Zwei Professorinnen der Hochschule für Soziale Arbeit in Olten haben die Arbeitsbedingungen der Sexarbeiterinnen im Basler Rotlichtmilieu erforscht.
Das Anliegen, die Arbeitsbedingungen für Sexarbeiterinnen zu verbessern, ist zwar noch nicht so alt wie das Gewerbe selbst, aber auch schon ziemlich alt. Seit Jahren fordern Fachorganisationen, die Prostituierte beraten und betreuen, mehr Schutz vor Gewalt und Ausbeutung für ihre Klientel. Das Gros der Gesellschaft kümmert es jedoch wenig, wie es den Frauen (und Männern), die Sex gegen Geld anbieten, geht. Ausser, wenn wieder einmal eine Gewalttat im Rotlichtmilieu für Schlagzeilen sorgt – dann flammt das öffentliche Interesse kurz auf, schwindet aber schnell wieder. So ist es kein Wunder, dass sich dort im Gegensatz etwa zur häuslichen Gewalt, wo inzwischen diverse Schutzmassnahmen getroffen wurden, wenig verbessert hat.
«Die Sexarbeiterinnen haben keine Lobby», sagt Maritza Le Breton, Professorin an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW in Olten, «man erachtet sie als selber schuld, wenn ihnen etwas passiert». Le Breton weiss, wovon sie spricht. Sie und ihre Kollegin Eva Büschi haben die letzten Jahre im Basler Sexgewerbe zum Thema Gewalt geforscht und unlängst die Ergebnisse publiziert. Während Le Breton die Sexarbeiterinnen befragte, tat Büschi dasselbe bei den Geschäftsführern von Salons und Kontaktbars.
Zwang zum Trinken
Den Auftrag erhielten sie vom Basler runden Tisch zur Prostitution, an dem Strafverfolger und Migrationsbeamte gemeinsam mit Fachleuten aus den Beratungsstellen die Probleme im Sexgewerbe besprechen. Anlass für die Studie waren mehrere brutale Überfälle in Thai-Salons im Kleinbasel, bei denen die dort arbeitenden Frauen beraubt und vergewaltigt worden waren. Gewalt, so fanden die Forscherinnen heraus, erleben die Sexarbeiterinnen in vielen Dimensionen. Körperlich und verbal. «Beschimpfungen und Erniedrigungen», sagt Le Breton, «sind alltäglich bei der Arbeit im Sexgewerbe».
Als sehr stossend finden die befragten Frauen den Zwang zum Alkoholtrinken. Sicher, einige würden auch trinken, um die Arbeit zu ertragen, sagt Le Breton, «aber in erster Linie trinken sie, weil sie so die Miete für ihr Zimmer niedriger halten können». Animierbars sind in Basel zwar offiziell verboten, jedoch als ausgeklügeltes System im Sexgewerbe ein offenes Geheimnis. Und das funktioniert so: Der Barbetreiber ist häufig auch Zimmervermieter. Die Mieten sind horrend, 100 Franken pro Tag keine Seltenheit.
Je mehr Umsatz aber eine Frau dem Barbetreiber mit Getränken, die ihr der Freier spendiert, liefert, desto weniger bezahlt sie für das Zimmer. Also: Möglichst viel trinken – was nicht nur die Gesundheit der Frauen ruiniert, sondern auch für manche ihrer Freier Grund genug ist, jeglichen Respekt fallen zu lassen. Besonders prekär ist die Situation für die Frauen, die illegal hier arbeiten. «Sie trauen sich nicht, sich an die Polizei zu wenden, wenn sie Gewalt erfahren.»
Die Familie als Zuhälter
Bessere Arbeitsbedingungen, so das Fazit der beiden Professorinnen nach ihrer Studie, liessen sich nur durch rechtliche und gesellschaftliche Anerkennung der Prostitution erreichen. «Aus einer nüchternen und sachlichen Perspektive heraus ist es schliesslich eine Arbeit wie jede andere», sagt Le Breton, «eine Dienstleistung mit dem Produkt Sex als Angebot».
Die meisten ihrer Interviewpartnerinnen seien auch durchaus selbstbewusste Frauen, die sich – aus unterschiedlichen Gründen – für die Sexarbeit entschieden hätten. Viele unterstützen so ihre Familie in ihrer Ursprungsheimat. «Eine aus Afrika stammende Frau sagte mir, die Familie sei der grösste Zuhälter», erzählt Le Breton. Nebst für die vier eigenen, inzwischen erwachsenen Kinder in Frankreich habe die Frau noch für weitere Verwandte in Afrika gesorgt.
Doch wie sähe die Anerkennung der Sexarbeiterinnen konkret aus? Als Angestellte in Salons, sagt Le Breton, sollten sie Arbeitsverträge haben wie andere Angestellte auch, mit Sozialleistungen und sämtlichen Rechten und Pflichten. Auch Aus- und Weiterbildung – «sie sollten sich die Kompetenzen aneignen können, die sie für die Sexarbeit brauchen». Nach dem Motto: qualifizieren statt stigmatisieren.
Ob die Erkenntnisse der Studie den altbekannten Forderungen Auftrieb geben können? Viky Eberhard, Leiterin der Beratungsstelle «Aliena» für Frauen im Sexgewerbe, glaubt daran. Man sei seit einiger Zeit auf gutem Weg – die Zusammenarbeit mit den Behörden sei eindeutig besser als früher, «und es wird weiter vorwärts gehen, wenn auch nur im Schneckentempo».
Quellen
Eva Büschi: Sexarbeit und Gewalt, Verlag Tectum, 2011; Maritza Le Breton: Sexarbeit als transnationale Zone der Prekarität, VS-Verlag 2011.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 20/01/12