Zum ersten Mal seit 15 Jahren hat der Schüttelbecher «Tagada» keine Bewilligung für die Herbstmesse erhalten. Die Bahn auf dem Kasernenareal war Treffpunkt der gefährlichen Teenager – und darum immer wieder im Fokus der Polizei. Sicherheitsbedenken hätten beim Entscheid aber keine Rolle gespielt, heisst es im Präsidialdepartement.
Es ist ein Bild grösstmöglicher Trostlosigkeit. Sie haben Haare wie Shaqiri, gepolsterte Daunenjacken, frisierte Augenbrauen und voluminöse Schals. Sie sind jung, schön und sehen etwas gefährlich aus. Und sie quetschen sich an dieser Herbstmesse auf dem Kasernenareal zu fünft in jene Art von Drehkarussell, die auf jedem besseren Spielplatz bevorzugt von Drei- bis Fünfjährigen bedient wird.
Das fix installierte Drehkarussell steht auf dem Kasernenareal etwas verloren zwischen Autoscooter und Boxautomat, dort, wo der Schüttelbecher «Tagada» in den vergangenen fünfzehn Jahren die Messe-Teenager anzog. Wer hält es am längsten in der Mitte des Bechers aus? Wer hüpft besonders cool auf und ab? Und wer fasst einem Mädchen so an die Brust, dass es gerade noch als Versehen durchgeht? Sie hüpften und tanzten, die coolen Teenager, beobachtet von anderen coolen Teenagern und oft auch von älteren Messebesuchern. Das gehörte dazu, zur Herbstmesse: Auf dem Kasernenareal die Jungen zu schauen.
In diesem Jahr versammeln sich die Jungen immer noch hier; hier, wo sonst die Tagada stand. Man hat von Gruppen von Jugendlichen gehört, die über die verschiedenen Messeplätze zogen und den Schüttelbecher suchten. Sie kehrten zurück von ihrer vergeblichen Suche, und liessen sich – etwas verloren dreinblickend – auf dem Drehkarrussell nieder.
Auch die älteren Kasernenbesucher stehen noch herum und schauen den Jungen zu, wie sie den leeren Platz zu füllen versuchen. Ihre Neugier hat nostalgische Gründe. Oder voyeuristische. Nicht wenige sind hier, «um was zu sehn». In den vergangenen Jahren häuften sich die Vorfälle auf dem Kasernenareal. Banden versammelten sich hinter der Tagada, Buben und Mädchen, das eine Wort gab das andere, die Fäuste folgten.
Die Sache mit der Wegweisung
Die Polizei reagierte 2007 auf die Gewalt mit der Wegweisung von 13 jugendlichen Störern vom Areal – ohne rechtliche Grundlage. Die lieferten die Basler Stimmbürger zwei Jahre später nach. Seither hat Basel-Stadt einen Wegweisungsartikel im Gesetz und dennoch jedes Jahr Probleme auf dem Kasernenareal – speziell im Umkreis der Tagada.
In diesem Jahr, dem ersten ohne den Schüttelbecher, gab es noch keinen Zwischenfall, die Messe sei «sehr ruhig» angelaufen, sagt der Basler Polizeisprecher Klaus Mannhart. Ob das mit der fehlenden Tagada zusammenhängt? Wurde die Bewilligung aus Gründen der Sicherheit nicht gewährt? Nein, sagt die Polizei. Nein, sagt auch der verantwortliche Mann im Präsidialdepartement. Nach über zehn Jahren sei es Zeit für einen Wechsel gewesen, erklärt Daniel Arni, Leiter Messen und Märkte, seine Gründe: «Kein Geschäft hat eine Garantie auf einen Platz.» Von Zeit zu Zeit brauche es eine Änderung im Angebot. Das heisse nicht, dass die Tagada nie mehr eine Bewilligung erhalte. «Das kann schon in einem Jahr wieder ändern.»
Die Entscheidung, den Schüttelbecher in diesem Jahr von der Herbstmesse auszuschliessen, sei nicht von aussen beeinflusst gewesen, sagt Arni. Auch Sicherheitsbedenken hätten keine mitgeschwungen: «Wir arbeiten eng mit der Polizei zusammen. Einfluss auf unseren Beschluss hat sie aber nicht.»
Ob die Sicherheitssituation auf der Kaserne durch den Wegfall der Tagada langfristig verändert wird, vermag Beat Burkhardt, der leitende Jugendanwalt Basel-Stadt, noch nicht abzuschätzen. Auch ohne den Schüttelbecher bleibe der Seiteneingang zur Kaserne «heikles Terrain». Zudem müssten sich die Jugendlichen zuerst noch daran gewöhnen, dass es in diesem Jahr keinen Schüttelbecher gebe. «Das dauert länger als ein Wochenende.» Erst danach werde klar, was das Fehlen der Bahn für Konsequenzen hat.
Gewinner und Verlierer
Der Betreiber der Tagada, Schausteller Chrigel Ramsauer aus Zürich, wäre auch dieses Jahr gerne nach Basel gekommen. Nun wird er seine Bahn etwas früher ins Winterquartier einlagern. «Es gibt in jedem Gewerbe Gewinner und Verlierer. In Basel bin ich nun ein Verlierer. Obwohl meine Bahn Kult war.» Man vermisse ihn, das hat er schon aus Basel gehört, speziell die Jungen seien enttäuscht, die jungen Migranten, «die sind mein Publikum». Es brauche auf einer Messe einen Ort, der helfe, bei den Jungen die Aggressionen abzubauen. Und seine Tagada sei dieser Ort gewesen. Ramsauer hofft nun auf das nächste Jahr. Er will wiederkommen.
Quellen
Artikelgeschichte
1.11.11, 17 Uhr: Aussagen von Beat Burkhardt ergänzt, dem leitenden Jugendanwalt Basel-Stadt