Eine Stadt braucht das Recht auf Lärm

Die FDP hat zur Diskussion der Frage geladen: «Wie aktiv soll der Staat den öffentlichen Raum beleben?» Die Antwort war wenig überraschend. Die Forderungen der Diskutierenden umso mehr: Die aktuellen Gesetze müssen weg, eine neue Kultur entstehen und die Gesellschaft sich mehr engagieren.

Der öffentliche Raum – hier das Kleinbasler Rheinufer – wird immer mehr zum Politikum. (Bild: Nils Fisch)

Die FDP hat zur Diskussion der Frage geladen: «Wie aktiv soll der Staat den öffentlichen Raum beleben?» Die Antwort war wenig überraschend. Die Forderungen der Diskutierenden umso mehr: Die aktuellen Gesetze müssen weg, eine neue Kultur entstehen und die Gesellschaft sich mehr engagieren.

Die FDP hat den Entscheid am Mittwochabend wahrlich nicht einfach gemacht. Draussen schien die Sonne, der FCB lief sich gerade im Joggeli warm und die Partei lockte am 3. Kleinbasler Freiheitspodium mit der Frage: «Wie aktiv soll der Staat den öffentlichen Raum beleben?» Dass die Reihen im Saal des Restaurant Parterre angesichts dessen gefüllt waren, verbuchte Moderator und Grossrat Baschi Dürr zurecht als Erfolg. Wer in die Runde blickte, sah junge Männer, ältere Damen und noch ältere Herren. Er merkte aber auch schnell: Das Thema ist heiss und das nicht nur wegen des nahenden Sommers.

Die Debatte zwischen Stadtentwickler Thomas Kessler, Kulturfloss-Chef Tino Krattiger und Fabian Müller, Pressesprecher des Vereins Neu Basel, verlief allerdings ungewohnt. Die drei Herren waren sich einig: Seit den 80er-Jahren finde kontinuierlich eine «Mediterranisierung des öffentlichen Raumes» statt (Thomas Kessler) und diese «Kulturrevolution» (Tino Krattiger) sei «nicht mehr umzukehren» (Fabian Müller). Dass die Stadt nun mit den neuen Buvetten und der Auschreibung der Zwischennutzung des Klybeckquai aktiv in diese Entwicklung eingreift, ist die Folge einer nicht mehr zeitgemässen Gesetzeslage, darin waren sich die drei Podiumsteilnehmer ebenfalls einig.

Menschen können tolerant sein, das Gesetz nicht

Die Lärmschutzverordnung verhindere, dass neue Projekte entstehen und Basel eine grossstädtische Gastronomie erhalte, kritisierte Tino Krattiger und wurde von Fabian Müller unterstützt: «Das Recht auf Lärm gehört in einer Stadt dazu.» Das Problem aus Sicht der Verwaltung ist, dass «Menschen tolerant sein können, nicht aber Gesetze», erklärte Thomas Kessler. Die Verordnungen seien aus einer Zeit, da der öffentliche Raum viel weniger genutzt worden sei. Es brauche einen Mehrheitsbeschluss darüber, wie dies in Zukunft geregelt werden soll. «Wenn jemand kommt und sagt, der Lärmplan sei veraltet und müsse überarbeitet werden, sage ich: noch so gerne», so der Stadtentwickler.

Kessler kritisierte die Fixierung auf den Staat und forderte mehr Engagement von der Zivilgesellschaft. Die Verwaltung bemühe sich nicht um die Buvetten und die Zwischennutzung des Hafenareals, weil sie das will, sondern weil sie den Prozess der Belebung abkürzen und beschleunigen will. Wo es Leben gebe, dort gebe es auch soziale Kontrolle und damit weniger Probleme. Müller begrüsste die Bemühungen der Verwaltung. «Eine Stadt ist aber kein Europapark, sie lässt sich nicht von oben organisieren.» Die Stadt müsse deshalb vor allem als Moderator und Kanalisator auftreten. Tino Krattiger ging noch einen Schritt weiter und forderte, dass die Politik den Rahmen vorgeben müsse. «Die Parteien müssen sagen, was für eine Stadt sie wollen und wofür sie stehen.»

Neue Kultur für öffentlichen Raum gefragt

Aber selbst die FDP tat sich schwer an diesem Abend schwer, ihre Vorstellung eines Zusammenlebens im öffentlichen Raum auf den Punkt zu bringen. Baschi Dürr griff zwar die Forderung auf, beliess es allerdings dabei sie an Kessler und Müller weiterzugeben. Das Grundproblem im öffentlichen Raum – befanden die drei Podiumsgäste unisono – liege nicht nur bei den falschen Rahmenbedingungen und veralteten Gesetzen, sondern auch beim einzelnen Bewohner der Stadt. Viele sehen den öffentlichen Raum vor ihrem Zuhause als Teil ihres privaten Hoheitsgebietes.

Geschehen in diesem Grenzgebiet zwischen öffentlichem und privatem Raum Sachen, die den Anrainern nicht gefallen oder sie nicht kennen, holen sie einfach die Polizei. «Es fehlt ihnen», so Thomas Kessler, «die nötige Kultur damit umzugehen.» Dasselbe gelte allerdings auch teilweise für diejenigen, die den öffentlichen Raum nutzen. «In Italien kommt keiner auf die Idee auf der Piazza ein Feuer zu machen oder um vier Uhr früh auf Bongos zu spielen.»

Letztlich lässt sich aus der Podiumsdiskussion folgern, braucht es angesichts der zunehmenden Konflikte im öffentlichen Raum neben neuen Rahmenbedinungen der Politik und mehr Engagement der Zivilgesellschaft vor allem auch eine neue Kultur – ein gemeinsames Verständnis dafür wozu und wie intensiv wir den öffentlichen Raum nutzen können.

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