Ein Papagei in einer Geisterbahn? Das müssen Sie uns erklären, Herr Steiner!

Seit drei Jahren ist eine der ältesten Geisterbahnen Europas wieder an der Herbstmesse Basel zu bestaunen. Der Münchensteiner Pascal Steiner erklärt, warum die legendäre Bahn 20 Jahre lang verschwunden war und welchem guten Geist sie ihre Wiederauferstehung verdankt.

(Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Den grössten Schrecken bereitete uns die altehrwürdige Wiener Prater Geisterbahn, als sie 1992 von einem Jahr aufs andere plötzlich nicht mehr in der Halle 6 der Basler Herbstmesse stand: Der graugrün verwachsene Spuk, der bei Generationen von Besuchern für andächtiges Staunen und ausgelassenes Kreischen gesorgt hatte, war verschwunden. 20 Jahre lang blieb das so, bis 2013 der Dornröschenschlaf ausgeschlafen war und die Bahn mit aufgefrischter Fassade und altem Zauber zurückkehrte.

Und jetzt geht ein Kindertraum in Erfüllung: Wir dürfen mit dem Besitzer Pascal Steiner durch die Bahn laufen und aus nächster Nähe die «Erscheinungen» betrachten, wie er sie liebevoll nennt: die Klapperknochen, Frankensteins Monster, die Spinnweben, die übers Gesicht huschen (sie werden regelmässig desinfiziert). Und den geschnitzten, hölzernen Waldmenschen mit seinem farbigen Filzpapagei auf der Brust.

Augenblick: Was hat ein Papagei in einer Geisterbahn verloren? Das müssen Sie uns erklären, Herr Steiner!

Wie kommt ein Papagei in die Wiener Prater Geisterbahn?

Die Bahn war früher keine Geister-, sondern eine Dschungelbahn. Vermutlich stammt sie aus den 1930er-Jahren. Während der Restaurierung kamen alte Schriftzüge zum Vorschein: «Fahrt in den Dschungel» stand da zum Beispiel. Auch einige der Erscheinungen weisen darauf hin. Es gibt zum Beispiel diesen Ureinwohner aus Holz, dem man nachträglich die Maske eines Ungeheuers aufgesetzt hat. Darum auch der Papagei. Oder der Affe, den wir allerdings ersetzen mussten, weil der alte kaputt war.

Und die Geisterbahn stammt tatsächlich aus Wien?

Das weiss man nicht so genau, aber die Bahn kommt aus der Steiermark und heisst so, seit sie 1952 in die Schweiz verkauft wurde. So viel ist bekannt. Ob sie aber wirklich einmal auf dem Wiener Prater gestanden hat, ist unklar, auch wenn es wahrscheinlich ist.

Wie sind Sie zu dem Fahrgeschäft gekommen?

Ich kenne diese Bahn aus meiner Kindheit, auch mein Bruder Philippe hat sich sehr für die Schaustellerei begeistert. Er hat in den Siebzigern als Aushilfe bei der Geisterbahn gearbeitet. Als der letzte Betreiber sie 1992 altershalber verkaufte, haben wir sie übernommen. Allerdings musste sie erst restauriert werden, weil wir viele Plätze nicht mehr bekamen. Auch auf der Herbstmesse war die Bahn nicht mehr zugelassen.

Undatiertes Bild aus den 1950er-Jahren.

Aus welchem Grund?

Die Malerei auf der Fassade war zum Beispiel kaum mehr zu sehen, das war nicht attraktiv. Zuerst hat mein Bruder die Böden erneuert und vereinheitlicht, weil sie unterschiedlich hoch waren und unhandlich zum Tragen. Wir hatten einen Standort bei der alten Zementfabrik in Liesberg, im Freien. Was wir für eine vollständige Renovation aber brauchten, war eine Halle. Nach dem Tod meines Bruders 2007 konnte ich eine solche Halle zusammen mit dem «Calypso»-Betreiber Paul Läuppi in Aarau mieten. Dort haben wir die Arbeiten vollendet.

Heisst das, die Fassade ist jetzt komplett neu?

