Einst ungeliebte Hochkonjunktur-Bauten werden zu Baudenkmälern

Bauten aus den Nachkriegsjahren haben einen schlechten Ruf. Oft zu Recht, aber nicht immer, wie einige repräsentative Beispiele aus den 1950er- und 1960er-Jahren zeigen, die von der Basler Denkmalpflege ins Inventar der schützenswerten Bauten aufgenommen wurden.

Markanter Kopfbau der Aeschenvorstadt: der Bau der ehemaligen Handwerkerbank von Bräuning, Leu und Dürig (Baujahr 1958).

(Bild: Dominique Spirgi)

Bauten aus den Nachkriegsjahren haben einen schlechten Ruf. Oft zu Recht, aber nicht immer, wie einige repräsentative Beispiele aus den 1950er- und 1960er-Jahren zeigen, die von der Basler Denkmalpflege ins Inventar der schützenswerten Bauten aufgenommen wurden.

Die Nachkriegszeit, besonders die 1950er- und 1960er-Jahre, haben das Basler Stadtbild markant verändert. Die zunehmende Automobilisierung wurde zum prägenden Entwicklungsmassstab, ebenso der Bauboom, der mit spekulativen Neubauten empfindliche Breschen in die historische Bausubstanz schlug.

Ein Musterbeispiel für diese Entwicklung ist die Aeschenvorstadt. Dort wurde, um für das wachsende Verkehrsaufkommen Platz zu schaffen, eine ganze Strassenseite abgerissen – darunter auch historisch wertvolle Bauten wie der mittelalterliche «Sternen», das älteste Gasthaus Basels, und das repräsentative Handelshaus «Goldener Löwen» aus dem 18. Jahrhundert. 

Beide Häuser wurden im St. Alban-Tal und in der St. Alban-Vorstadt zwar wieder aufgebaut, die Strasse selber aber war danach nicht wiederzuerkennen. Es entstanden mächtige neue Konsumtempel, angefangen mit dem Drachen-Center (1954), das erste Shopping-Center Basels, das rund zehn Jahre später mit dem Anfos-Haus ein neueres Pendant erhielt.

Aus Schandflecken werden Baudenkmäler

Aber gerade die beiden genannten Beispiele sind für die Basler Denkmalpflege Zeugnisse, dass in den boomenden 1950er- und 1960er-Jahren nicht nur «Wegwerfarchitektur» entstand, sondern imposante neue Architektur, die heute den Status von schützenswerten Baudenkmälern innehat. – «Auch wenn dies für viele Menschen vielleicht noch schwer verständlich sein mag», wie der Basler Denkmalpfleger Daniel Schneller an einem Medienspaziergang durch die Aeschenvorstadt bis in die St. Jakobs-Strasse sagt.



Nur noch zum Teil im Originalzustand: das Drachen-Center von Arthur Dürig und Franz Bräuning (Baujahr 1954)

Nur noch zum Teil im Originalzustand: das Drachen-Center von Arthur Dürig und Franz Bräuning (Baujahr 1954). (Bild: Dominique Spirgi)

Das Drachen-Center der Architekten Arthur Dürig und Franz Bräuning symbolisierte zu seiner Entstehungszeit wie kein anderes Gebäude in Basel das Fortschrittsdenken der 1950er-Jahre. Leider sind mit der Sanierung und dem Einzug des Migros-Markts vor sieben Jahren die Einkaufspassagen im Erdgeschoss, in denen sich ursprünglich 17 Geschäfte und ein Restaurant befanden, verschwunden. Das Gebäude entspricht also nur noch äusserlich dem grossstädtischen multifunktionalen Zentrum von einst.



Musterbeispiel der Hochkonjunktur-Architektur: Das Anfos-Haus von Johannes Gass   Wilfried Boos sowie Max Rasser   Tibère Vadi (Baujahr 1963)

Musterbeispiel der Hochkonjunktur-Architektur: das Anfos-Haus von Johannes Gass Wilfried Boos sowie Max Rasser Tibère Vadi (Baujahr 1963). (Bild: Dominique Spirgi)

Anders präsentiert sich die Situation beim Anfos-Haus der Architekten Johannes Gass + Wilfried Boos sowie Max Rasser + Tibère Vadi, das erst kürzlich umfassend saniert wurde. Hier ist die vornehme Ladenpassage mit den gediegenen Möbelgeschäften erhalten geblieben – zumindest im Grundriss, denn nicht zuletzt wegen der Verwendung von Asbest im Originalbau sind im Innern der Passage jetzt andere Materialien vorherrschend.

Für die Denkmalpflege ist das Wohn- und Geschäftshaus zusammen mit dem Lonza-Hochhaus das eindrücklichste Beispiel grossstädtischer Architektur aus der Nachkriegszeit. Es ist 1963 entstanden, im Jahr, als auch das achtgeschossige Bürogebäude der Schweizerischen Treuhandgesellschaft an der St. Jakobs-Strasse fertiggestellt wurde. Durch seine freistehende Position erhält das Gebäude von Suter + Suter-Architekten eine besondere Präsenz im Stadtbild.

Beispiele guter Zusammenarbeit



Vorblidlich renoviert: das Haus der ehemaligen Treuhand-Gesellschaft von Suter   Suter (Baujahr 1963)

Vorblidlich renoviert: das Haus der ehemaligen Treuhand-Gesellschaft von Suter Suter (Baujahr 1963). (Bild: Dominiqie Spirgi)

Für Reto Bieli, Bauberater der kantonalen Denkmalpflege, ist die kürzlich abgeschlossene Sanierung dieses Hauses ein erfreuliches Beispiel für eine gute Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft. «Als Denkmalpfleger konnte ich mich nur argumentativ einbringen, rechtlich hatte ich keine Möglichkeiten», sagt Bieli. Der Bauherr musste in die aufwendige Sanierung eine Summe stecken, die teuerungsbereinigt etwa den ursprünglichen Neubaukosten entsprach. «Dafür verfügt er nun über ein repräsentatives Baudenkmal», sagt Bieli.

An der Achse Aeschenvorstadt–St. Jakobs-Strasse befinden sich noch weitere Bauten aus dieser Zeit, die ins Inventar schützenswerter Bauten eingetragen wurden: etwa das Coop-Gebäude des Architekten Hermann Baur von 1955 oder die Handwerkerbank der Architekten Bräuning, Leu und Düring von 1958.



Das Haus der Coop-Genossenschaft am Aeschenplatz von Hermann Baur mit Suter   Suter (Baujahr 1955)

Das Haus der Coop-Genossenschaft am Aeschenplatz von Hermann Baur mit Suter Suter (Baujahr 1955). (Bild: Dominique Spirgi)

Insgesamt hat die Denkmalpflege rund 60 Inventarblätter für Bauten aus dieser Zeit erstellt. «Abgesehen davon, dass es aus dieser Zeit auch viele Bauten gibt, die ganz und gar nicht schützenswert sind, haben wir uns sehr selektiv nur mit den Leuchttürmen befasst», sagt Denkmalpfleger Schneller.

Das Inventar der schützenswerten Bauten reicht lediglich bis ins Jahr 1970. Langsam kommen aber auch später entstandene Bauten in ein Alter, das umfassende Sanierungen nötig macht. Früher oder später werden sich die Denkmalpfleger also auch mit diesen Gebäuden zu befassen haben. Wie einige Beispiele an der Aeschenvorstadt zeigen, dürften allfällige Eintragungen ins Inventar auch hier für viele Menschen schwer oder sogar sehr schwer verständlich sein.

 

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