Der neue Rabbiner wurde in der Israelitischen Gemeinde Basel nicht nur mit offenen Armen empfangen. Doch er will für möglichst viele Juden da sein – auch säkulare und Glaubensgeschwister von jenseits der Grenzen.
Moshe Baumel ist seit Anfang November der neue Gemeinderabbiner der Israelitischen Gemeinde Basel (IGB). Der 27-Jährige wechselte zusammen mit seiner Familie von seinem Posten in der Rabbinischen Praxis in einer 40’000 Personen-Gemeinde in Manchester in die 2000-Seelen-Gemeinde Basel. Hier wird er die Aufgaben seines Vorgängers Yaron Niesenholz in der Gemeinde und am Institut für Jüdische Studien Basel übernehmen.
Von Fahrprüfungen und Kritik
Die Wahl zum neuen Gemeinderabbiner fand schon im Sommer statt, Amtsantritt war aber erst am 9. November. Momentan steht für Moshe Baumel und seine Familie noch das Einleben im Zentrum. Denn bevor er sich ans grosse Pläneschmieden für die Gemeinde und ans Umsetzen machen kann, gilt es, diese richtig kennenzulernen. «Das ist wie bei einer Autofahrt eine gefährliche Bergstrecke hinauf», beginnt er die Analogie, «die Leute müssen sich zu dir ins Auto setzen und anschnallen. Damit die Leute aber überhaupt zu dir ins Auto sitzen, musst du zuerst beweisen, dass du ein guter Fahrer bist.»
Im Vorfeld der Wahl gab es Misstöne: Zwei von drei Kandidaten sprangen ab, zudem gab es Kritik von Ofek, ein Verein für Mitglieder der Israelitischen Gemeinde Basel, der sich einen offeneren, liberaleren Rabbi wünschte. Trotzdem traut man dem im August mit 54,4 Prozent der Stimmen gewählten Moshe Baumel zu, dass er die Gemeinde von sich überzeugen wird. Der junge Rabbi ist ruhig und reflektiert, spricht mit Bedacht. Dabei strahlt er eine Zugänglichkeit und Ruhe aus, mit der er Gesprächspartner schnell für sich gewinnt.
«Auch säkulare Juden sind Teil der Gemeinde. Jetzt gilt es herauszufinden, wie man das Gemeindeleben für sie attraktiver gestalten kann.»
Was hat er für Pläne für die IGB? «Einerseits wäre da eine stärkere Einbindung der säkularen Juden in die Gemeinde.» Dies würde eine Zunahme sozialer oder kultureller Programme ohne viel religiösen Inhalt bedeuten. «Diese Leute sind immer noch Teil der Gemeinde. Jetzt gilt es herauszufinden, wie man das Gemeindeleben für sie attraktiver gestalten kann.»
Der zweite Punkt sei der Versuch, mehr Familien aus dem naheliegenden Ausland in die Gemeinde zu holen. «Basel hat den Vorteil, dass es gute Infrastrukturen für das jüdische Leben bietet. Es gibt eine Bäckerei, eine Metzgerei, koschere Restaurants. Dies könnte für einige Leute aus Deutschland oder Frankreich ein Grund sein, nach Basel zu ziehen.»
Mit einem Missionierungsgedanken hat dies allerdings nichts zu tun. «Das Judentum kennt keinen Drang zum Missionieren wie es zum Beispiel das Christentum an manchen Orten praktiziert», stellt Rabbi Baumel klar. «Innerhalb der Gemeinde besteht aber natürlich das Interesse, alle Mitglieder ins Gemeindeleben einzubeziehen. Auch bei interreligiösen Ehen besteht ein Interesse daran, Lösungen zu finden.» Aus pädagogischen Gründen, um Kindern eine allfällige Identitätskrise zu ersparen. Willkommen in der Gemeinde sei man auch als nichtjüdischer Ehepartner eines Mitglieds.
«Das Rabbinat kann man heute auch als eine Art Eventmanagment sehen.» (Bild: Hans-Jörg Walter)
Eventmanager der Gemeinde
Wie das mit der Konversion in Basel funktioniert, erklärt Rabbi Baumel gleich anschliessend. «In der IGB bin ich für die Betreuung der Konvertiten zuständig. Es sind noch ein paar Bewerbungen pendent, die ich von meinem Vorgänger Yaron Niesenholz übernehme. Und letzte Woche hat eine junge Dame ein Gesuch eingereicht. Für den Übertritt ziehe ich zwei oder drei weitere Rabbiner hinzu. Alleine wäre ich nicht zur Absegnung befähigt. Dann wird bei einem ersten Treffen entschieden, wie viel Betreuung der oder die Übertrittswillige benötigt. Die letzte Entscheidung nach den Gesprächen mit den Kandidaten liegt dann aber bei mir.»
Wie viele Gesuche dies für Basel sind, kann er aus dem Stegreif nicht hochrechnen, aber Rabbi Baumel zieht einen Vergleich mit Deutschland. «Dort gehen bei einer zentralen Kommission etwa 300 Bewerbungen ein. Wirklich ernst gemeint sind davon aber in der Regel zwei oder drei. Nachdem sich die Leute mit den jüdischen Gesetzen vertraut gemacht haben, entscheiden sie in den meisten Fällen von sich aus, dass ein Übertritt nichts für sie ist.» Tatsächlich konvertieren dürfte in der Schweiz also wie in Deutschland nur etwa ein Prozent der Interessierten.
Angesprochen auf den breiten Aufgabenbereich, den das Rabbinat abdeckt, schmunzelt Moshe Baumel: «Ja, das ist nicht eine blosse Seelsorge oder Betreuung. Das Rabbinat kann man heute auch als eine Art Eventmanagement sehen.»