Ein Internetportal soll das Ende der Warteschlaufe werden

«Please hold the line» soll demnächst der Vergangenheit angehören. Die Stiftung für Konsumentenschutz plant ein Internetportal, mit dem sich alle Beschwerden an einer Stelle erledigen lassen und direkt an den Verantwortlichen weitergeleitet werden.

Wer Ärger hat jetzt ein Portal

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Es wird immer schwieriger, sich zu beschweren, haben Konsumentenschützer festgestellt. Die Stiftung für Konsumentenschutz plant nun ein Internetportal, mit dem sich alle Beschwerden an einer Stelle abwickeln lassen.

Stellen Sie sich vor, Ihnen geht morgen ein wichtiges Elektrogerät kaputt. Die Sache ist dringend und Sie haben wenig Zeit, um nach einer Servicenummer zu suchen. Falls Sie überhaupt eine finden. Haben Sie eine gefunden, landen Sie unter Umständen in einer Hotline, in der man Ihnen wenig weiterhelfen kann. Kommt Ihnen das bekannt vor?

In spätestens einem Vierteljahr soll das einfacher werden. Mit Hilfe der Plattform beschwerdeleicht.ch (noch nicht online) werden sich Beschwerden auf einer einzigen Webpage und sogar mobil erledigen lassen, egal welchen Anbieter sie betreffen. Verbraucher können sich dann rund um die Uhr auf einer zentralen Seite beschweren, ohne stundenlang in Hotlines festzuhängen, an jemand anderen verwiesen zu werden oder sich im Unternehmen durchfragen zu müssen.

Die Beschwerden sollen direkt an die zuständige Stelle weitergeleitet werden, statt in einem Callcenter zu landen. Einen «direkten Kanal zum Verantwortlichen» verspricht die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) in Bern, die die Seite konzipiert hat.

«Wir verstehen uns da als Mittler zwischen Verbraucher und Anbieter»

Funktionieren soll das für Verbraucher mit Hilfe einer intelligenten Benutzerführung, die so durch das Menü führt, dass die wichtigsten Eingaben abgefragt werden und im besten Fall mit Hilfe von im System bereits hinterlegten Adressen direkt das Unternehmen erreichen. Einen kleinen Vorabauszug aus dem Menü haben wir in unserer Bildstrecke zusammengestellt. Online gehen soll das Beschwerdeportal zwischen September und Oktober.

«Wir verstehen uns da als Mittler zwischen Verbraucher und Anbieter», sagt Alex von Hettlingen, Kommunikationsverantwortlicher der SKS. «Die Verbraucher bekommen eine Anlaufstelle, die Anbieter erhalten vollständige, handhabbare Eingaben.» So gesehen könnten beide Seiten profitieren. «Natürlich erhoffen wir uns für die Verbraucher auch eine gewisse Wucht als Verbraucherschutzbehörde», fügt von Hettlingen hinzu.

Es wird immer schwieriger, sich zu beschweren – das soll sich ändern

Mit beschwerdeleicht.ch geht die SKS an die Lösung eines immer häufiger werdenden Problems: In den letzten Jahren sei es zunehmend schwieriger geworden, sich zu beschweren, sagt die SKS. Sie zitiert dabei eine Studie des österreichischen Ministeriums für Konsumentenschutz, nach der die grösste Schwierigkeit bei Reklamationen darin besteht, überhaupt jemanden zu finden, der sich zuständig fühlt.

Das soll sich ändern. Bei der SKS in Bern wird derzeit fleissig getestet. Die Software sei soweit fertig, sagt von Hettlingen, «jetzt suchen wir die Bugs.» Die häufigsten Adressen hat die Stiftung vorab schon eingesammelt, ist das Portal erst aufgeschaltet, werden weitere Kontaktdaten hinzukommen.

Vier Vollzeitmitarbeiter sollen dann zunächst für die Plattform angestellt werden. Die Stiftung rechnet je nach Beanspruchung des Portals mit einem hohen Initialaufwand. «Viele Verantwortliche werden wir recherchieren müssen», sagt von Hettlingen. Auf Dauer soll sich das System aber selbst tragen.

Finanziert wurde die Entwicklung des Portals bisher mit 50’000 Franken aus den Mitteln der gemeinnützigen Stiftung, zusätzlich 10’000 Franken sammelte man via Crowdfunding auf wemakeit.ch ein. Wie sich das Portal langfristig finanzieren werde, hänge davon ab, wie gross die Nachfrage bei den Verbrauchern sei, sagt von Hettlingen.

Grosse Sorge, dass sich beschwerdeleicht.ch als Mecker- und Motzportal etablieren wird, hat von Hettlingen nicht. Die Beschwerden werden nicht öffentlich sichtbar sein. Das mindert seiner Ansicht nach die Attraktivität für Trolle. «Die posten dann lieber in einem Forum, wo das auch jeder sieht.»

Sorgen macht er sich eher darüber, dass die SKS mit beschwerdeleicht.ch am Ende zwischen Tisch und Stuhl geraten könnte, wenn die Abwicklung einer Reklamation nicht zur Zufriedenheit der Verbraucher geschieht. «Einerseits ist das als Verbraucherschutzorganisation schon unsere Aufgabe. Wenn es klemmt, können wir nachhaken – die Abwicklung ist aber Sache des Anbieters.»

Verbraucherschutz durch Big Data

Druck auf das Beschwerdemanagement der Anbieter erhofft sich die SKS eher von Big Data. Die Auswertung der gesammelten Beschwerdedaten ist für die Stiftung ein Erkenntnisgewinn. Etwa darüber, bei welchen Herstellern die meisten Reklamationen anfallen, und wo das Beschwerdemanagement weniger gut läuft. Ein Teil der Daten wird auch helfen, das Portal weiter zu finanzieren. Geplant ist, anonymisierte Metadaten in Form von Statistiken an Unternehmen zurück zu verkaufen.

Beschwerdeleicht.ch wird es zunächst nur in deutscher Sprache geben. «Vom Aufwand her war ein mehrsprachiger Ansatz einfach nicht drin», sagt von Hettlingen. Die SKS sei eine Stiftung, die grossen Wert darauf legt, unabhängig zu bleiben. Sie finanziert sich vor allem aus Spendengeldern sowie einem Zuschuss vom Bund. Da lebe man halt «von der Hand in den Mund». Kooperationen mit Verbraucherschutzorganisationen in der französischsprachigen Schweiz und im Tessin sollen jedoch folgen, wenn das Portal erfolgreich ist.

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