Nein, die ist grösstenteils alt. Einzelne Teile wurden erneuert, um das Alte erhalten zu können. Es gab viele gute Zufälle und Menschen, die uns aus Leidenschaft dabei geholfen haben. Das waren Leute, die auch an der Restaurierung der «Calypso» beteiligt waren: ein Elektriker und dessen Bruder, der das meiste neu gemalt hat, zusammen mit einer Kunstmalerin. Auch ein Lokomotivführer hat viel Herzblut in die Bahn gesteckt und vor allem die technischen Installationen repariert. Er steht mir jeweils tatkräftig zur Seite auf den Plätzen.

Woran haben Sie sich bei der Renovation orientiert?

Wir hatten ein altes Foto, auf dem man den Originalzustand recht gut sieht. Allerdings ist das Bild schwarzweiss. Die Farben konnten wir also nur erahnen. Das hat viel Zeit beansprucht.

Und das Innenleben?

Von den Erscheinungen sind einige noch alt, obwohl wir sie überholt haben. Allerdings gibt es auch neue, wobei wir uns Inspiration von der Fassade geholt und passende Ungeheuer gebaut haben. Wir haben darauf geachtet, dass alles möglichst original bleibt.

Neueren Geisterbahnen sieht man an, dass sie mit zeitgenössischem Grusel mitzuhalten versuchen. Bei Ihrer Bahn ist das nicht der Fall.

Nein, überhaupt nicht, das ist keine Horrorbahn, sondern eine Geisterbahn.

Was ist für Sie der Unterschied?

Bei Horror spritzt Blut, bei Geistern geht es um die Verstorbenen.

Gruseln Sie sich eigentlich selbst noch in Ihrer Bahn?

Doch, ich erschrecke schon noch manchmal, wenn ich in der Bahn im Dunkeln fahre und ein Kollege mir plötzlich die Hand vors Gesicht hält…

Aber lebendige Angstmacher gibt es sonst keine in der Bahn?

Nein. Wobei ab und zu vielleicht mal jemand hineingeht und ein bisschen erschreckt. Aber ohne anfassen! Das wurde früher auch schon so gemacht.

«Viele sagen auch, dass diese Geisterbahn anders ist als andere. Der Unterschied liegt vor allem darin, dass sie so dunkel ist.»

Was glauben Sie: Warum gehen Leute gerne auf Geisterbahnen?

Bei dieser Bahn kommen vor allem auch viele ältere Menschen, wegen der Erinnerungen und um ihren Grosskindern zu zeigen, wie das früher war auf der Messe. Und man kann sehen, dass die Jungen noch genauso viel Spass dran haben. Es ist eine Bahn für jedes Alter. Viele sagen auch, dass diese Geisterbahn anders ist als andere. Der Unterschied liegt vor allem darin, dass sie so dunkel ist. Man erschrickt mehr.

Waren Sie vor der Übernahme der Bahn eigentlich auch schon Schausteller?

Nein, ich habe eine Bankenlehre absolviert und mich danach zum Programmierer und Analytiker weitergebildet.

Ist dieses Jahr mit seiner Geisterbahn wieder in der 80's Halle an der Basler Herbstmesse: Pascal Steiner.
Ist dieses Jahr mit seiner Geisterbahn wieder in der 80’s Halle an der Basler Herbstmesse: Pascal Steiner. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Dann haben Sie mit der Geisterbahn also das Erbe Ihres Bruders angetreten?

Ich habe sie schon auch weitergeführt, weil die Bahn das Lebenswerk meines Bruders ist und er mit der Bahn aufwuchs. Das schafft eine besondere Beziehung. Aber ich bin auch selber angefressen von der Schaustellerei, schon als Kind war das so. Für mich ist damit ein Traum in Erfüllung gegangen. Herbstmesse war für uns immer das Grösste.

Geister sollen ja oft an den Ort zurückkehren, wo es sie zu Lebzeiten umgetrieben hat. Ist Ihr Bruder manchmal noch hier?

Ja, auf jeden Fall. Ich denke sogar, ohne ihn wäre es mit der Geisterbahn gar nicht gegangen. Und ich bin froh, dass die Leute daran Freude haben. Denn das ist für mich der Sinn der Schaustellerei: anderen Freude zu bereiten.

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