine moderne, international tätige Institution mit hochmotivierten und -qualifizierten Mitarbeitern antreffen, die mit dem Klischee von Wolle, Seide und Bast nichts zu tun haben», betont er.

Alternativen werden Alltag

Und es ist eine Institution mit einem beachtlichen Erfolgsausweis. Heute sind die Projekte, die vor über 30 Jahren im absoluten Nischenbereich angesiedelt waren, mehrheitsfähig. «Wir haben damals vorgespiegelt, was heute beinahe schon Mainstream ist», sagt Gaegauf.

Dies offenbart sich einmal mehr in der aktuellen Debatte der Eidgenössischen Räte über die Energiestrategie 2050 des Bundesrates. «Ich nehme mit Genugtuung zur Kenntnis, dass die Politik heute über Szenarien debattiert, die wir schon bei der Gründung des Ökozentrums proklamiert haben», sagt Gaegauf. Als bedenklich bezeichnet er allerdings die Tatsache, dass beim «Klumpfuss» Atomenergie kein mutigerer Entscheid möglich war.

Dass die Alternativen von damals heute zur energiewirtschaftlichen Alltäglichkeit gehören, bedeutet laut Gaegauf aber noch lange nicht, dass den zwanzig festangestellten und ebenso vielen freien Mitarbeitern des privatwirtschaftlichen Instituts die Arbeit ausgehen würde. Es gebe noch genügend Alternativen zum Mainstream zu beackern, sagt Gaegauf.

Vom Elektroauto bis zum Schwachgasbrenner

Die Palette der aktuellen Projekte reicht vom schnittigen und öffentlichkeitswirksamen Elektrofahrzeug «Smile» über das Projekt «Pulpa Pyro Peru» zur Herstellung von Pflanzenkohle aus Abfallprodukten des Kaffee-Anbaus bis zum System, das bereits durch seinen arg technisch klingenden Namen «Actor !GT – Strom und Klimaschutz von der Deponie» auf ein Nischenprodukt deutet.

Das «Actor !GT»-System aus Schwachgasbrennern mit integrierter Turbine schafft es, klimaschädliche Methan-Gase von Abfalldeponien auch in nicht hoch konzentrierter Form zur Energiegewinnung zu nutzen und zugleich die Emissionen zu vermindern. Das System wurde in diesem Jahr mit der Anerkennungsurkunde des Umweltpreises Schweiz ausgezeichnet.

Sisyphus mit positiver Einstellung

Das Ökozentrum befasst sich aber nicht nur mit technischen Ansätzen zur Lösung von Energie- und Umweltproblemen. «Technik allein kann es nicht richten», betont Gaegauf mit Hinweis auf den Rebound-Effekt, womit der Umstand beschrieben wird, dass die Energieeinsparung durch effizientere Geräte sogleich von neuen Stromfressern zunichte gemacht wird.

So ist denn auch der Fachbereich «Bildung und Gesellschaft» ein wichtiges Standbein des Ökozentrums. Das Ziel dieses Fachbereichs – der unter anderem Energie-Erlebnis-Tage für Schulen oder sonstige Sensibilisierungsprojekte beinhaltet – ist es, einen Beitrag zum Aufbau einer nachhaltigen Gesellschaft zu leisten.

Gaegauf gibt zu, dass es kein einfaches Unterfangen ist, das Verhalten der Menschen in der hochtechnisierten Welt zu beeinflussen. «Manchmal kommt man sich da schon wie ein Rufer in der Wüste vor oder wie Sisyphus», sagt er. «Aber man darf die positive Einstellung nicht verlieren.»

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