Neue Chefin, neues Programm, neue Website und viele, viele Kündigungen. Bei «Telebasel» wurde die letzten eineinhalb Jahre umgebaut, dass kein Stein auf dem anderen blieb.
Ende Monat steigt bei «Telebasel» jeweils die Spannung. Vor allem die Mitarbeiter in der Redaktion fragen sich dann: Welcher Kollege geht wohl als Nächster? Bleibt meine Tischnachbarin dieselbe?
Seit Anfang 2015 hatte der Lokalsender insgesamt 31 Abgänge zu verzeichnen, auslaufende Praktikumsverträge nicht mitgerechnet. Fünf davon sind Entlassungen. Das ergibt durchschnittlich zwei Kündigungen pro Monat, die an der Steinenschanze auf dem Schreibtisch des CEOs Dominik Prétôt landen.
Am 28. Januar ging «Telebasel» mit einem neuen Programm auf Sendung, gleichentags wurde eine neu gestaltete Website aufgeschaltet. Das sind jedoch nur die zwei sichtbarsten Neuerungen, die im Unternehmen unter dem Slogan «Alles neu bei Telebasel» vollzogen wurden. Dahinter steckt eine profunde Neuausrichtung des gesamten Apparates beziehungsweise ein «Change-Prozess», wie Prétôt es gerne nennt.
Müller und Prétôt räumen ein, dass die Personalfluktuation in den letzten Monaten extrem hoch gewesen sei. Doch ein «Change-Prozess» bringe das mit sich, sagt Prétôt. «Vorher hatten wir für ein Medienunternehmen fast eine zu geringe Fluktuation.» Bei einer derart profunden Veränderung sei es nicht verwunderlich, wenn sich viele Mitarbeiter im Unternehmen nicht mehr wiedererkennen, sagt Müller. «Praktisch niemand macht heute noch das Gleiche wie vor einem Jahr.»
«Man kann Menschen nur auf eine Reise mitnehmen, wenn man ihnen sagt, wo das Ziel liegt», sagt Müller. Und dieses Ziel sei zu Beginn noch nicht so klar oder noch geheim gewesen. Das schaffe eine Situation, die nur schwer auszuhalten sei. «Es ist klar, dass in dieser Situation ein Angebot eines anderen Medienhauses, das womöglich noch höhere Löhne zahlt, attraktiver ist», sagt Müller.
Viel lieber als über die Abgänge reden Müller und Prétôt aber über die Neuanstellungen. «Früher hatten wir Mühe, gute Leute zu finden, das ist heute anders», sagt CEO Prétôt. «Wir erhalten hundert Bewerbungen pro Ausschreibung», sagt Müller. Während «Telebasel» früher auf der Karriereleiter eines Mitarbeiters eher eine der unteren Stationen dargestellt habe, seien jetzt auch bestens ausgebildete und erfahrene Personen an einer Anstellung interessiert. «Ausserdem wurde mit dem neuen Konzept nicht abgebaut, wir haben personell sogar noch zugelegt.»
Aufbauarbeit mit Praktikanten
Und doch: Die Kündigungswelle hat Spuren hinterlassen, auf der Redaktion ist viel Erfahrung verloren gegangen. Das zeigt sich etwa daran, dass die drei Leitungsposten auf der Fernsehredaktion mit sehr jungen Journalisten besetzt sind. Was in einem gut funktionierenden Unternehmen eine gute Möglichkeit darstellt, um künftige Kaderleute auszubilden, mutet in einem derart profunden Veränderungsprozess doch eher als Verzweiflungstat an.
Noch verheerender ist die Situation in der Online-Redaktion. Deren Belegschaft wurde in dem Dreivierteljahr ihres Bestehens bereits zweimal komplett ausgetauscht. Die von Müller ins Boot geholte Leiterin musste bereits wieder gehen. Heute sind dort sieben Personen beschäftigt, ab Mai noch fünf. Der Anteil Praktikanten liegt in der Online-Redaktion mit über 50 Prozent sehr hoch, insbesondere wenn man in Betracht zieht, dass es sich um eine Redaktion handelt, die von Grund auf etabliert werden soll. Aufbauarbeit mit Praktikanten? Ein abenteuerlicher Plan.
Von der mit dem Relaunch versprochenen «Newsplattform für die Region» ist unter telebasel.ch wenig zu sehen. Bei den Beiträgen handelt es sich hauptsächlich um Agenturmeldungen, Sendungshinweise und internationales Dies-und-das. Genuine Eigenleistungen sind kaum auszumachen, einen Schwerpunkt scheint die Berichterstattung über die Dating-Sendung «Bachelorette» zu bilden.
Diese personelle und publizistische Marginalisierung der Online-Redaktion ist jedoch Konzept, wie CEO Prétôt sagt. «Es ist klar, dass wir nicht zu viele Ressourcen ins Online stecken können. Sonst kommen wir in einen Konflikt mit unserer Konzession.» Das Online-Team wird also kleingehalten, um der hängigen Konzessionsklage, die Medienunternehmer Christian Heeb gegen «Telebasel» eingereicht hat, keine Angriffsfläche zu bieten. «Der Webauftritt dient hauptsächlich dazu, unsere TV-Beiträge an ein internetaffines und deshalb fernsehfernes Publikum zu bringen», sagt Prétôt.
Die vielen Abgänge wirken sich auf die Qualität aus. Das neue «Telebasel»-Programm wird reihum als oberflächlich wahrgenommen, auch intern ist die Unzufriedenheit gross. In den kürzeren Newsbeiträgen können Themen höchstens gestreift werden, einzig die Sendung «Talk» bietet sich für die punktuelle Vertiefung an. Eine Umfrage der TagesWoche fällt vernichtend aus. Auch wenn sie nicht repräsentativ ist, so zeigt sie eine Tendenz auf: Über 90 Prozent der Teilnehmer geben an, «Telebasel» nicht oder nicht mehr zu schauen. Ebenso wenig Zuspruch erhält der Webauftritt.
Den Grund für diese publizistische Schwäche sehen einige aktuelle und ehemalige Redaktoren bei Karin Müller. Die Chefredaktorin wird intern als «wenig journalistisch» wahrgenommen. Auch eine klare Haltung vermissen viele. Ihre Rolle sei während des Umbaus mehr die einer «Managerin» gewesen, sagt Müller zu den Vorwürfen. «Erst jetzt können wir uns langsam wieder um die Inhalte kümmern.» Sie erwarte aber auch von der Redaktion eine proaktivere inhaltliche Teilnahme. «Es kann nicht sein, dass wir aus der Programmleitung den Redaktoren die Geschichten in den Block diskutieren müssen.»
Im Hause «Telebasel» steht also bereits der nächste Kulturwandel an.
Artikelgeschichte
27. April 2016, 14 Uhr: Im 2. Absatz wurden die beiden Sätze «Per Ende April verlassen noch einmal vier Angestellte das Unternehmen. Das ergibt total 35 Abgänge in 16 Monaten.» gestrichen. Bei dieser Rechnung lag ein Missverständnis vor, es sind total 31 Abgänge in 16 Monaten.