Ein Schlagzeuger bringt Schwung ins Stedtli

Eric Rütsche hatte einen Traum: Aus einer alten Viehhandlung wollte er ein Musikzentrum machen. Was schleppend begann und fast aus dem Takt geriet, sorgt nun in Liestal für Wirbel. Eine Begegnung.

(Bild: Marc Krebs)

Eric Rütsche hatte einen Traum: Aus einer alten Viehhandlung wollte er ein Musikzentrum machen. Was schleppend begann und fast aus dem Takt geriet, sorgt nun in Liestal für Wirbel. Eine Begegnung.

Eric Rütsche ist das, was man landläufig als Machertyp umschreibt. Einer, der Projekte anreisst. Und sie umsetzt. Mit dem Guggenheim in Liestal hat er in der Baselbieter Hauptstadt einen kulturellen und gastronomischen Ort kreiert, der das Stedtli belebt.

Und das kam so:

Nach seiner Schlagzeugausbildung an einer Musikschule in Zürich zog es Rütsche in die USA, wo er am Berklee College in Boston studierte. Als es seine Frau beruflich nach Liestal verschlug, zog der Solothurner mit, um als Musiklehrer zu arbeiten. Auf der Suche nach einem Eigenheim stach der Familie die alte Villa Burggarten oberhalb der Bahngeleise ins Auge. Rütsche schuf sich darin ein eigenes Studio, das alte Haus mit den vielen Zimmern wurde rasch zu einem Treffpunkt für Musiker. «Andere Musiklehrer fragten, ob sie hier nicht auch unterrichten könnten, also bauten wir weitere Räume aus und ein Netzwerk auf.» Das war vor rund zehn Jahren. 

Von der Hausgemeinschaft zum Geschäftsmodell

Als Rütsche befreundete brasilianische Musiker bei sich unterbrachte, brachte das ihn und seine Frau auf die Idee, in der grossräumigen Villa auch ein Bed & Breakfast einzurichten. «Das Ganze wuchs rasch, wir hatten ständig Gäste im Haus, Musiker – und lebten mit unseren vier Kindern auch selber dort.» Zudem gingen gegen 300 Musikschüler ein und aus. Es wurde zu eng in der Villa. Vom Erfolg überrannt, stach Rütsche bei einem Spaziergang ins Stedtli ein Abbruchobjekt am Wasserturmplatz ins Auge. Die ehemalige Viehhandlung Guggenheim. «Ich machte den Inhaber ausfindig, bat ihn, das Haus anschauen zu dürfen. Doch Guggenheim wimmelte mich ab. Er wollte mit dem Verkauf der Liegenschaft zuwarten, bis die Stadt Liestal den Platz aufgewertet hatte. Er erhoffte sich dadurch eine Wertsteigerung.»

Rütsche blieb hartnäckig. So lange, bis er das vernagelte, versprayte Haus betreten durfte. «Es war ziemlich gefährlich: Im Stall war der Boden eingebrochen, da lagen noch Gabeln und altes Heu rum. Was ich sah, war verkommen. Aber auch charmant, etwa die Kachelöfen im angrenzenden Stallmeisterhaus.» Eine Woche lang zeichnete Rütsche Pläne, entwarf ein Konzept. Damit ging er zu Guggenheim. Doch dieser wollte das Gelände einem Investor überlassen.

Aufgeben kam für ihn nicht infrage: «Wir wollten nichts abreissen, sondern renovieren und anbauen. Die Stadt war begeistert. Und nach anfänglichen Bedenken – das Haus ist nah an den Geleisen –, lenkte auch die SBB ein.»

Dass der Name Guggenheim erhalten bleiben sollte, schmeichelte dem Eigentümer. Aber er hielt Rütsche hin, so lange, dass das Projekt zu scheitern drohte. Am Ende gab er dem Ehepaar doch noch den Zuschlag.

Was Eric Rütsche rasch erzählt – es sprudelt nur so aus ihm heraus –, brauchte Geduld, weitaus mehr Geduld, als man durch einen solchen Artikel erahnen könnte.

Der Erfolg eines Netzwerkers

Bei der Finanzierung kam ihm zugute, dass er einst selber Bankangestellter war, mit Zahlen umgehen kann. Er fand nach langer Suche eine Bank, die einstieg, die anderen 50 Prozent einer Millionensumme trieb der einnehmende Macher privat auf.

