«Wider die Dekadenz», dachte sich eine Gruppe von Künstlern und errichtete neben dem Favela-Café auf dem Messeplatz eine echte Favela. Die Art will jeden anzeigen, der nach 20 Uhr noch anwesend ist.
Für alle, denen das Favela-Café auf dem Messeplatz zu wenig real war, gibt es gute Neuigkeiten: Neben den schicken Hüttchen mit bequemen Sitzgelegenheiten für all die erschöpften Sammler- und Galeristenhintern stehen seit Freitagnachmittag nun original-versiffte Bretterverschläge.
Es stinkt nach Rauch, eine Band schrammelt auf Gitarren, am Boden liegen leere Schrothülsen neben strassenkreidemalenden Kindern. Auf einer improvisierten Kochstelle bereitet jemand Linseneintopf, rechts davon brutzeln Würste auf dem Grill. Zwischen all den Kunstverständigen und Prekariatsbegeisterten mit Bierdosen steht ein Esel.
Die Polizei hält sich diskret im Hintergrund und nutzt die Gelegenheit, ein offensichtlich defektes Einsatzfahrzeug wieder in Gang zu bringen. Zum Glück sind die Beamten in Blau immer mit mehreren Fahrzeugen unterwegs, so ist die Panne rasch behoben und die leere Autobatterie wieder aufgeladen (dies als Randnotiz).
Ein erstes Ultimatum verstrich ungenutzt
Ein junger Mann mit blutverschmierter Kochschürze und umgehängtem Badge («Favelateam Art 2013») erklärt: «Wir finden es unglaublich dekadent, in einer nachgebauten Favela Milchkaffee und Cüpli auszuschenken», deshalb habe man die Kunst-Favela nun um eine echte, wildwuchernde und chaotische Brettersiedlung erweitert.
Man sei mit einer Gruppe aus rund zwanzig Künstlern (ob selbsternannt oder nicht, blieb unklar) um 3 Uhr nachmittags auf dem Messeplatz aufmarschiert, die bereits gebauten Hütten im Gepäck. Alles sei so schnell gegangen, dass die Security der Art keine Chance hatte, irgendwie einzugreifen, erklärt der Favelabewohner. Dann seien jedoch zwei Herren aufgetaucht, wenig erbaut über die neuen Nachbarn, und hätten ihnen ein Ultimatum bis 17 Uhr gesetzt. Dieses jedoch verstrich folgenlos, im Gegenteil: Die Leute wurden immer mehr. «Zum Glück haben wir vorgesorgt und tausend Dosen Bier bestellt», sagt der Bewohner, die Freude am gelungenen Projekt steht ihm ins Gesicht geschrieben.
Um 20 Uhr soll geräumt werden
Ob die neue Favela auf dem Messeplatz bleiben darf oder nicht, hängt gemäss der Polizei von der Art Basel ab. Über ihre Sprecherin Dorothee Dines lässt letztere ausrichten:
«In Absprache mit dem Architekten Christophe Scheidegger, der das Projekt ‹Favela Café› mit dem Künstler Tadashi Kawamata auf dem Messeplatz realisiert hat, wurde entschieden, die spontane Aktion auf dem Messeplatz zuzulassen. Die Art Basel vereinbarte mit den Veranstaltern der Aktion, dass diese zeitlich auf 17 Uhr begrenzt sein wird, um die Sicherheit der Messebesucher und Gäste auf dem Messeplatz gewährleisten zu können. Das Ultimatum wurde auf 18 Uhr verlängert. Wir stehen in Kontakt mit den Veranstaltern der Aktion.»
Ein Anruf bei der Polizei eine halbe Stunde nach dem zweiten Ultimatum ergab jedoch, dass auch dieses ungenutzt verstrich. Gemäss Aussagen eines Beteiligten, habe die Polizei den Anwesenden mitgeteilt, dass eine Strafanzeige erhalte, wer sich um 20:00 Uhr noch auf dem Areal befinde. Wenig Zeit, um tausend Dosen Bier zu trinken.