In seinem letzten Text hat unser Kolumnist seiner Betroffenheit darüber Ausdruck verliehen, dass Fake News und Verschwörungstheorien nicht mehr nur in dubiosen Zirkeln auf Akzeptanz stossen. Danach ist eine Welle von Hass und Diffamierung über ihn hereingebrochen.
Da habe ich ja eine ziemliche Büchse der Pandora geöffnet. Noch selten wurde ich so angefeindet wie von den Anhängern des Friedensforschers Daniele Ganser.
Auch in der Schweizer Rapszene melden sich aus manch Marihuana-Rauch-geschwängertem Keller Experten der Zwillingsturm-Baustatik und Geopolitik zu Wort – und hören nicht mehr auf. Ich wollte eigentlich einen Strich ziehen. Da sich aber auch zu meiner Kolumne bei der TagesWoche viele geäussert haben, zum Teil auch gebildete Leute in differenzierteren Kommentaren, dachte ich, ich gehe auf die Top-4-Einwände gegen meine Äusserungen in der TagesWoche und auf Facebook kurz ein:
«Du kannst Ganser nicht in eine Ecke mit Holocaust-Leugnern und Spinnern stellen, nur wegen gewissen Auftritten und weil braun angehauchte Plattformen seine Beiträge teilen. Er ist Doktor und Friedensforscher und deckt auf!»
Aufgrund der Häufigkeit dieses Einwands bin ich der Sache noch einmal nachgegangen – mit folgendem Resultat: Ganser tritt nicht sporadisch, sondern immer wieder vor dubiosen Gesellschaften, bei AfD- und Pegida-nahen Organisationen sowie mit Verschwörungstheoretikern, Holocaust-Leugnern und Esoterikern auf. Er leitet seine Aussagen gern ein mit Formulierungen wie «Wir Forscher…» oder «Wir Wissenschaftler…». Leider aber ist es so, dass die ernst zu nehmende Wissenschaft und Forschung den Doktor längst nicht mehr ernst nimmt und er somit fast gezwungen ist, vor braun-esoterisch-besorgtem Publikum aufzutreten.
Gansers Auftritt beim Endzeitprediger
Symptomatisch dafür ist sein Auftritt bei Ivo Saseks Anti–Zensur-Kommission. Das Video davon machte differenziert denkende Ganser-Sympathisanten dann doch etwas nachdenklich. Trotzdem betonten sie immer wieder, Ganser habe sich während des Events klar vom Endzeitprediger distanziert. Hat er das? Für mich misst sich die einzig gültige Distanzierung von so einem Event in Metern, besser noch in Kilometern: nicht hingehen!
Jeder, der diesen Ivo Sasek googelt (ich weiss schon, liebe Trolls: Google ist böse) sieht sofort: Hier wird Hitler verharmlost und der Holocaust relativiert, hier wird christlich fundamentalistisches Gedankengut gepredigt, hier wird Sektierertum getrieben. Ein Grossteil von Saseks Anhängerschaft sind bekehrte Schafe, die Liste der Redner an seinen Events liest sich wie die Besetzungsliste einer Freak-Show.
Dr. Ganser «distanziert» sich von Sasek, indem er sagt, er habe nicht gewusst, wer Sasek sei, und bei einer kurzen Recherche auch nichts gefunden, was gegen ihn sprechen würde. Zu einer Zusage bewegt habe ihn, dass sich Sasek gegen Angriffskriege ausspreche und als Verschwörungstheoretiker stigmatisiert werde. Null Distanzierung also. Auch er, Ganser, werde immer wieder als Verschwörungstheoretiker diffamiert, das habe ihn motiviert. Tosender Applaus aus dem Publikum.
Ab in die Opferrolle
Applaus ertönt auch während Gansers Vortrag immer wieder. Der Vortrag handelt von verdeckter Kriegsführung. Als Friedensforscher hätte er doch – vor so einem Publikum, vor diesem Sasek und in Anbetracht der Holocaust-Leugner, die auch schon an diesem Pult sprachen – ein paar Worte über die Gefahr von Fundamentalismus, von Holocaust-Leugnerei und blinder Nachfolge verlieren können. Tat er aber nicht. Tut er selten.
Sein Verhalten lässt keine Distanzierung erkennen, sondern eine Solidarisierung mit Sasek und dessen Getreuen sowie gleichzeitig die Einnahme der altbekannten Opferrolle. Ganser weist auch seine Anhänger selten in die Schranken, wenn sie ins Irrationale driften oder rassistische Seiten und Blogs betreiben. Weil ein Grossteil seiner Anhänger eben so tickt, wie oben beschrieben.
«Du kannst doch nicht Leute, die an der offiziellen Version von 9/11 zweifeln, in einen Topf werfen mit Leuten, die an Chemtrails und Reptilien-Menschen glauben.»
Doch, kann ich. Der Topf heisst: Ich begründe mein Weltbild mit alternativen Fakten. Und glaubt mir: Ich habe versucht, völlige Wirrköpfe und differenziert Argumentierende klar zu trennen. Aber die Grenzen sind leider sehr fliessend. Immer wieder gelangte ich genau bei denjenigen Menschen und Gruppen, die mir den Vorwurf der Pauschalisierung machten, mit ein, zwei Klicks auf Verweise zu braunem, esoterischem oder hetzerischem Gedankengut.
Blanker Hass schlägt mir entgegen. Das ist genau die Reaktion von fanatischen Anhängern einer Religion, eines Kults, einer Ideologie.
Einer, der mir Pauschalisierung vorgeworfen und ein einstündiges Antwort-Video geschickt hat, verbreitet auf seinem Kanal auch Videos, in denen ein paar junge Frauen den Einsatz von Chemtrails seitens der Regierung gegen die Bevölkerung «nachweisen». Und ich könnte Dutzende solcher Kolumnen mit weiteren Beispielen dieses Paradoxons füllen.
«Wie kannst du es wagen, den Friedensforscher Ganser anzugreifen und uns als seine Jünger zu bezeichnen, du ahnungsloser Dummschwätzer!»
Dieser Einwand entlarvt sich selbst. Wie gesagt: Leute schicken mir stundenlange Videos. Ich musste einige Personen nach mehrfacher Verwarnung auf Facebook sperren. Nicht weil sie mir widersprachen, sondern weil sie Dutzende Kommentare schrieben. Blanker Hass schlägt mir entgegen. Drohungen und Verhöhnungen. Das ist genau die Reaktion von fanatischen Anhängern einer Religion, eines Kults, einer Ideologie.
Du bist vom Mainstream bezahlt, verfolgst eine Agenda, bist eine «Presstituierte», also eine Medienhure.
Auch dieser Vorwurf entlarvt das paranoide Weltbild, derer, die ihn aussprechen.
Der Beweggrund für meine Äusserungen ist meine kritische Auseinandersetzung mit Gesellschaft und Politik. Und da beobachte ich eben eine Tendenz zur Irrationalität, die nun auch Gefilde von kritisch Denkenden und Weltverbesserern einnimmt – und das macht mir mehr Sorgen als alle bekennenden Neonazis zusammen.
Ich schwöre hiermit einen heiligen Illuminaten-Schwur, dass ich keinem Geheimbund angehöre und mit keinem Mainstream-Medium unter einer Decke stecke. Ausser vielleicht mit der TagesWoche – die scheint ja ein Lügenmedium zu sein, wenn sie meine Texte druckt.