Machbar aber war das Monsterprojekt – Umbau einer Viehhandels-Liegenschaft in Hotel, Restaurant (Caffè Mooi), Club und Musikräume – nur dank vielen Eigenleistungen und breiter Unterstützung. Ein Schild am Eingang zeigt die lange Liste an Helfern: Firmen aber auch Privatpersonen kamen der Familie entgegen. Und auch diese brachte Opfer: «Meine Frau und ich steckten ein ganzes Jahr in den Umbau. Anders wäre das Ganze nicht machbar gewesen», sagt Rütsche.

Die Guggenheim-Betreiber waren vom Tag der Eröffnung im August 2012 an zum Erfolg verdammt. «Die ersten drei Jahre waren hart», sagt Rütsche. Aufgrund mangelnder Kenntnisse im Restaurationsbetrieb musste die Familie Lehrgeld zahlen, es gab Kritik an der Küche und dem Service des Caffè Mooi. Auf den Eröffnungsrausch folgten tiefrote Zahlen in der Gastronomie. «Als selbst Kollegen von mir das Restaurant mieden, mussten wir was ändern. Das war brutal.» Mit einem neuen Team kriegte das Guggenheim die Kurve.

Anpassungen gab es auch in der Raumnutzung: Bis vor kurzem veranstaltete Rütsche Akustikkonzerte im Caffè Mooi, darauf will er nach dem Sommer testweise verzichten, es sei zu laut geworden zuletzt für manche Gäste. Ebenso gibt er die zusätzliche Nutzung des Saalbereichs für Tanzkurse und Kinderhort auf. Dafür möchte er den Bereich Bankette und Generalversammlungen ausbauen. Auch, weil diese lukrativer sind und eine gute Ergänzung zu den Konzerten.

Wichtiger Impuls für den Konzertort Liestal

Auf keinen Fall aufgeben will er aber seine Veranstaltertätigkeit. «Das ist im Moment meine grösste Leidenschaft», sagt er. Im Herbst kommen Sina, Franz Hohler, Luca Hänni oder Pink Pedrazzi in die «Guggenheim Arena», die Platz für 250 Besucher bietet.




Liestal hat wieder eine Bühne, auf der regelmässig die Musik spielt.

Diese Livebühne, dieser Impuls von Rütsche, war dringend nötig in Liestal. Denn im Stedtli war es zuvor jahrelang erschreckend ruhig, was Konzerte anging: In den 90er-Jahren lockte noch die Angel’s Blues Bar im Hotel Engel Konzertgänger an, und vereinzelt spielte die Livemusik auch im Modus auf dem Schild-Areal – dieses richtet sich heute gemäss Webseite an «den solventen Clubgänger».

Das Guggenheim hingegen hat sich regional als Ort für Livekonzerte einen Namen gemacht. Hier legt das «Stimmen»-Festival am 8. Juli mit seinen Prolog-Konzerten einen Halt ein. Um 20 Uhr treten Ciaran Lavery, Luke Jackson und Maarja Nuut auf. Der Eintritt ist frei. Und am Sonntag lockt der EM-Final. Public Viewing ohne Konsumationspflicht, wie Rütsche sagt.




Beliebt bei der Liestaler Bevölkerung. Das Public Viewing auf dem Wasserturmplatz.

Die Konzertagenda unter freiem Himmel würde Rütsche gerne ausbauen. Und im nächsten Jahr Stefanie Heinzmann und Jan Delay auf den Wasserturmplatz bringen.

Ist er ein Träumer? «Ja, aber einer, der die Risikokalkulation miteinbezieht», sagt er. Und wofür macht er das alles? «Für mich, für uns, als Familie», sagt er unverblümt. Er ist froh, das ganze Projekt privat realisiert zu haben, «denn so sind wir auch niemandem was schuldig».

Der finanzielle Druck bindet Eric und Yvonne Rütsche noch ein paar Jahre an Liestal, die fälligen Zahlungen wiegen schwer, «niemand würde uns das Guggenheim mit den aktuellen Schulden abkaufen», sagt er. «Aber in zehn Jahren, wenn die jüngste Tochter erwachsen ist, packen wir womöglich etwas ganz Neues an. An einem anderen Ort.»

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Guggenheim, Liestal, Wasserturmplatz 6/7. 
«Stimmen» on Tour: 8. Juli, 20 Uhr mit Ciaran Lavery, Luke Jackson und Maarja Nuut.

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