Hausärzte sind die erste und wichtigste Anlaufstelle für Patienten. Sie kennen ihre Kunden in- und auswendig – und können am besten abschätzen, wann welche speziellen Heilmethoden angesagt sind.
Herr Fritz Braun war ein sehr distinguierter Herr, Unternehmer mit vielen persönlichen und institutionellen Beziehungen, mit einem grossen sozialen Netzwerk. Ein Ästhet und Kunstliebhaber.
Als langjähriger Raucher litt er an einer chronischen Lungenkrankheit. Zur Behandlung dieses Leidens ging er regelmässig zum Lungenspezialisten. Er kannte auch einen Herzspezialisten an der Universitätsklinik, den er gelegentlich aufsuchte, um sich bestätigen zu lassen, dass keine Gefahr im Anzug sei.
Zum als Hausarzt ging nur «in Not» oder wegen Kleinigkeiten wie Erkältungen oder bei Bauchschmerzen, wenn er wieder einmal zu viel gegessen hatte.
Hausarzt als erster Berater
Mit den Jahren wurden diese Besuche allerdings häufiger. Ein Altersdiabetes erforderte regelmässige Kontrollen und Behandlung, zuerst mit Tabletten, später musste er sogar Insulin spritzen. Es trat ein erhöhter Blutdruck auf, und es plagten ihn beim Gehen Schmerzen wegen einer Hüftarthrose. Herr Braun wurde gebrechlich und brauchte häufiger Rat.
Als der Lungenspezialist, den er nach wir vor «sicherheitshalber» konsultierte, feststellte, dass der Prostata-Wert (PSA) deutlich zu hoch für einen 80-jährigen Patienten war und auf einen versteckten Tumor hindeutete, war Braun stark verunsichert. Der Lungenspezialist wollte ihm keinen Rat geben, da dies nicht sein Gebiet sei. Er verwies den Patienten an den Hausarzt. Dieser solle mit ihm das weitere Vorgehen besprechen.
Nach sorgfältigem Abwägen und in Würdigung seiner gesamten gesundheitlichen Situation riet der Hausarzt seinem Patienten, noch ein wenig abzuwarten – da eindeutige Symptome nicht auszumachen seien. Fehlende Beschwerden von Seiten der Prostata bei fortgeschrittenem Alter lassen im allgemeinen darauf schliessen, dass ein vermuteter Prostata-Tumor für den Patienten keine Bedeutung erlangen wird.
Richtige Therapie zur richtigen Zeit
Die anderen chronischen Krankheiten waren für den Patienten von weitaus grösserer Bedeutung. Natürlich war der Patient trotzdem sehr beunruhigt und verunsichert, ob dieses Vorgehen richtig sei, ob nicht doch etwas gemacht werden müsse.
In den folgenden Konsultationen beim Hausarzt, zu denen der Patient wegen Diabetes mellitus kam, wurde das Problem immer und immer wieder besprochen. Obwohl er verunsichert war, hielt sich der Patient an den Rat des Hausarzts. Und irgendwann meinte er spontan: «Erst mit dem Alter habe ich realisiert, wie wichtig es ist, einen Hausarzt zu haben. Es ist viel wichtiger, einen Hausarzt zu haben, dem man vertraut, als bei vielen Spezialisten seine Organe kontrollieren zu lassen.»
Diese typische Geschichte zeigt anschaulich, weshalb es wichtig ist, dass Sie einen Hausarzt haben:
- Der Hausarzt kennt nicht nur Ihre Organe, er kennt auch Sie als Person. Gerade im höheren Alter leidet der Mensch nicht nur an einer einzigen Krankheit. Das Zusammentreffen mehrerer Gebrechen erfordert ein individuelles Vorgehen. Manchmal gilt dabei das Motto «Weniger ist mehr», das heisst: Durch Weglassen von medizinischen Massnahmen gewinnt der Patient an Lebensqualität, ohne dass die Lebenserwartung verkürzt wird.
- Der Hausarzt berät Sie, ob und wann Spezialisten zugezogen werden sollen. Er verweist Sie an die zuständigen Spezialisten und orientiert diese über Ihre gesundheitlichen Probleme.
- Der Hausarzt koordiniert die Behandlungen, sollten sich mehrere Spezialisten um Ihre Gesundheit kümmern müssen. Er pflegt eine gute Kooperation mit den Spezialisten.
- Beim Hausarzt erhalten Sie eine Zweitmeinung, falls Sie nicht sicher sind, ob vorgeschlagene Therapien richtig sind.
- In der modernen Medizin gibt es eine Flut von Richtlinien und Empfehlungen, nicht immer können alle eingehalten werden. Der Hausarzt findet für Sie den optimalen Behandlungspfad.
- Der Hausarzt kümmert sich auch um vorbeugende Massnahmen wie Impfungen und Reiseberatung, und zu seiner täglichen Beratungstätigkeit zählen auch Diätregeln.
Dr. med. Peter Strohmeier, Innere Medizin FMH, Therwil,
und Dr. med. Peter E. Schlageter, Innere Medizin FMH, Reinach